Wildau:Am Wasser gebaut

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Die Taufkirchner Partnerstadt Wildau liegt wenige Kilometer südlich von Berlin an der Dahme. Der Fluss und die nahen Seen sind ein Paradies für Sportler und Fischer, die denkmalgeschützte Schwartzkopff-Siedlung zeugt von der Zeit, als hier Lokomotiven hergestellt wurden

Von Iris Hilberth, Wildau

Wer im Süden von München lebt, der schwärmt oft davon, nicht nur nahe an den Bergen, sondern auch nicht weit weg vom Wasser zu wohnen. Die oberbayerischen Seen sind sicher auch in Taufkirchen mit ein Grund, mal über Urlaub vor der Haustür nachzudenken. Bernd von Loeben aber gerät ins Schwärmen, wenn er an die Partnerstadt seiner Gemeinde denkt. "In Brandenburg gibt es tausendmal mehr Seen als in Oberbayern", hat er bei dem einen oder anderen Besuch in Wildau festgestellt. Wenige Kilometer südlich von Berlin schlängelt sich die Dahme durch die Landschaft, der Tourismusverband wirbt mit mehr als 70 Seen und 80 Kilometer Wasserstraßen. Ein Wassersportparadies zwischen Berlin, Scharmützelsee und Spreewald. Und der gar nicht weit entfernte "Große Müggelsee" sei größer als der bekannte Wannsee, sagt von Loeben. Als Gemeinderat hat er eine Zeit lang den Austausch mit der Partnergemeinde, die seit zwei Jahren sogar Partnerstadt ist, betreut. Und er ist überzeugt: "Inzwischen kann man dort wunderbar Urlaub machen."

Das sei nicht von Anfang an so gewesen. Von Loeben erinnert sich noch an graue Häuserzeilen, ein in die Jahre gekommenes Klubhaus am Wasser für die Rudersportler, schön gelegen, aber kein Aufenthaltsort für Touristen. Mittlerweile ist der historische Ortskern mit der berühmten Schwartzkopff-Siedlung saniert und ein Schmuckstück der prosperierenden Stadt. Die Siedlung ist um 1900 entstanden, um den Arbeitern der Wildauer Schwermaschinenindustrie attraktiven Wohnraum zu bieten. Jetzt strahlen die regionaltypischen roten Klinkerbauten wieder wie frisch geputzt, die Wohnungen sind modernisiert und begehrt. "Wir haben die teuersten Mieten in ganz Brandenburg", unterstreicht Rathaussprecherin Katja Lützelberger die Attraktivität des 10 000-Einwohner-Städtchens an der Dahme.

Die Schwartzkopff-Siedlung ist denkmalgeschützt und erinnert an Wildau als bedeutenden Industriestandort. Lokomotiven wurden hier einst gebaut. Nach 1990 hat die Treuhandanstalt allerdings die meisten Anlagen stillgelegt. Auf dem Gelände sind heute neben einigen renommierten Unternehmen aus dem Bereich des Maschinenbaus und der Luftfahrttechnik vor allem Gebäude der Technischen Hochschule (TH) Wildau untergebracht. 1991 gegründet, ist die Bildungseinrichtung ein "Glücksfall" für die Stadt, wie die Wildauer häufig betonen. Immerhin studieren hier 4200 junge Menschen, die TH Wildau ist damit die größte Fachhochschule Brandenburgs. 2007 wurde die Stadt im Wettbewerb "Deutschland - Land der Ideen" als "europäischer Spitzencampus für Wissenschaft, Wirtschaft und Lebensqualität" ausgezeichnet.

Auf dem Weg von einstigen Industriestandort zum schmucken Hochschulstädtchen hatte auch die Partnergemeinde Taufkirchen einen vielleicht nicht ganz unerheblichen Beitrag geleistet. Der ehemalige Taufkirchner Bürgermeister Hartmann Räther kann sich noch gut daran erinnern, wie im Jahre 1991 der Ottobrunner Bauunternehmer Pöttinger plötzlich in seiner Amtsstube auftauchte und um Hilfe anfragte. Er habe einen großen Auftrag in der ehemaligen DDR erhalten. In Wildau, Brandenburg, gar nicht weit von Berlin. Einziges Problem dabei: Man kenne sich dort nicht mit der Bauleitplanung aus. Ob denn nicht vielleicht aus Taufkirchen jemand helfen könne. Im Ottobrunner Rathaus habe man ihm schon abgesagt. "Mein Bauamtsleiter Michael Lanzinger war von der Idee sofort begeistert, dort mal hinzufahren", sagt Räther. Der Taufkirchner Verwaltungsmann handelte schließlich mit seinem Chef aus, freitags und samstags im Osten eine ganz spezielle Aufbauhilfe zu leisten: Er brachte den Mitarbeitern im dortigen Rathaus - das damals noch Volkshaus hieß - bei, wie eine solche Bauleitplanung funktioniert. Kaum war aber das erste große Bauprojekt in Wildau gewuppt, meldete sich der nächste Bauträger, der im Süden von Berlin Großes vorhatte. Diesmal ging es um ein riesiges Einkaufszentrum mit mehr als 200 Fachgeschäften und einer Erlebniswelt nebst Bowlingbahn, Gastronomie und Kino, direkt an der Autobahn gelegen, weshalb man diese Shoppingwelt auch gleich "A 10" nannte. Auch hier war Lanzinger als Berater für die Verwaltung weiterhin gefragt. "Als dann 1993 das erste erfolgreiche Projekt umgesetzt war, berichtete mir der damalige Bürgermeister von Wildau, Gerd Richter, - übrigens wie ich von der SPD - dass in Wildau der Wunsch nach einer Partnerschaft mit Taufkirchen groß sei", sagt Räther. Beim Neujahrsempfang 1994 in Taufkirchen wurde dann die Urkunde unterschrieben.

