Wachstum in Unterhaching:Vorbild Buche

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In Unterhaching - in der Bildmitte, im Vordergrund ist das Taufkirchner Gewerbegebiet zu sehen - leben viele Menschen auf engem Raum. (Foto: Claus Schunk)

In Unterhaching stößt angesichts des anhaltenden Zuzugs die Infrastruktur an ihre Grenzen. Die Gemeinde mit knapp 24 000 Einwohnern hat sich deshalb vorgenommen, nur noch langsam zu wachsen

Von Michael Morosow, Unterhaching

Was langsam wächst, ist im Kern oft gesünder und von größerer Qualität. Wie eine Buche, die erst nach circa 150 Jahren ausgewachsen, dafür aber einen festen Stand hat und nicht bei Stürmen umknickt wie die im Eiltempo in die Höhe schießende Fichte. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem organischen Wachstum einer Kommune. Die Gemeinde Unterhaching beschäftigt sich in jüngster Zeit vermehrt und intensiv mit ihrer Ortsentwicklungsplanung, und nach mehreren Diskussionen in Bürgerwerkstätten, Bauausschuss und Gemeinderat darf als gesichert gelten: Unterhaching will es zukünftig in punkto Wachstum halten wie eine Buche.

Mit 10,37 Quadratkilometern zählt Unterhaching zu den kleineren Gemeinden im Landkreis München. Mit 23 872 Einwohnern (ohne Zweitwohnsitze) ist sie dagegen die größte Gemeinde Bayerns. Der wesentliche Grund für das klare Bekenntnis zu einer moderaten Entwicklung liegt folglich auf der Hand: Die Infrastruktur der Gemeinde ist in vielen Bereichen jetzt schon nahezu ausgereizt. Im Freibad sieht man an heißen Tagen heute bereits Handtuch an Handtuch gereiht und kaum noch den Rasen auf der Liegewiese, die Versorgung und Anbindung neuer Baugebiete durch das gemeindliche Wasserwerk wird zunehmend problematischer, das Kontingent an Betreuungsplätzen im Kinder- und Seniorenbereich ist jetzt schon recht knapp, um Sportflächen gibt es heute bereits ein Gerangel, und erst kürzlich hat das Rathaus ein Hilferuf aus der Gemeindebibliothek erreicht; sollte die Bevölkerungszahl in Unterhaching weiter zunehmen, werde das Bibliotheksgebäude nicht mehr ausreichend Medien beherbergen können. Kurz: Mit der Gemeinde wachsen die Versorgungsengpässe.

In ihrer Juni-Sitzung haben sich die Mitglieder des Bau- und Umweltausschusses nunmehr darauf verständigt, eine weitere Verdichtung und insbesondere Neuausweisung von Wohnbaugebieten nur noch in zwei Randbereichen zuzulassen - auf dem Klosterfeld-Areal hinter dem Ortspark sowie auf dem Gebiet nördlich der Ottobrunner Straße, östlich des Finsinger Wegs. Andere Flächen, die von der Verwaltung nach Gestaltungsmöglichkeiten abgeklopft worden sind, schieden aus verschiedenen Gründen aus, nicht zuletzt deshalb, weil sie verkehrlich nur schwer an das übrige Gemeindegebiet anzubinden sind, oder weil die Grundstückseigner kein Interesse an einer Bebauung ihrer Flächen haben. Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD) hat dabei in der jüngsten Ausschusssitzung ausdrücklich beteuert, dass der Terminus "Bebauung" für ihn ein weit gefasster Begriff ist; "das können auch eine Kleingartenanlage, ein Fußballfeld oder ein Feuerwehrübungsplatz sein", sagte der Bürgermeister. Drei Einrichtungen mithin, die auf den Wunschzetteln vieler Gemeindebürger stehen und auch im Rathaus als sinnvoll und notwendig betrachtet werden. "Aus Sicht des Sportamtes sind die Kapazitätsgrenzen bereits jetzt weitgehend erreicht, was bei einer weiteren baulichen Entwicklung sich eher verschärfen dürfte", heißt es in der Sitzungsvorlage für die Ausschussmitglieder. Aufgrund der Vielzahl von Nachfragen, so steht darin weiter zu lesen, werde auch die Notwendigkeit einer weiteren Kleingartenanlage gesehen. Und schließlich schlägt allmählich auch die Freiwillige Feuerwehr Alarm und weist auf die Dringlichkeit eines Feuerwehrübungsplatzes hin. Davon abgesehen liegt der Wunsch der Feuerwehr nach einem neuen Standort schon seit Jahren in der Schublade des Bürgermeisters. All diese Forderungen sollen nun im Ortsentwicklungsplan berücksichtigt werden. Mit dem Steuerungsinstrument Flächendichteplan, den der Gemeinderat im Januar 2013 beschlossen hat, will die Gemeinde ein strukturiertes Wachstum in bestehenden Wohngebieten steuern.

