Mai 1997:Vor 20 Jahren

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Gereimter Protest gegen die Zivilflieger auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck. (Foto: Ortwin Scheider/Archiv Landratsamt Fürstenfeldbruck)

In der Freinacht mauern Scherzbolde die Eingangstür des Rathauses von Fürstenfeldbruck zu. Christiane Herzog kommt zu Besuch. Die Entwicklung des Pucher Meeres zum Erholungsgebiet stockt wegen eines Altlastenfundes.

Von Erich C. Setzwein

Mai 1997

Die Freinacht haben Scherzbolde genutzt, um den Zugang zum Rathaus Fürstenfeldbruck zu erschweren. Sie mauerten einfach die Eingangstür zu.

Christiane Herzog ist zu Gast in Fürstenfeldbruck. Doch begleitet sie nicht ihren Mann, den Bundespräsidenten Roman Herzog, sondern sie kommt allein und als Autorin. Sie hat ein Kochbuch geschrieben, und das stellt sie in der Kreisstadt vor.

Es finden sehr viele private Feste mit jeweils vielen Gästen statt. Stadelpartys werden gefeiert, und die professionellen Wirte sprechen bereits von "Schwarzgastronomie". Sie wollen nicht zulassen, dass ihnen Geschäfte entgehen.

Ein Asylbewerber soll abgeschoben werden. Dagegen regt sich im Landkreis Protest. Der Mann ist aus dem Kosovo und vor dem Bürgerkrieg geflohen.

Landrat Thomas Karmasin (CSU) bereitet den Landkreis Fürstenfeldbruck auf die "Müllehe" mit dem Landkreis Dachau vor, und es werden 75 000 Tonnen Müll als Obergrenze der Verbrennungskapazität in der Müllverbrennungsanlage Geiselbullach festgelegt. Dagegen protestieren die Bürger, aber die notwendigen 7000 Unterschriften für ein Begehren kommen nicht zusammen.

Die Zivilflieger auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck bringen die Anwohner gegen sich auf. In einer Aktionswoche wird gegen die Hobbypiloten demonstriert.

Die Autofahrer in Fürstenfeldbruck sollen diszipliniert werden. Die Stadt führt die kommunale Verkehrsüberwachung ein. Die Knöllchenverteilerei kommt nicht gut an.

Im Speedwaystadion Olching will die Absolut Party Festival GbR ein Open-air-Konzert veranstalten. Als die Gemeinderäte sich mit dem Antrag befassen und von den bis zu 15 000 Menschen erfahren, die da kommen werden, wird ihnen mulmig. Wichtig ist dem Gemeinderat, dass genügend Toiletten vorhanden sind und Parkgebühren eingenommen werden.

Die E ichenauer Hauptstraße ist überlastet, die Anlieger leiden von früh bis spät unter dem Durchgangsverkehr. Doch welche Möglichkeiten gibt es? Die CSU hat eine Antwort gefunden: ein Kreisverkehr vor dem Rathaus. Der kommt zwar nicht, aber viele Jahre später wird die Durchgangsstraße von Eichenau zwei Kreisel haben: einen im Süden und einen im Norden.

Die Brucker Bäcker machen Werbung für ihr Brucker-Land-Brot. Eine Gemeinschaftsaktion wird organisiert, um zu zeigen, dass sich der Gedanke der Solidargemeinschaft Brucker Land mit Elisabeth Seiltz an der Spitze durchsetzt.

Die Fürstenfeldbrucker Neuesten Nachrichten titeln einen Bericht über den Kauf eines Grundstücks zwischen der Bundesstraße 2 und der Bundesstraße 471 so: "Stadtwerke können nun endlich umziehen". Die von den Stadtwerken verbreitete Hoffnung aber ist verfrüht, wie sich 20 Jahre später immer noch zeigt.

Das Förderzentrum Fürstenfeldbruck geht in Bau. Eine wichtige Einrichtung für die Sonderpädagogik im Landkreis entsteht.

Die Neue Bühne Bruck hat ein Drei-Personen-Stück inszeniert. Tobias Martin, Sabine Hannig und Carola Beil brillieren in "In der Stunde des Luchses". Die Regie hat Matthias Eberth.

Im Max-Born-Gymnasium Germering denken Schüler und Lehrer über die bücherlose Schule nach. Die könnte bald kommen, bereits 2010, so ihre Vision, werde es den Lehrstoff auf einer Chipkarte geben.

Das Pucher Meer entsteht. Doch die Entwicklung zum Erholungsgebiet vor den Toren von Fürstenfeldbruck stockt. Altlasten sind gefunden worden.

Das Gut Streiflach bei Germering wird zum Gnadenhof. Diese Arche Noah für Tiere sei ein "einmaliges Konzept in Deutschland".

Die Reichweite ist mit 50 bis 75 Kilometern noch bescheiden, und der Preis für das Elektroauto ist mit 38 000 D-Mark auch recht hoch. Doch das ist es dem Arzt Brucker Wolfgang Coutourier wert. Er fährt mit dem umgebauten Polski-Fiat leise und umweltschonend und findet: "Das ideale Auto für den Nahbereich."

Erneut steht eine Abschiebung an. Diesmal soll eine Familie aus dem Kosovo, die vor dem Bürgerkrieg geflüchtet war und in Moorenweis Unterkunft gefunden hatte, nach Rest-Jugoslawien ausreisen.

Der Mai neigt sich seinem Ende zu, als in Germering eine Handvoll politisch aktiver Menschen eine Ortsgruppe der PDS gründen. Das älteste Mitglied ist 38, das Jüngste, der 17 Jahre alte Johannes Kakoules, wird zum Vorsitzenden gewählt. Um erst gar keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, gibt der Schüler des Carl-Spitzweg-Gymnasiums für den Germeringer Ableger der Partei des demokatischen Sozialismus bekannt: "Wir haben mit der SED nichts zu tun." Damals schon ziemlich aktiv in der Bundespolitik ist eine Frau, die schnell sehr bekannt wird. Was Kakoules von ihr hält? "Sahra Wagenknecht verkörpert den kalten Betonsozialismus für mich, aber ansonsten komme ich mit Kommunisten gut aus."

Traurige Nachricht aus Althegnenberg: Dort hat ein 89 Jahre alter Mann seine zwölf Jahre jüngere Ehefrau umgebracht. Die 77-Jährige war schwer krank und pflegebedürftig.

© SZ vom 05.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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