Maskenpflicht in Geschäften und Nahverkehrsmitteln:Wirklicher Schutz - oder politischer Aktionismus?

Lesezeit: 3 min

SZ-Leser sind nicht ganz überzeugt vom Sinn dieser Vorgabe und weisen kritisch auf einige Widersprüche hin

"Was erlaubt ist - und was nicht" vom 27. April, "Ohne Maske wird es teuer" vom 25. April sowie "Mund zu" vom 21. April über die Einführung einer Maskenpflicht:

Jetzt plötzlich mit Maske

Seit Montag, 27. April, gilt ja die Maskenpflicht im Einzelhandel sowie im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in ganz Deutschland, mit gewissen Ausnahmen, was den Einzelhandel betrifft.

Ist Ihnen bekannt, dass ausschließlich in Bayern die Maskenpflicht auch für Apothekenmitarbeiter hinter fest installierten Plexiglasscheiben gilt? In manchen Ländern wird das Tragen der Maske dann als obsolet angesehen, in anderen obliegt es den Teams der jeweiligen Apotheke selbst.

Wir Apotheker sind nicht nur hervorragend ausgebildet, was Hygiene anbelangt, vielmehr wurde von uns von der Politik die letzten sechs Wochen verlangt, "systemrelevant" zu funktionieren. Niemand hat da gefragt, wie wir uns schützen, wie es uns geht, wie wir psychisch wie physisch an unsere Grenzen kamen, unermüdlich Nachfragen nach Desinfektionsmitteln und Atemschutzmasken zu decken versuchten.

Und nun sollen wir zu dumm sein, uns selbst zu schützen?

Übrigens obliegt uns auch eine Beratungspflicht, dies lässt sich - eine Maske tragend - kaum realisieren. Wie soll man da etwas verständlich erklären? Hier kann es im Extremfall größere Schäden als durch CoVid-19 geben. Patrick Dötsch, München

Management by Hektik

Jeden dritten oder vierten Tag stellt sich derzeit der bayerische Ministerpräsident Markus Söder an die Mikrofone in der Staatskanzlei und verkündet seine Vorstellungen und seine Beschlüsse zur, aus seiner Sicht, erfolgreichen Bekämpfung der Corona-Krise.

Meistens ohne jegliche Abstimmung mit dem Bund oder mit anderen Ländern, und schon gar nicht nach entsprechender Diskussion im Parlament. Söder handelt und regiert so, wie er selbst am liebsten handelt und regiert. Ich bin der einzige, der weiß, was richtig ist. Parlament, parlamentarische Kontrolle und Opposition sind ja derzeit außer Betrieb.

Demokratie braucht es offenbar in der Coronazeit nicht. Stört aber wohl auch kaum jemanden.

Und die aktuellen Zustimmungswerte in der bayerischen Bevölkerung für Ihn beziehungsweise seine CSU scheinen ihn in seinem Tun und Handeln zu bestärken. Nur, was tut er eigentlich? Wie handelt er, beziehungsweise wie handelt er nicht?

Wenn sein Handeln einen klaren Kurs aufzeigen würde, würde man sich einen Plan für ein "danach" wünschen, eine Struktur, aus der sich ein echter Leitfaden erkennen lässt, sowohl, was den Sinn der derzeitigen Maßnahmen als auch geplanter Maßnahmen erkennen lässt.

In Bayern gibt es den Spruch, der "denkt nicht von 12 Uhr bis zum Mittagsläuten", und so erscheint aus nüchterner Betrachtung das Handeln von Söder zu sein.

Zunächst einmal ist ihm wichtig, in Deutschland immer der Vorreiter sein zu müssen, seine sogenannten Maßnahmen müssen sich abheben vom Rest der Republik. Sowohl, wenn es um das Öffnen von Ladengeschäften geht, als auch in der Frage wann und wie Schulen wieder öffnen und natürlich auch was die sogenannte Maskenpflicht angeht.

Da wird verordnet, in Bayern dürfe niemand mehr ab dem 27. April den ÖPNV nutzen oder einkaufen gehen, ohne eine entsprechende Schutzmaske zu tragen. Prima, denkt sich da Lieschen Müller, morgen schickt mir die bayerische Staatsregierung einen entsprechenden Mund-, Nasen-, Gesichts-Schutz gegen eine mögliche Ansteckung wegen des Coronavirus zu.

Da hat Lieschen Müller aber mit Bananen gehandelt. Ja natürlich, seit dem 27. April muss nicht nur sie, sondern müssen wir alle in Bayern diese "Maske" tragen, wenn wir einkaufen oder den Bus benutzen wollen. Aber stellt der Staat, der diese "Pflicht" verordnet, diese uns Bürgerinnen und Bürgern auch zur Verfügung? Ja von wegen, selber besorgen, wo auch immer, notfalls selber nähen, notfalls reicht ein Schal.

Ist das politisch klares, strukturiertes Handeln? Steckt da eine erkennbare politische Strategie dahinter? Eher nicht. Da gibt es die einen, derzeit wie die Pilze aus dem Boden wachsenden "Experten", die meinen, ja irgendwas vor dem Gesicht sei sehr wirksam gegen die Ausbreitung des Virus, und andere wiederum sagen: Totaler Blödsinn, denn dies schütze weder andere noch einen selber wirksam, mit solch Selbstgebasteltem vor dem Mund herumzuflitzen.

Wichtig war ja nun erst einmal, dass diesen Montag wieder die Baumärkte und Gartencenter öffnen, damit die Mütter im Homeoffice was für den Garten und die Papis im Homeoffice was zum Basteln haben. Da ist das bayerische Volk dann wieder glücklich und erklärt Markus Söder dann irgendwann vermutlich zum Heiligen.

Das dessen Politik eher an "Management by Hektik" erinnert denn an strategisches politisches Handeln, geschenkt, interessiert wohl in Bayern ebenso wenig wie der fortschreitende Abbau demokratischer Grundrechte.

Ich frage mich aber zunehmend, wer oder was schützt mich bitte schön vor Markus Söder, den selbsternannten Virologen, und vor den anderen Hobbymedizinern und vor dem Rest der mittlerweile gleichgeschalteten Politik? Klaus Brinnig, München

© SZ vom 30.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: