Löwenbräuzelt:Bei den Veteranen der Hendl-Aufstecker

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Das Oktoberfest in Zeiten des Gammelfleischs: Ein Tag in der Großküche des Löwenbräuzelts.

Claudia Wessel

Antonio Lisi hat sein eigenes Patent entwickelt. Einen kleinen Holzpflock, auf den er ein Metallteil mit einer viereckigen Öffnung genagelt hat, genau so groß, dass der Grillspieß hineinpasst.

Bei 70 Grad arbeiten die Hühner-Griller in der Küche des Löwenbräu-Zeltes. (Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Sobald er genügend Hendl mit Petersilie und Salz- und Pfeffermischung ausgestopft und die Tiere nochmals in groben Salzkörnern gewälzt hat, steckt er sie auf diesen Spieß. Durch Antonio Lisis Erfindung steht der Eisenstab fest, und der Küchenarbeiter muss ihn nicht mehr wie früher auf einen umgestülpten Plastikeimer stützen, wo er hin- und herrutscht.

Solch eine Hilfe ist sehr nützlich, schließlich spießt Lisi zwischen 3200 und 6500 Hendl pro Wiesntag auf.

Antonio und Oronzo Lisi, Carlo Parrilli und Enzo Manganello sind Hendl-Aufstecker im Löwenbräuzelt. Alle vier seit genau 26 Jahren. Wenn keine Wiesn ist, findet man sie bei im Briefzentrum und bei der Telekom.

Mehr als 20 Jahre

Sie sind vier von 90 Personen, die "im Durchschnitt mehr als 20 Jahre hier beschäftigt sind", wie Wirt Wiggerl Hagn versichert. Wer die Probe aufs Exempel macht, stellt fest, dass er Recht hat.

Küchenchef Fred Gruber zum Beispiel ist seit 27 Jahren in der Löwenbräu-Wiesnküche beschäftigt (seit drei Jahren übrigens auch seine Tochter Dagmar, die innerhalb dieser Zeit geboren wurde). Christine Wanek, verantwortlich dafür, dass immer genügend Kaffee und Zucker da sind, ist ebenfalls seit 27 Jahren dabei.

Nur Mahamadi Bambore ist eine große Ausnahme. Der Mann an den Schweinswürstln ist erst seit fünf Jahren dabei.

Beton zum Wegwerfen

"Das Besondere an unserer Wiesnküche ist, dass sie nur für zwei Wochen eingerichtet ist"', erklärt Hagn. Sie könne somit nicht so komfortabel sein wie eine Großküche in einem Hotel oder in einer Gaststätte. Der Boden ist aus Beton.

Dieser wird - zum Preis von 19.000 Euro - eigens gegossen. Und am Tag nach der Wiesn abgerissen und weggeworfen. In den Beton eingelassen sind Abwasser-, Gas- und Elektrizitätsleitungen sowie Gitterroste für den Ablauf.

Die Küchengeräte sind teilweise Leihgeräte, teilweise liegen sie das ganze Jahr über im Lager. Die Geräte, die Hagn gehören, sind "meist schon ziemlich alt", erklärt er. Die Herde, Konvektomaten (mit denen man Kochen, Backen und Braten kann) und die Grills werden ja so selten benutzt: "Wenn man ein Küchengerät 26 Wiesn lang benutzt, entspricht das einem Jahr in der Gastronomie."

Wichtig sei die "Staplerfähigkeit" der Küchengeräte. Nicht Stapel-, sondern wirklich Staplerfähigkeit! Ein Wiesn-Küchenherd muss von einem Gabelstapler hochgehoben werden können. Neben der Transportfähigkeit ist freilich auch die Belastbarkeit der Geräte wichtig.

Durch Hagns Band-Spülmaschine werden täglich 30.000 Teller gejagt. 16 beziehungsweise heuer 18 Tage lang, dann steht die Maschine wieder 50 Wochen lang still. "Wenn die an einem Wiesntag kaputtgehen würde", sagt Hagn,"würde alles zusammenbrechen!"

Nach der Wiesn werden alle Geräte zerlegt, von einer Spezialfirma vom Fett gereinigt und wieder zusammengebaut. "Die Antriebsketten vom Hühnergrill, die Zahnräder - das wird alles voller Fett in den zwei Wochen."

