Mathematik-Abiturprüfung:Vom harten Ringen um faire Noten

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Selten wird hinterher so kontrovers diskutiert: Den einen war's zu schwer, andere warnen vor inflationär guten Noten

" Wahrscheinlich schwierig", " Die neue Macht der Schüler" und "Kultusminister verteidigen Abitur" sowie Glosse " Last und Lust der Mathematik" vom 7. Mai

Gute Zensuren auf Bestellung?

Mal eine einfache Frage aus dem Bereich der Wahrscheinlichkeitsrechnung: Wenn man hundert Schüler befragt, ob sie dafür sind, dass sie eine bessere Note im Mathematikabitur bekommen, wie viele werden dann "Ja" sagen? Im Lichte der zu erwartenden Antworten haben die sich überschlagenden Meldungen zur Anzahl der Unterzeichner der entsprechenden Online-Petition einen Informationswert von ungefähr null. Wenn man stattdessen hundert Mathematiklehrer, die damit befasst sind, befragen und dann melden würde, 10, 20 oder 80 Prozent von denen sagen, es sei zu schwer oder angemessen gewesen, dann kann das dazu beitragen, dass man sich halbwegs fundiert seine eigene Meinung bildet. Die SZ hat jetzt dankenswerterweise in ihrem Artikel "Wahrscheinlich schwierig" auch mal erwähnt, was diejenigen dazu sagen, die etwas davon verstehen. Allerdings suggeriert auch diese Überschrift schon, es sei zu schwer gewesen - was eigentlich nicht zur Aussage des Artikels passt.

Übrigens trage ich in mir die Hoffnung, dass es auch ein paar sehr intelligente Schüler gibt, die auf die oben genannte Frage mit "Nein" antworten würden - zumindest heimlich. Weil ihnen nämlich klar ist, dass die Leistung ihres echten, solide erarbeiteten Einsers geschmälert wird, wenn statt sagen wir mal fünf Einsern plötzlich zwanzig da wären. Was bei diesen angeblich schülerfreundlichen Aktionen oft übersehen wird, ist, dass diese nie den guten, sondern immer nur den schlechten Schülern zugutekommen. Ein im Artikel erwähnter Schüler, der es zu schwer fand, fühlt sich "verarscht". Wie sollen sich Schüler fühlen, die echt gut waren und deren Leistung entwertet wird, weil andere Leistungen künstlich angehoben werden?

Tragen solche Dinge zum Wohle der Schüler bei? Was ist überhaupt das Wohl der Schüler? Dass alle am Schluss irgendwie die gleichen guten Noten bekommen und diese damit immer weniger Aussagewert haben? Ich möchte doch sehr hoffen, dass ein bestandenes Abitur bedeutet, dass die Leute, die immerhin die Elite unserer Gesellschaft bilden und in ein paar Jahren die Dinge in diesem Lande maßgeblich gestalten sollen, in der Lage sind, mit Situationen umzugehen, die sie nicht mit Punkt und Komma genau so vorher einüben konnten. Monika Gamperling, Friedberg

Alle Jahre wieder

Dass eine Abiturprüfung schwer ist, liegt in der Natur der Sache, denn schließlich soll ja das Ergebnis Kompetenzen bestätigen, unter anderem die Studierfähigkeit des Absolventen. Dass eine Prüfung von einer bestimmten Anzahl von Teilnehmern als zu schwer empfunden wird, kommt immer wieder vor. Das ist normal und auch gut so, denn würden alle die Aufgaben leicht lösen können, wäre die Aussagekraft der Ergebnisse minimal, man könnte sich den Aufwand sparen und den Schülern am Ende der Schulzeit einfach eine Art Abitur-Bescheinigung ausstellen - eventuell mit den Noten des letzten Schuljahres. Manfred Arnold, Regensburg

Was soll dieser Stress?

