Was muss er haben?:Die Definition des Oberhachingers

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Der Gemeinderat tut sich sichtlich schwer mit der Aufstellung eines Kriterienkatalogs für die Vergabe von Wohnungen an Einheimische. Das hängt nicht nur mit der Mobilität moderner Menschen zusammen, sondern auch mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs

Von Iris Hilberth, Oberhaching

Wenn der Oberhachinger in Oberhaching eine Wohnung sucht, dann verzweifelt er mitunter schon beim ersten Blick auf die Offerten. Niedrige und mittlere Einkommen reichen da oft nicht, um auf dem freien Markt fündig zu werden. Die Mieten und die Grundstücke im Landkreis München sind bekanntlich teuer, in Oberhaching ganz besonders. Weil aber die Gemeinde ihre Bürger am Ort halten möchte, die gewachsenen Sozialstrukturen bedroht sieht und eine ausgewogene Mischung erhalten will, setzt sie verstärkt auf die Förderung von Wohnraum für Einheimische. Im Frühjahr wird zusätzlich den bestehenden 151 Mietwohnungen für Einheimische mit dem Bau von weiteren 30 an der Kybergstraße begonnen. Zudem hat Oberhaching kürzlich die Entstehung eines neuen Baugebiet für Einheimische an der Franz-Josef-Strauß-Straße auf den Weg gebracht. Doch um entscheiden zu können, wer in die geförderten Mietwohnungen einziehen und wer zu günstigen Konditionen in der Heimat bauen darf, müssen sich die Kommunalpolitiker auf einen ausgetüftelten Kriterienkatalog einigen. Und das ist gar nicht so einfach. Der Hauptausschuss in Oberhaching hat die Entscheidung für die Regelungen bei der Vergabe von Mietwohnungen vertagen müssen.

Wann ist man eigentlich ein Einheimischer? Wenn man sein Lebtag lang auf dem selben Hof gelebt hat, den schon die Großeltern bewirtschaftet haben? Oder reicht es aus, ein paar Jahre sesshaft gewesen zu sein? Und: Verfällt der Status des Einheimischen, wenn man für einige Zeit außerhalb der Gemeinde, vielleicht sogar im Ausland gelebt hat? Vor allem die Einkommensgrenzen spielen eine wichtige Rolle, wenn es bei der Vergabe von günstigen Wohnungen gerechte zugehen soll.

Einig sind sich die Ausschussmitglieder darüber, dass sowohl Familien als auch Ehepaare, eheähnliche Gemeinschaften, Alleinerziehende und Einzelpersonen zum berechtigten Personenkreis gehören. Allerdings müssen die seit mindestens zehn Jahren ihren Hauptwohnsitz in Oberhaching haben oder in der zurückliegenden Zeit mindestens zehn Jahre in der Gemeinde und zum Zeitpunkt des Wohnungsangebots mindestens fünf Jahre im Landkreis München wohnen. Auch wer seit 15 Jahren ununterbrochen seinen Arbeitsplatz in Oberhaching hat, kann sich Hoffnung auf eine solche Wohnung machen. Bei Rückkehrern aus anderen Städten, Landkreisen und aus dem Ausland wird der Einzelfall geprüft und entschieden. Ein besonderes Kriterium gilt für die Wohnanlage an der Further-Bad-Straße, ein Projekt für "junge Familien". Hier darf kein zukünftiger Bewohner älter als 40 sein. Auch müssen alle Bewerber für Einheimischen-Wohnungen nachweisen, nicht über Wohneigentum oder bebaubare Grundstücke zu verfügen.

Kompliziert wird es dann bei den Einkommensgrenzen. Die orientieren sich an den Vorgaben des Bayerischen Wohnungsbindungsgesetz und dem Bayerischen Wohnraumfördergesetz. Für die neue Anlage an der Kybergstraße soll im Vergleich zu den ehemaligen Sozialwohnungen an anderen Standorten zehn Prozent draufgeschlagen werden. So liegt die im Jahr 2010 festgesetzte Grenze etwa für eine Person Am Büchl bei 22 400 Euro im Jahr, für vier Personen bei 48 000 Euro. In der neuen Wohnanlage für eine Person bei 33 600 und für vier Personen bei 71 500. Bislang hat es sich in Oberhaching hierbei um Brutto-Einkommen gehandelt. Nun will die Gemeinde die Berechnung dem Verfahren der Baugesellschaft München-Land anpassen, der ein Teil der bestehenden Wohnungen gehört. Die legt die Einkommensgrenzen fest, indem sie pauschal 30 Prozent vom Bruttoeinkommen abzieht. Würde Oberhaching nun die Einkommensgrenze wie vor sechs Jahren beschlossen beibehalten und den 30-prozentigen Abzug in den Kriterienkatalog mit aufnehmen, wie der jüngste Entwurf es vorsah, könnte man mit einem Bruttoeinkommen von rund 100 000 Euro in den Genuss einer geförderten Wohnung kommen. Das wollten die Ausschussmitglieder dann doch nicht, und so müssen die Einkommensgrenzen neu berechnet werden. "Wir müssen ein einheitliches System zusammenbringen", sagte Bürgermeister Stefan Schelle (CSU).

Nicht einfacher wird es für den Gemeinderat sicherlich, wenn für das Einheimischenmodell an der Franz-Josef-Strauß-Straße, wo Wohneigentum entstehen soll, ein Kriterien- und Punktekatalog erstellt werden muss. Denn vor drei Jahren hat der europäische Gerichtshof entschieden, dass die Vergabe von Bauland an Einheimische keine ausländischen EU-Bürger benachteiligen darf. Es muss ein Punktesystem eingehalten werden, das soziale Belange, Kinderzahl oder ehrenamtliche Engagement berücksichtigt.

© SZ vom 21.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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