Mai 1987:Vor 30 Jahren

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Nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl werden im Landkreis Lebensmittel auf Radioaktivität gemessen. (Foto: Ortwin Scheider/Archiv Landratsamt Fürstenfeldbruck)

Nach Tschernobyl werden Lebensmittel auf Radioaktivität gemessen. In Germering entstehen neue Wohnungen. Die Redaktion zieht um.

Von Erich C. Setzwein

Mai 1987

Kinderkrippen sind keine Erfindung der Deutschen Demokratischen Republik, auch wenn es sie in der DDR irgendwie schon immer gab, damit Mutti wie Vati gleichberechtigt ins Kombinat gehen konnten. Aber braucht es das in Fürstenfeldbruck auch? Die CSU sucht jedenfalls händeringend nach Argumenten, um dem Ansinnen der DKP, in der Kreisstadt eine Kinderkrippe einzurichten, zu widersprechen. Und sie findet auch eines, ein gewichtiges sogar. Die Erziehung, heißt es in einer Erklärung vom Anfang des Monats, müsse in der Familie im Vordergrund stehen. Also keine Betreuung der Babys in Kinderbewahranstalten, die Kinder sollen, wenn überhaupt, zu Tagesmüttern. Die SPD aber widerspricht: Tagesmütter seien rar.

Ein Jahr ist es her, dass im ukrainischen Tschernobyl ein Atomkraftwerk explodierte und eine radioaktive Wolke gen Westen zog. Immer noch lässt das Landratsamt deswegen Bodenproben entnehmen, um Becquerelwerte von Cäsium und anderen ungesunden Isotopen nachzuweisen. Die Messmethode allerdings ist umstritten.

Vier Jahre ist auf dem Germeringer Immobilienmarkt so gut wie nichts passiert, doch zwischen 1984 und 1987 entstehen wieder neue Wohnungen. Etwa 1000 sind es, die WWK-Siedlung an der Kreuzlinger Straße ist eines der größten neuen Wohngebiete. Die Häuslebauer aber haben ein nie gekanntes Problem: Nach den neuesten Bestimmungen des Landratsamtes müssen pro Wohnung 1,5 und pro Haus zwei Stellplätze nachgewiesen werden.

Zu wenig Platz ist im Landratsamt, und deshalb muss die Zulassungsstelle ausziehen. Die Behörde wie auch die Parteien ermitteln den Bedarf. Es wird wohl auf eine Erweiterung hinauslaufen.

Mit Spiegeln unter dem Rückspiegel oder elektronischen Warngeräten ist das neue "Multanova 6 F" nicht mehr auszutricksen. Die neue Geschwindigkeitsmessanlage der Polizei mit rotem Blitzlicht sieht aus wie eine Panzerabwehrwaffe, auch wenn die Polizeibeamten im Landkreis alles tun, um sie vor den Blicken der Raser zu verbergen.

In einem Maisacher Bauernhof bricht die Schweinepest aus. Quarantänezonen und Sperrbezirke werden eingerichtet.

Nicht weit kommt die CSU mit ihrer Idee, die Hauptstraße von Fürstenfeldbruck zu unterkellern. Nicht aber, um Bier kühl zu lagern, sondern um Autos in Tiefgaragen unterzubringen.

Am 18. Mai ziehen Zähler zur Volkszählung los. Es wird eine Handvoll Daten erhoben, die im Vergleich zu heute in ein Facebook-Profil passen würden. Doch der Aufstand gegen die Durchleuchtung der Brucker ist groß, es bildet sich eine Initiative, die Grünen und die DKP wollen dem Staat auch nichts verraten, und wenn sie dann an einem Infostand die Bürger über das angebliche Ausschnüffeln aufklären wollen, kommt die Polizei, nimmt ihnen das Infomaterial weg und löst den Stand auf. Bei der Volkszählung kommt es dann doch auch zu peinlichen Pannen. So wird ein Zähler entdeckt, der in seiner Nachbarschaft Fragen gestellt hat. Er hat das "Abschottungsverbot" nicht eingehalten.

Die Fürstenfeldbrucker Neuesten Nachrichten geben ihre Redaktion in der Fürstenfelder Straße 16 in Fürstenfeldbruck auf. Aber nur, um in den Plonnerhof an der Hauptstraße 24 zu ziehen. Dort ist dann auch mehr Platz für Anzeigenkunden und Abonnenten. Die Redaktion verfügt nun über eine Geschäftsstelle. Die Post erlaubt, dass die Telefonnummer mitgenommen werden darf, sie lautete 9797.

Die Raiffeisenbank Olching möchte mit der Raiba Germering zusammengehen. Die Germeringer gehen nicht darauf ein. Später, in finanziellen Turbulenzen, fusioniert sie mit der Volksbank Fürstenfeldbruck.

In Germering wird aus einem Provisorium ein echtes Gymnasium. Das CSG, nach Carl Spitzweg benannt, wird eingeweiht.

Südlich der Landkreisgrenze, beim Weiler Arzla in der Gemeinde Inning, soll die Mülldeponie des Landkreises Starnberg entstehen. Die Grafrather zeigen, wie aufgebracht sie sind und schließen sich den Protesten in der Nachbargemeinde an. Dort ist einer der Wortführer der Inninger Neubürger Thomas Gottschalk.

Lange hat es gedauert, bis eine Reaktion kam, aber im Mai endlich wird allgemein bekannt, wie groß der Umweltschaden ist, den eine Eichenauer Reinigung angerichtet hat. Chlorkohlenwasserstoffe und Lösungsmittel sind ins Erdreich des Firmengrundstücks gelangt.

Die Feuerwehr in Fürstenfeldbruck muss dringend erweitert werden, weil die Räume an der Marthabräustraße nicht mehr ausreichen. Es werden zwei neue Standorte diskutiert. Ein Grundstück an der Ganghofer Straße und eines an der Schuhmacherstraße. Baubeginn des mehr als 15 Millionen Mark teuren Projekts ist aber erst acht Jahre später an der Landsberger Straße.

Eine Kunststofffirma aus Gräfelfing will nach Grafrath ziehen. 50 Arbeitsplätze und eine entsprechende Gewerbesteuer werden erwartet. Doch der Protest der Nachbarn bleibt nicht aus. Sie befürchten eine Belästigung durch den Autoverkehr an der Jesenwanger Straße.

Sigi Zimmerschied, Kabarettist aus Passau, gastiert im Freizeitheim Gröbenzell. Die Kulturredaktion der Fürstenfeldbrucker Neuesten Nachrichten titelt: "Mit genialer Häme wider die Obrigkeiten".

© SZ vom 05.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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