Seit Jahren gibt es Probleme mit den Mathe-Prüfungen zum Abitur - nicht nur in Bayern: Die Bearbeitungszeit ist zu knapp, Aufgaben sind zu schwer und zu komplex. Die Prüfer kann ich nur fragen: Was soll dieser Leistungsdruck? Wem gegenüber wollen Sie beweisen, dass Sie besser sind als ihre Schülerinnen und Schüler? Als Pädagogen haben Sie auf der ganzen Linie versagt! Was Sie verbreiten ist Angst mit den Mitteln des Schulterrors! Mit diesen Methoden werden keine jungen Menschen für naturwissenschaftliche Fächer begeistert und gewonnen. Ich kann mich für diese Kollegen nur schämen. Ulrich Braun, Nister/Westerwald

Aufgaben für Politiker

Wahrscheinlich wollten die Mathelehrer in den abgedruckten Aufgaben die Praxisnähe ihres Fachgebietes unter Beweis stellen. Das ist nicht gelungen! Lostrommeln waren schon immer ein großes Betätigungsfeld von Stochastikern, Volksfeste bislang weniger. Höchstwahrscheinlich sind die meisten der jetzt mit der Bewertung der Aufgaben befassten Politiker nicht in der Lage, die Aufgaben zu lösen. Dr. Reinhold Koch, Puchheim

Notendruck und Fairness

Ich bin Abiturient an einem Münchner Gymnasium und habe das Mathe-Abitur geschrieben. Ich finde es nicht fair, in welches Licht Christian Endt unser Anliegen mit seinem SZ-Video zur Lösung einer Stochastik-Aufgabe rückt. Es kommt durch das Video so rüber, als sei das Abitur ein Kinderspiel gewesen, da die einfachste Aufgabe aus dem Stochastik-Teil vorgerechnet wird. Gegenstand der Kritik ist nicht diese eine vorgetragene Aufgabe, sondern vielmehr das insgesamt geforderte Niveau dieser Abiturprüfung. In Vorbereitung auf die Mathematikprüfung habe ich alle Abiture seit der Einführung des G8 gerechnet. Meine Mitschüler, meine Lehrer und ich empfanden das Abitur als schwierig. Wenn man nun 12 Jahre kämpft, um einen guten Numerus Clausus (NC) zu ergattern, damit man eine Chance auf einen zulassungsbeschränkten Studiengang hat, dann fühlt man sich mit seinen Anstrengungen schon irgendwie "sabotiert". Das ganze System der Verteilung der Studienplätze beruht auf dem NC: Wenn das Niveau zwischen den Jahrgängen so schwankt, dann fühlt man sich wirklich wie auf dem Jahrmarkt. Ich hoffe, Sie können unsere Kritik nun besser nachvollziehen! Maxi Stuber, München

Was zur Reife gehört

Ich gebe selbst privaten Nachhilfeunterricht und habe in den vergangenen Jahren ein paar Schülerinnen und Schüler auch in Mathematik zum Abitur begleitet. Auffällig ist für mich, dass sie in diesem Fach zwar viel auswendig lernen, aber trotz auch im Abitur verwendeter Formelsammlungen die Querverbindungen kaum noch beherrschen, die notwendig sind, um sich Lösungen von anspruchsvolleren Aufgaben erschließen zu können. Das sehe ich auch an meinen beiden Töchtern, die zurzeit die 11. Klassen an zwei oberbayerischen Gymnasien besuchen. Hierüber sollte man grundsätzlich nachdenken, aber auch hierfür kann die Verantwortung nicht den Lehrerinnen und Lehrern allein zugeschoben werden. Ein wenig Eigenverantwortung der Schüler kann schon erwartet werden.

Vor diesem Hintergrund sollten die Abituraufgaben jetzt überprüft werden. Sollte das bayerische Kultusministerium tatsächlich feststellen, dass einzelne Aufgaben etwas zu schwer waren, sollte entsprechend reagiert werden. Ganz unabhängig davon sollten sich aber alle Schülerinnen und Schüler samt ihren Eltern klar machen, dass sie keinen Anspruch auf gute Bewertungen haben, wenn die Leistungen nicht stimmen. Gerade auch das gehört zur allgemeinen Hochschulreife! Jörg Sulimma, Weilheim in Oberbayern

© SZ vom 11.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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