Lebensmittelkontrollen und Veterinärwesen in Bayern:Höher aufhängen - unabhängiger prüfen

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Ein SZ-Leser hatte davor gewarnt, die Landratsämter mit der Aufsicht zu betrauen - und sieht sich vom Brucker Schlachthof-Skandal bestätigt

"Nur Stückwerk nützt nichts" und "Tierleid bleibt oft folgenlos" vom 8. Mai sowie "Aus für den Schlachthof Fürstenfeldbruck" vom 10. Mai sowie Leserbriefe "Des saftigen Schnitzels grausame Kehrseite" vom 11. Mai:

"Wie viele Skandale es wohl noch braucht, bis die Staatsregierung die Lebensmittelkontrollen und das Veterinärwesen komplett von den Landratsämtern abzieht?" - Diese Feststellung trifft den Nagel auf den Kopf. Ministerpräsident Edmund Stoiber hat die Neuordnung der Zuständigkeiten (Kommunalisierung) für Fachbehörden (Gesundheitsämter, Veterinärämter) unter rein organisatorischen Gesichtspunkten vorangetrieben und umgesetzt. Fachliche Einwände zum Beispiel der Bayerischen Landestierärztekammer (BLTK), damals vertreten durch mich, und einiger Fachverbände wurden nicht beachtet. Es wurde unter anderem gewarnt vor dem Verlust der fachlichen Unabhängigkeit, vor möglichen Interessenkonflikten, vor einem organisatorischen Wirrwar.

Jeder Landrat kann in seiner Behörde unabhängig entscheiden, ob er aus den ehemaligen selbständigen Behörden zum Beispiel eine Abteilung im Landratsamt macht oder sie zum Sachgebiet herunterstuft, unter anderem mit der Folge einer Verunsicherung des Fachpersonals. Das sind nur einige Gesichtspunkte, eine weitere Aufzählung würde zu weit führen.

Die aktuellen Vorgänge im Landkreis Fürstenfeldbruck sind Ausdruck der Fehlentwicklung und verwundern mich als dessen langjährigen Beobachter nicht: So war dieser Landkreis auch einer der ersten, wenn nicht der erste, der die Privatisierung der amtlichen Schlachttier- und Fleischuntersuchung aus Kostengründen vorgenommen hat. Eine sehr umstrittene Maßnahme, weil zudem der erste private Anbieter für diese Leistung ein Ableger einer Organisation einschlägiger Wirtschaftskreise war.

So kann man nicht unbedingt erwarten, dass der Landrat dieses Kreises ein berufener Berater für den Ministerpräsidenten ist.

Der langjährige Staatssekretär, Minister und zuletzt Ministerpräsident Günther Beckstein ist in meinen Augen ein bedeutender Kenner und Verfechter der klassischen inneren Verwaltung. Und so kam es nicht von ungefähr, dass er mir gegenüber noch in der Zeit als designierter Ministerpräsident angekündigt hatte, dass er als Ministerpräsident die in fachlicher Hinsicht falsche Entscheidung seines Vorgängers rückgängig machen wolle, um Schaden abzuwenden. Dass dies keine einfache Aufgabe werde und Zeit brauche beim zu erwartenden Widerstand der Landräte, war ihm klar. Leider hat ihm der Wähler nicht die erforderliche Zeit zur Umsetzung gelassen.

Die Folge sind nicht nur Skandale über Skandale, sondern auch die traurige Tatsache, dass diese meist nicht von den zuständigen Behörden, sondern von solchen Organisationen aufgedeckt wurden und werden, die - sehr vorsichtig ausgedrückt - in der Wahl ihrer Mittel in der Regel nicht zimperlich sind. Ministerpräsident Seehofer wäre gut beraten, sich in dieser Frage die Argumente und Vorstellungen Becksteins anzuhören und zu eigen zu machen.

Und wie könnte eine Lösung für die Zukunft aussehen? Die Veterinärämter müssen wieder selbständige Fachbehörden werden, die von der jetzt zuständigen Umweltministerin vorgesehenen Spezialbehörden wären durchaus eine geeignete Unterstützung und landesweite Koordinationsstelle für die wieder selbständige Fachbehörde auf Landkreisebene. Die Lösung des Problems können sie nicht sein. Wo das Ganze angesiedelt werden kann, mit gleichzeitiger Sicherstellung der Unabhängigkeit, ist eine weitere Frage. Wenn man den Gesichtspunkt der klassischen Inneren Verwaltung zugrunde legt, käme dafür nur das Ministerium des Inneren in Frage. Als Maximallösung könnte dies aber ein Schritt zu weit sein und damit einer raschen Lösung eher im Wege stehen. Auf dem Boden der Tatsachen bleibend, kann auch über den derzeitigen Ressortzuschnitt wieder die geeignete Organisationsform gefunden werden. Prof. Dr. Günter Pschorn, München

© SZ vom 15.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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