Wildau jetzt: eine Montage mit aktuellen Bildern aus Wildau. (Foto: privat)

Das "A 10" gilt auch heute noch bei den Wildauern als Anziehungspunkt für Auswärtige. Inzwischen wurde sogar das Deutsche Haus von den Olympischen Spielen 2000 in Sydney hier aufgebaut. Stolz sind sie aber auch auf ihre zahlreichen, stets gut besuchten Feste in der Stadt: die Walpurgisnacht, das Weihnachtsfeuer, das Drachenbootrennen und vor allem das Wildauer Oktoberfest, bei dem es in der dritten Oktoberwoche recht bayerisch zugehen soll, inklusive Bier aus dem Freistaat. Nur der Maibaum ist in den brandenburgischen Farben Rot und Weiß gestrichen.

Trotz nahezu perfekter Lage ganz in der Nähe des Flughafens Schönefeld, dem künftigen Berliner Hauptstadtflughafen, tut sich Wildau noch etwas schwer mit dem Tourismus. Dabei lohnt sich ein Aufenthalt bestimmt, weil man von Wildau aus etwa so schnell in Berlin sein kann wie von Taufkirchen aus in München, aber auch die Natur direkt vor der Tür hat. Bislang orientierten sich Urlauber eher in das nahe gelegenen Königs Wusterhausen, eine S-Bahnstation südlich von Wildau, mit Schloss, Museum, Hafen und jeder Menge Unterkünften. Dabei erstreckt sich das Wasserparadies der Dahme weit Richtung Norden und beschert auch Wildau wunderbare Erholungsräume. Wassersportler fühlen sich hier ebenso wohl wie Angler. Neben Weißfisch sind unter anderen auch Aal, Barsch, Hecht und Zander, Rapfen, Karpfen und Schleie in der Dahme anzutreffen. Auch einen Kurpark hat Wildau mit vielseitiger Flora und Fauna, mit Biotopen und einem kleinen Tiergehege. Das Areal stammt aus den 1930er-Jahren, als Wildau Kurstadt werden sollte. Daraus wurde nichts, der Park allerdings blieb, verwilderte in den darauffolgenden Jahrzehnten und wurde 1993 wiederhergerichtet. Ein Wanderweg verbindet den Wildauer Kurpark mit dem angrenzenden Naturschutzgebiet Pulverberg. Auch die Lauseberge mit dem kürzlich renaturierten Tonteich - eine Oase, die aus einer ehemaligen Tongrube entstanden ist - zählen zu den Naherholungsgebieten der Wildauer.

Inzwischen hat Wildau auch eine kleine Pension mit zehn schmucken Zimmern, das Klubhaus wird gerade in einen modernen Gastronomiebetrieb mit Übernachtungsmöglichkeit umgebaut. Und es gibt einen Masterplan für den Tourismus. Er wurde gemeinsam mit den Kommunen im Umfeld des neuen Berliner Großflughafens entwickelt, weil man sich durch eine verbesserte Infrastruktur einen zusätzlichen Aufschwung im Tourismus erhofft. Neben der unbedingt angeratenen Schaffung eines attraktiven Radwegenetzes soll die Gegend in und um Wildau vor allem am Wasser für Urlauber noch interessanter werden. Einem durchgängigen Uferweg sowie der Schaffung von Seezugängen mit Gastronomie werden hohe Priorität eingeräumt. Mit dem modernisierten Klubhaus und einer attraktiven Uferpromenade ist Wildau schon auf einem guten Weg. Das Klubhaus soll - anders als der Großflughafen - noch in diesem Jahr fertig werden.

© SZ vom 04.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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