Lebensmittelkontrolleure bei der Arbeit:Die Schnüffler vom Amt

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Ranzig, faulig, fäkal, an Erbrochenes erinnernd, nasser Putzlappen, Kartoffelkeller oder nasser Hund - das sind einige Geruchsnoten, mit denen Lebensmittelkontrolleure täglich konfrontiert werden. Im Labor in Oberschleißheim werden die Proben aus Münchner Restaurants und Läden untersucht - manche sogar gegessen.

Christiane Lutz

Die Veterinärmediziner Ute Messelhäußer und Peter Kämpf bei der Arbeit. (Foto: Florian Peljak)

Eine Nase täuscht sich nicht. Schon gar nicht, wenn sie mit zwei weiteren Nasen im Team arbeitet. Die Nasen gehören in diesem Fall drei Tierärzten: Peter Kämpf, Ute Messelhäußer und Damaris Elmer-Englhard. Die Mediziner sorgen am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, kurz LGL, dafür, dass das, was der Verbraucher auf den Teller bekommt, genießbar ist. Sie testen Lebensmittel auf Krankheitserreger, Haltbarkeit und Hygiene. In der Petrischale und mit der Nase.

In ihrem Labor in Oberschleißheim riecht es nicht nach Desinfektionsmittel und Scheuermilch, der Geruch changiert irgendwo zwischen Metzgerei und Abfalleimer. Auf dem Tisch liegen angerichtet: Meeresfrüchte, Weißbrot, einige Käsesorten und Tüten mit Wurst und Fleisch. Die Mediziner tragen weiße Kittel und treten an den Tisch wie Chirurgen zur OP. "In Teams machen wir hier die sensorischen Tests", erklärt Elmer-Englhard. Das bedeutet: anschauen, riechen, anfassen.

Das LGL prüft regelmäßig alle Stellen, an denen Lebensmittel verkauft werden: Supermärkte, Metzgereien, Restaurants. Die Proben finden nach Plan statt oder aufgrund eines Verdachts, oft auch nach einer konkreten Beschwerde. Ein Teil der Probe kommt zur mikrobiologischen Untersuchung. In Petrischalen werden eventuell vorhandenen Keimen Zuckerstoffe zum Fraß vorgesetzt, damit sie sich rasch ausbreiten. Je nachdem, welcher Keim sich in welcher Zeit entwickelt, können die Mediziner erkennen, ob das Lebensmittel schon zu Beginn der Probe nicht mehr den Zustand hatte, den es haben sollte.

"Aber ausschlaggebend ist die Sensorik", sagt Ute Messelhäußer. Das Auge ist erst in der Lage, angesiedelte Pilzkolonien auf einem Naturjoghurt zu entdecken, wenn er schon offensichtlich verdorben ist. Daher kommen die Nasen ins Spiel. Damaris Elmer-Englhard hat einen Fragebogen bereitgelegt, auf dem sie die Sinneseindrücke der Kollegen festhält. Erste Runde: Meeresfrüchte, abgepackt, aus einem nicht benannten Supermarkt, übliche Anmutung. "Riecht salzig", sagt die Tierärztin, "nach Meerwasser", und verzieht keine Miene beim Schnuppern. Messelhäußer und Kämpf schnüffeln und stimmen zu. "Garnelen und Surimi in Ordnung", notiert Elmer-Englhard. Die Oktopusringe sind verfärbt, leicht gräulich. "Außerdem haben sie eine andere Konsistenz", sagt Elmer-Englhard und pikst mit einer Pinzette in die Oberfläche des Oktopusrings, "eventuell Gefrierbrand".

Alle drei Labormitarbeiter sind Veterinärmediziner. Lebensmittelkunde gehört zum Studium der Tiermedizin, viele bleiben dann dabei. Messelhäßer und ihrem Kollegen Peter Kämpf, der einen großen Schnauzbart trägt, kann das ein oder andere vergammelte Produkt nicht den Appetit verderben. "Mein Spezialgebiet ist französischer Käse", sagt Kämpf, "meins Fleisch und Wurst", sagt Messelhäußer. Kritisch gingen sie alle mit Lebensmitteln um, aber ein gutes Schnitzel können sie alle nach wie vor genießen.

Runde zwei: Weißbrot in einer Tüte, italienischer Hersteller, harmlose Erscheinung. Als Elmer-Englhard die Tüte öffnet und daran rüttelt, steigt der beißende Geruch von Nagellackentferner auf, Aceton. "Das ist der Geruch von Hefe", sagt Messelhäußer unbeeindruckt. Das ist nicht in Ordnung. Notiert, Tüte schnell wieder zu. Für ihre olfaktorischen Eindrücke haben die Mediziner jede Menge Begriffe zur Unterscheidung: Süß, sauer, ranzig, faulig, fäkal, bitter, prickelnd, würzig, an Erbrochenes erinnernd, nasser Putzlappen, Kartoffelkeller, nasser Hund. Erlaubt ist, was riechbar ist, und worauf sich das Team einigen kann. "Deswegen sind wir mindestens zu dritt", sagt Elmer-Englhard, "jeder Mensch empfindet Gerüche ein wenig anders." Peter Kämpf beispielsweise gehört zu den auserlesenen 20 Prozent aller Menschen, die überhaupt in der Lage sind, den Geruch eines Ebers wahrzunehmen. Für alle anderen ist da: nichts.

Probieren müssen die Mediziner das ihnen vorgesetzte Essen nur, "wenn man sich weitere Erkenntnisse dadurch verspricht", sagt Messelhäußer, und nur dann, wenn das Lebensmittel nicht schon offensichtlich die Grenzen der Genießbarkeit überschritten hat. Beim Probieren darf, wie bei Weinproben, geschluckt oder ausgespuckt werden. Der Geschmack könne noch genauer sein als die Nase, sagen die Mediziner.

Runde drei: Fetakäse aus der Packung, Supermarkt unbekannt, Anmutung: leicht angetrocknet. Kämpf prüft mit Nase und Pinzette: "Das riecht säuerlich, auf keinen Fall gut." Wichtig ist für Tester zu wissen, wie das Lebensmittel in gutem Zustand aussieht. Dass Fetakäse bröckelt und kleine Löcher hat, ist normal. Dass ein Schimmelkäse nicht umsonst so heißt, ist klar. Dass Mettwurst in Süddeutschland streichzart ist, in Norddeutschland aber auch schnittfest sein kann, muss man erst mal wissen. Schwierig sei es bei "Spezialitäten aus Fernost", sagt Kämpf. Bei gebratenen Insekten oder Schwalbennestern etwa. In solchen Fällen bittet das Team Kollegen aus der Chemie um Rat. Nach Ende der Probe brauchen Tester und ihre Nasen erst einmal eine Pause. Milch trinken neutralisiert den Geschmack. Die meisten Lebensmittel, die das Team testet, sind völlig genießbar. Einmal nur hat sich eine geschmolzene Steckdose in einer Tiefkühlpizza auf ihren Untersuchungstisch verirrt. Die musste selbstverständlich niemand probieren.

© SZ vom 03.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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