Leidenschaft für Fahrzeuge:Grande amore

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Der Automobilkonzern Fiat feiert seinen 120. Geburtstag - und nicht nur in Italien, auch bei vielen Fans in München und im Umland genießen "Topolino" oder Knutschkugel Kultstatus

Von Thomas Becker

Nächstes Jahr wird es 80, das Mäuschen. Das hohe Alter sieht man ihm kein Stück an, so aus dem Ei gepellt, wie es da in der Geretsrieder Sonne steht und in diesem intensiven Ferrari-Rot leuchtet. Kaum zu glauben, dass dieses Gefährt in Spielzeuggröße (der zweijährige Sohn des Autors passt perfekt hinters Lenkrad) mitten im Zweiten Weltkrieg, 1940 in Graz, zum ersten Mal für den Straßenverkehr zugelassen wurde - und immer noch verlässlich surrt. Verantwortlich dafür ist Wolfgang Hildebrand, nur ein Jahr jünger als sein Fiat 500 A Weinsberg Roadster. Damals taufte man den minimalistischen Kleinwagen mit nur zwei Sitzen Topolino, also Mäuschen, wie die italienische Version von Micky Maus. Wenn Hildebrand den Kleinen per Seilzug startet, um eine Runde zu drehen, ist er natürlich ein Hingucker: "Die Kids heute kennen alle Autos", erzählt er, "aber den hier nicht. Da gucken sie nur groß und sagen: cool!"

Vor 120 Jahren wurde die Fabbrica Italiana Automobili Torino, die Italienische Automobilfabrik Turin, gegründet - für viele der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, nicht nur in Italien, wo die meist kleinen, wendigen Flitzer traditionell das Stadtbild prägen. Auch jenseits des Brenners ist der markante Jugendstil-Schriftzug mit dem rechts oben angeschrägten A sehr populär, gerade auch in und um Monaco di Baviera.

Bei Wolfgang Hildebrand hatte der Kauf des ersten Topolino andere Gründe. Bis 1961 fuhr er nämlich Motorrad, verdiente sich ein bisschen Zeilengeld mit Testberichten für die in DIN A5 erscheinende Zeitschrift Das Moped und die Kleinmotorisierung - da war es bis zu dem 13-PS-Boliden aus dem Hause Fiat dann nicht mehr weit. Heute sagt er: "Topolino fahren ist fast wie Motorradfahren auf vier Rädern. Man muss sich warm anziehen." Vor allem natürlich, wenn man heute Roadster fährt, also offen. Mit 90 Sachen saust das Mäuschen, sagt er, "mit angelegten Ohren 95". Sein erster Topolino war ein 500 C. Den Roadster hat er seit 20 Jahren, und er ist seit 1940 erst der vierte Besitzer.

Wolfgang Hildebrand ist nur ein Jahr jünger als sein Fiat 500 A Weinsberg Roadster aus dem Jahr 1940. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Sein Vorgänger aus Fürstenfeld bei Graz hatte den Topolino für die Hochzeit der Tochter aufgehübscht und dann in der Garage versauern lassen. Für 7000 Euro schlug Hildebrand zu, hübschte das Schmuckstück weiter auf, und nun steht das Mäuschen da wie neu. Ein weiteres Modell, einen Pritschenwagen, baut Hildebrand gerade auf, wie er sagt - wobei gerade eher relativ ist: Er werkelt seit 25 Jahren daran. Irgendwann habe er sein Hobby zum Beruf gemacht und für alle möglichen deutschen Oldtimer Polymer-Kunststoffe gefertigt. Mehr als 100 noch existierende Topolinos hat er aufgelistet, Mitte der Neunziger eine Interessengemeinschaft Topolino mit mehr als 400 Adressen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz initiiert, aber da gibt es ein Problem: "Ich kann gar nicht in allen Klubs sein für Autos, die mich interessieren." Und was für ein Auto fährt so ein Oldtimer-Freund im richtigen Leben? Ganz schnöde: VW Multivan. Das sei dann doch praktischer, sagt er.

Wenn es danach geht, dürfte es einen Klub wie den von Loretto Ginelli erst gar nicht geben. Er gehört der "Fiat 500 IG München" an, rund 20 Freunde der so legendären wie minimalistischen Knutschkugel. Jeden ersten Donnerstag im Monat trifft man sich zum Stammtisch im Waldgasthof Buchenhain, plant die gemeinsamen Ausfahrten und internationalen Treffen wie die Vienna Classic Days oder das Pinkstertreffen in Holland, fachsimpelt über die ja doch immer mal wieder nötige Beschaffung von Ersatzteilen und konzipiert die Klubzeitschrift 500er, die europaweit versendet wird.

Fiatparade auf dem Odeonsplatz. (Foto: Angie Schlegel)

Ginelli kam eher per Zufall zum Cinquino: 1989 hatte er mit einem Kumpel für eine italienische Firma in Mailand zu tun, saß nach getaner Arbeit mit seinem Spezl im Café beim Espresso, als ihr Blick auf einen zum Verkauf stehenden, aber reichlich verbeulten 500er fiel: Scheinwerfer zerbrochen, Blinker kaputt, wahrlich kein Schmuckstück mehr. Dennoch hatten die Freunde Feuer gefangen, verhandelten zwei Stunden lang mit dem Besitzer, ihrem Espresso-Kellner, ehe der schließlich einwilligte: Va bene, 300 D-Mark. Ginelli und sein Freund organisierten sich noch frische Blinker und Scheinwerfer, und schon ging's in Hannibal-Geschwindigkeit über die Alpen, ab in die neue Heimat. Die Liebe zum 500er ist bis heute geblieben.

Alexander Kurz hat es dagegen ein anderes Fiat-Modell angetan: der X1/9, ein schnittiger Sportwagen, der von 1972 bis 1988 gebaut wurde - vom Lamborghini-Designer Bertone. "Ein Jugendtraum", schwärmt der Geltendorfer noch heute, "und der einzige Sportwagen, der einigermaßen erschwinglich war."

Anfang der Neunzigerjahre hatte Kurz sich diesen Kindheitstraum erfüllt: ein X 1/9, Baujahr 76. Er war Mitglied in einem fast 200 Mann starken X 1/9-Klub in der Landshuter Gegend, später dann Teil der Fiat Classic IG Bayern. 20 Jahre lang nahmen die Fiat-Freunde an der großen Oldtimer-Ausstellung in der Olympiahalle teil, eine Weile lang auch noch an der Nachfolger-Veranstaltung Classic Mobil in Fürstenfeldbruck. Auf 26 Fahrzeuge und rund 40 Fahrer bringt es heute sein "freier Haufen Interessierter", wie Kurz seine Fiat-Classic-Truppe nennt, nicht nur aus Bayern, sondern auch aus Schleswig-Holstein und der Schweiz.

Alljährlicher Höhepunkt der Saison: der Oldtimer-Grand-Prix am Nürburgring. "Da gibt es sogenannte Präsentationsfahrten zum Austoben auf der Rennstrecke", erzählt Kurz. Und dann sind da natürlich noch die Fahrten zu den Ersatzteilmärkten in Italien: "Das wird alles selbst gefahren, nicht mit dem Hänger." Auch im Alltag will er nicht auf Fiat verzichten: Kurz fährt einen 127er. "Der ist schön klein, hat aber doch Platz, und er ist zeitgemäß geblieben." Jede Wette, dass Kurz auch das nächste Fiat-Jubiläum in einem Wagen mit angeschrägtem A im Schriftzug feiern wird.

© SZ vom 11.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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