Im Jahr 2007 hatte der Gemeinderat, noch unter Bürgermeister Erwin Knapek (SPD), beschlossen, die Einwohnerzahl der Gemeinde nicht über 28 000 ansteigen zu lassen. Dieser Grenze rückt Unterhaching gefährlich nahe. So entstehen auf der Stumpfwiese seit 1998 Jahr für Jahr neue Wohnbauten, am Ende wird hier eine Wohnsiedlung für 5000 Menschen stehen. Seinerzeit hat sich die Gemeinde mit dem Bauherrn Anton Schrobenhauser darauf geeinigt, dass die Stumpfwiesenbebauung dem Ort jährlich nur maximal ein Prozent Einwohnerzuwachs bescheren darf. "Das haben wir bis heute eingehalten", sagt Rathaussprecher Simon Hötzl. Keine Steuerungsmöglichkeit hat die Gemeinde bei der Nachverdichtung, deren Potenzial Hötzl auf 4000 Neubürger beziffert. Weil sich das Baurecht bei Nachverdichtungsprojekten rechtlich an der Umgebungsbebauung orientiere, habe die Gemeinde in Gebieten, über die kein Bebauungsplan gelegt wurde, keinen Einfluss, erklärt Hötzl, der im Übrigen nicht ganz unschuldig ist am schnellen Wachstum der Gemeinde. In seiner zusätzlichen Funktion als Wirtschaftsreferent streckt er die Fühler nach Unternehmen aus, die der Gemeinde erkleckliche Einkommens- und Gewerbesteuereinnahmen garantieren. Der Mann ist dabei offenbar so erfolgreich, dass der Gemeinderat im März dieses Jahres nicht umhinkam, eine Neuordnung des Gewerbegebietes Unterhaching-Nord zu beschließen. Im Westen des Unterhachinger Sportpark, im Norden der Stumpfwiese werden nach dem Stand der Dinge bereits 2016 mehr als 1200 neue Arbeitsplätze entstehen. Die chinesische Firma Phicomm lässt sich hier mit ihrer Europa-Zentrale nieder, nachdem sie den 34 000 Quadratmeter großen Grund zuvor gekauft hatte. Nach Darstellung von Geschäftsführer Jie Lin rechnet das Unternehmen mit einem Baubeginn im Frühjahr 2016. Das Gros der Mitarbeiter werde dabei aus Europa und nicht aus China kommen. Wie viele Phicomm-Mitarbeiter sich in Unterhaching niederlassen werden, weiß er natürlich nicht. Das Unternehmen wird sich auf Vertrieb, Service und des technischen Support von Mobilfunkausrüstungen und Smartphones der "Shanghai Feixun Communication" konzentrieren.

Egal, wie schnell die Gemeinde in den nächsten Jahren wachsen wird - eine Grenze ist unverrückbar: Beim Trink- und Abwasserkontingent ist sie an das Versorgungsnetz der Großstadt München gekoppelt. Und dieses Kontingent ist laut Panzer für maximal 30 000 Einwohner ausgelegt.

© SZ vom 25.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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