Keine Ersatzteile mehr

25 Jahre haben Hagns letzte Hendlgrills gehalten, und sie hätten es auch noch länger getan, doch die Herstellerfirma gab es nicht mehr und damit keine Ersatzteile. Somit besitzt das Löwenbräuzelt seit drei Jahren neue, glänzende Hendlgrills.

Hagns ältestes Küchengerät ist ein 200 Liter fassender Dampfkessel für Sauerkraut. "Den hab ich vor 25 Jahren gebraucht gekauft". Er war aus Emaille. Da das jedoch inzwischen nicht mehr zulässig ist, wurde er mit rostfreiem Stahl verkleidet. "Damit ist der Bezirksinspektor wieder freundlich geworden!"

Womit wir bei einem äußerst häufig gesehenem Gast in der Wiesnküche sind: Frank Schmid und seinen Kollegen, den Lebensmittelüberwachungsbeamten der Stadt. Sie kommen heuer vier bis sieben Mal täglich, um ein strenges Auge auf die Hygiene zu werfen. "Das ist die Folge des Gammelfleischskandals", so erklärt Schmid, der auch bei unserem Besuch gerade wieder anwesend ist.

Die Pfanne, in der der Kaiserschmarrn zubereitet wird, hat einen Durchmesser von einem Meter. (Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Die Regierung von Oberbayern als Fachaufsicht habe angeordnet, die Kontrollen auf der Wiesn um 50 Prozent zu erhöhen. "Besser als die Wiesnzelte wird zurzeit nichts kontrolliert in ganz Deutschland", sagt der Lebensmittelexperte Schmid.

Hier wird jede Kleinigkeit sofort entdeckt: Wenn ein Mitarbeiter ohne Hut von der Pause zurückkommt oder eine Kiste mit Lebensmitteln in der Kühlkammer auf dem Fußboden steht.

"Sehr viel Vertrauen in die Lieferfirmen" war jedoch für Wiggerl Hagn schon immer wichtig. Seit sechs Jahren hat er denselben Hendl-Lieferanten, der garantiert: "Heute geschlachtet, in der Nacht auf Transport, morgen auf den Teller". In anderen Worten: Auf der Wiesn gibt es nur frische Ware. "Wir haben kein gefrorenes Fleisch, außer bei den Enten."

Und da auch nur, weil diese frisch nicht in ein und derselben Gewichstklasse zu haben sind. Salat und Gemüse bekommt Hagn aus der Großmarkthalle, Sauerkraut vom Bauern aus Ismaning, Fleisch- und Wurstwaren von Münchner Metzgern.

"Da muss nichts weggeworfen werden"

In der Einschätzung der bestellten Mengen hat Hagn, der seit 1979 auf der Wiesn ist, inzwischen Übung. "Da muss nichts weggeworfen werden." An einem guten Samstag werden in der Küchen rund 20.000 Essen produziert.

Dafür braucht man erfahrene Kräfte. "Jeder muss wissen, wo er hinlangt!" Und zwar von Anfang an. "Die Wiesn läuft nicht langsam an, sondern mit einem Kanonenschlag!" Daher legt Hagn auch soviel Wert auf langjährige Erfahrung.

Und auf gutes Betriebsklima, welches gerade auf der Wiesn garantiert ist. "Da gibt es keine Streitigkeiten und keine Eifersüchteleien", sagt Hagn: "Dafür sind die zwei Wochen zu kurz."

Im Gegenteil, das Team halte zusammen wie eine gute Familie. "Das ist eine Begrüßung jedes Jahr, als kämen sie aus der Kriegsgefangenschaft!" Kein Wunder, sehen sich doch die Leute, die hier zwei Wochen lang zusammen schuften, das ganze Jahr über nicht mehr.

Eine Bedienung kommt aus Adelaide in Australien und ist seit 16 Jahren jedes Jahr zur Wiesn im Löwenbräuzelt. Viele Mitarbeiter leben in Tirol, der Steiermark und rund um Salzburg.

Siebzig Grad heiß ist es zwischen den Hendlgrills, auch über dem Lavasteingrill für die Schweinswürstel ist es nicht viel kühler. Ein Knochenjob. Durst leiden muss aber keiner der Mitarbeiter. Im Magazin der Großküche gibt es kostenlose Getränke für alle. Natürlich nur alkoholfrei.

© SZ vom 28.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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