Die App blinkt auf, zeigt eine Einkaufsliste und ein Zeitfenster, in dem der Kunde den Einkauf geliefert haben möchte. Damit beginnt der Job von Vartui Khachaturyan. Sie fährt zum Supermarkt, einkaufen. Wenn der Auftraggeber die kürzestmögliche Lieferzeit gewählt hat, bleiben ihr zwei Stunden, um die Waren abzugeben. Die Mathematikstudentin ist eine von rund 30 Einkäufern des Lieferdienstes Shopwings. Manche von Khachaturyans Kollegen sind mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs, sie selbst hat ein Auto. "Wahrscheinlich bekomme ich deshalb die dicken Aufträge", sagt sie. "Ich habe schon viele Getränkepacks geschleppt."
Seit Mitte Oktober können Münchner bei Shopwings ihren Einkauf online erledigen. Bisher bietet die Firma fast das komplette Sortiment von Lidl und V-Markt an. Laut Gründer Florian Jaeger sollen die Kunden mit der Zeit zwischen sämtlichen in der Stadt verfügbaren Supermärkten wählen können. Es ist kein Zufall, dass das Unternehmen nun in München auf den Markt drängt, wo bereits einige ähnliche Anbieter konkurrieren.
Die vielen Besserverdiener in der Stadt, sagen die Verantwortlichen auch anderer Unternehmen, machen den Markt interessant: Die Münchner, so die Hoffnung, nehmen Zusatzkosten eher in Kauf als Bewohner anderer Städte, wenn sie dafür die Einkäufe bequem nach Hause geliefert bekommen.
Der "Zalando-Effekt"
Es geht auch online: Lebensmitteleinkauf ganz ohne Geschäft.
Dass nach Büchern, Schuhen und Elektronik auch das Sortiment normaler Supermärkte bei immer mehr Anbietern über das Internet zu beziehen ist, nennt Handelsforscher Lars Hofacker den "Zalando-Effekt". Die Werbung des Onlineshops habe die Menschen aufmerksam gemacht, was alles im Internet möglich sei. "Die Verbraucher entdecken mehr und mehr den Nutzen des Onlineversands."
Der über das Internet abgewickelte Lebensmittelhandel ist trotzdem noch eine so kleine Nische, dass es keine belastbaren Zahlen gibt. In Bayern haben die klassischen Lebensmittelhändler mit ihren Supermärkten im vergangenen Jahr 25,5 Milliarden Euro umgesetzt. Schätzungen zufolge liegt der Anteil des Onlinehandels daran nur zwischen 0,3 und einem Prozent. Bestenfalls, so rechnet die Handelskammer vage, käme der Lebensmittelverkauf über das Internet aktuell auf maximal 250 Millionen Euro in Bayern. Heruntergerechnet hätten Online-Lebensmittelhändler in München etwa 40 Millionen Euro erwirtschaftet.
Die Liste der Anbieter in der Stadt ist nicht eben kurz: Food.de, Allyouneed, Mytime, Bringmeister oder Freshfoods heißen die Unternehmen, auf deren Seiten man per Mausklick einkaufen kann. Selbst das Feinkost-Geschäft Dallmayr hat seit kurzem einen Online-Shop. Shopwings ist nach eigenen Angaben das erste Unternehmen, das nur als Bringdienst aktiv ist: Die Einkäufer fahren also zu Supermärkten und kaufen tatsächlich für den Kunden ein, um ihm die Ware nach Hause zu liefern. Dadurch kann das Startup - innerhalb der Öffnungszeiten - auch schneller liefern als etwa Allyouneed und Mytime, die die Ware aus ihrem Lager holen und dann über den Lieferdienst DHL verschicken - was eine Lieferzeit von einem Tag bedeutet.