Leise Wiesn:Jugend macht Front gegen Mosch und Verdi

Lesezeit: 2 min

"Da ist ja überhaupt nichts los im Wiesnzelt!" - Das Gebot für dezente Musik vor 18 Uhr ist umstritten.

Claudia Wessel

Schottenhamel-Zelt, Montag, 13.30 Uhr. Christian Sachs, Leiter der Kapelle Otto Schwarzfischer, und drei seiner Buam stehen an der Balustrade ihrer Bühne und schicken ein fröhliches "Hollderödijö hollderödijö hollderödijö hollderödijööö" in den Saal.

Ja, es ist ein ziemlich langes und ziemlich ausgelassenes Jodeln, mit dem sie das Lied von "Seil und Haken", "schwindelnden Höhen" und den "Bergvagabunden" oben droben aufpeppen. Vorher haben sie bereits den "Schürzenwalzer" von Ernst Mosch und Opernmelodien aus Aida von Giuseppe Verdi intoniert, alles in allem, so Sachs, bieten sie heute vorwiegend "Bayerisch-böhmische Blasmusik". Den Master-Regler haben sie dabei "runtergefahren auf 85 Dezibel". Erst abends schalten sie ihn dann hoch auf 95.

"Andere Musik, mehr Stimmung"

Zu ihren Füßen sitzen Karolin Tabet, 19, und Kirsten Bredefeld, 20. Die beiden haben sich chic gemacht, sind gleich nach der Schule im feschen Dirndl auf die Wiesn marschiert. Die neue Musikregelung, die besagt, dass erst nach 18 Uhr aufheizende Partymusik gespielt werden darf, finden sie "nicht so gut". "Warum denn das Ganze?", fragt Karolin. "Es ist so sinnlos, ich versteh den Grund nicht." "Es ist eh so wenig los tagsüber", findet auch Kirsten. "Wenn andere Musik wäre, wäre mehr Stimmung."

"Ich find das doof", sagt auch Eva Lampe, 22. Die gebürtige Emsländerin, die jetzt in München lebt, hat gerade Besuch von drei Freundinnen aus der Heimat, mit denen sie nun im Schottenhamel-Zelt sitzt. "Wenn ich meinem Besuch jetzt mal einen Tag lang die Wiesn zeigen will, ist die meiste Zeit nichts los." Daniela Determann, 22, lenkt ein bisschen ein: "Wenn man am Abend vorher einen gepichelt hat, dann ist das ein guter Einstieg." "Find ich nicht", sagt Stefanie Holt, 26. "Es muss gleich richtig zünftig weitergehen." Und Bianca Haske, 21, hat da wohl etwas ganz falsch verstanden: "Ich finde, man sollte den Tag für alte Leute auf Mittwoch verlegen und sonst immer gute Musik machen."

Mehr Zustimmung bei den Älteren

Es ist eindeutig die Jugend, die den neuen Kurs ablehnt. Das bestätigt auch Bert Hansmair, Leiter der "Heldensteiner", die im Löwenbräuzelt spielen. Der Defiliermarsch, der Marsch "Hoch Heidecksburg", hier und da eine Polka und Schlager wie "Anita" und "Er hat ein knallrotes Gummiboot" haben ihm schon manche Beschwerde von jungen Leuten eingetragen. Auch Wirt Wiggerl Hagn kennt solche Klagen: "Um sechse auf d'Nacht ham mich d'Leut gfragt, ob die Musik a no kummt."

Doch es gibt auch andere Meinungen. "Ich muss sagen, mir ist es jetzt noch zu laut", sagt Franz Brückl, der im Winzerer Fähndl sein Hendl verzehrt. "It's okay for this time a day", finden auch die Australier Lee Veliss, Athol Halvorsen, Chris Atichian, Shane Prior und George Fuller aus Sidney, die im Schützenzelt sitzen. Es sei ja wohl ein traditionelles Fest und da sei diese Musik schließlich passend. Nur eine Sorge haben sie: dass das Fehlen von richtiger Partymusik junge Mädchen fernhalten könnte. Und damit haben sie ja offensichtlich nicht so ganz unrecht.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: