Massenprozess:Autoschieber-Bande verursacht Millionenschaden

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Insgesamt 89 Männer sind an dem ausgetüftelten Deal beteiligt, in dessen Verlauf Autos im Wert von 5,5 Millionen Euro aus München verschwinden. Zehn Männer stehen nun vor Gericht.

Stephan Handel

,,Dann darf ich die Angeklagten herzlich beim Landgericht München I begrüßen'', sagt Frank Zimmer, aber das ist nur halb lustig gemeint. Um zu wissen, was vor ihm liegt, muss der Vorsitzende Richter der siebten Strafkammer nur in seinen Gerichtssaal schauen: Fast 40 Leute drängeln sich da, die Angeklagten, elf Verteidiger, 15 Polizisten, vier Dolmetscher, die Staatsanwältin, die Protokollantin, die Schöffen, die Beisitzer.

Mit Vorliebe suchten die Schieber teure Autos aus. (Foto: Foto: AP)

Und auch der Zuschauerraum ist gut gefüllt - hauptsächlich mit Familienangehörigen der Angeklagten, aber auch einigen Kiebitzen. Vor allen Beteiligten liegt ein Mammut-Verfahren - 50 Termine bis weit in den Herbst hinein sind vorerst angesetzt.

Angeklagt sind zehn Männer zwischen 30 und 38 Jahren, sieben Iraker, drei Serben. Der Staatsanwalt wirft ihnen gewerbsmäßigen Bandenbetrug vor - und nicht nur ihnen: Insgesamt sollen 89 Männer mitgemacht haben bei dem Dreh. Der war, so wie ihn die Anklageschrift beschreibt, ziemlich raffiniert ausgetüftelt. Die Männer sollen mit Autoschiebereien einen Schaden von rund 5,5 Millionen Euro angerichtet haben.

Dazu kauften sie zunächst insolvente, nur noch auf dem Papier existierende GmbHs auf, sogenannte Mäntel - die brauchten sie, weil das System auf Leasing basierte und ihnen selbst wegen des befristeten Aufenthaltsstatus kein Kredit gewährt worden wäre. Die GmbHs untereinander schrieben sich Scheinrechnungen, so konnte Banken und Autohäusern eine gesicherte Finanzgrundlage vorgegaukelt werden.

Vorliebe für Luxusautos

Bei der Auswahl der Fahrzeuge waren die Männer wählerisch: Mit Vorliebe besorgten sie Autos von BMW oder Mercedes, zum Teil bis zu 100000 Euro teuer. Für die Autos schlossen sie Leasing-Verträge. Wenn die finanzierenden Banken zum Zweck der Zulassung die Fahrzeugpapiere überließen, dann wurden sie gefälscht - denn mit Papieren konnten die Autos später besser verkauft werden.

Die Leasingraten für die Wagen wurden in den seltensten Fällen bezahlt. Vielmehr wurden die Fahrzeuge in den Orient, hauptsächlich in den Irak und nach Syrien, gebracht und dort mutmaßlich weiterverkauft. Auf 50 Seiten Anklageschrift listet der Staatsanwalt 115 Fälle auf. Darunter waren auch mehrere Fälle, in denen Lastwagen auf die gleiche Tour beschafft und verschoben wurden.

Strenge Bandenhierarchie

Die Bande war laut Staatsanwaltschaft in drei Ebenen gegliedert. Die Führungsebene, zu der der 37-jährige Hauptangeklagte und sein flüchtiger Bruder gehörten, organisierte die GmbH-Mäntel, die Scheinfirmen und das Geld für die Anzahlungen auf die Fahrzeuge. Sie rekrutierte auch die zweite Ebene - die Geschäftsführer der GmbHs. Diese bestand aus etwa 16 Männern. Sie leisteten hauptsächlich Unterschriften für den Fahrzeugkauf und für den Transport ins Ausland. Daneben mussten sie auch ,,Büroarbeit'' erledigen. Rechnungen frisieren, Unterlagen für die Zulassung besorgen. Die dritte Ebene waren die Fahrer, die die Autos ins Ausland brachten.

Die Männer wurden im August 2005 verhaftet. Angeblich hatte ein V-Mann die entscheidende Bresche in die Bandenfront geschlagen. Nach Aussagen der Verteidigung wollen die Angeklagten vorerst schweigen. Dass dies kein leichter Prozess für den akribischen Richter Frank Zimmer wird, zeigte schon der Auftakt gestern: Allein die Feststellung der Präsenz, also die Aufzählung aller Verfahrensbeteiligter mit ihren Funktionen, dauerte gut 15 Minuten - eine Viertelstunde für eine Angelegenheit, die normalerweise mit drei Sätzen erledigt ist.

© SZ vom 5.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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