Volkszählung in München:Sanfter Druck

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Die Stadt sucht unter ihren Mitarbeitern Freiwillige für die Volkszählung - auf den Fluren ist von Zwangsrekrutierung die Rede.

Dominik Hutter

Die für Mai geplante Volkszählung sorgt für Unruhe in den Bürofluren der Stadtverwaltung, das böse Wort von der Zwangsrekrutierung macht die Runde. Denn kommunale Mitarbeiter sollen den Großteil der 1400 Zähler stellen, die an Münchens Wohnungstüren mit den Fragebögen vorstellig werden - eine Zusatzaufgabe, die nicht gerade auf überschwängliche Begeisterung stößt. "Da raucht es ordentlich im Karton", berichtet Jupp Stier von der Gewerkschaft Verdi, bei dem schon mehrere verunsicherte Kollegen Rat gesucht haben. "Im Ernstfall kommt aber aus dieser Nummer niemand heraus" - es sei denn, man kann einen triftigen Grund nachweisen. Bei dem Zensus, dessen Stichtag der 9.Mai ist, werden rund 67.000 Münchner befragt.

67.000 Münchner sollen bis zum 9. Mai befragt werden. Kommunale Mitarbeiter sollen den Großteil der 1400 Zähler stellen - ob sie wollen oder nicht. (Foto: AP)

Zwar sei bislang kein Zauderer mit disziplinarischen Konsequenzen bedroht worden, erklärt Stier. Dem "sanften Zwang" der Vorgesetzten aber könne man sich oftmals nur schwer entziehen. Denn das städtische Zensusbüro, so bestätigt dessen Leiter Roland Dolansky, hat bei mehreren Dienststellen festgelegte Freiwilligen-Kontingente angefordert. Diese Quote hat bislang nicht jeder erfüllt. Dolansky will Zwangsverpflichtungen jedoch vermeiden - schon um der Motivation willen. Derzeit fehlten ohnehin nur noch rund 200 Zusagen.

Die städtischen Mitarbeiter fühlen sich dennoch unbotmäßig unter Druck gesetzt. So teilte ein Münchner Lehrer der SZ per Mail mit, seine Schulleitung sei vom Schulreferat aufgefordert worden, drei Leute als Datenerheber zu benennen. Weil aber "kaum jemand einen solchen Drückerkolonnen-Job freiwillig antreten möchte", werde zwangsverpflichtet - "für eine lächerliche Aufwandsentschädigung" von sieben Euro je Interview. Die Zensus-Arbeit sei auf 33 Stunden angesetzt und müsse in der Freizeit erledigt werden. Das Schulreferat streitet ein solches Vorgehen ab. Man setze ausschließlich auf Freiwilligkeit.

Dass sich im Ernstfall niemand seiner "Bürgerpflicht" verweigern kann, scheint in den kommunalen Büros jedoch bestens bekannt zu sein. Auch bei Gabi Hackenbuchner, der Vorsitzenden des Personalrats im Direktorium, sind schon mehrere Mitarbeiter vorstellig geworden - mit der Frage, auf welcher rechtlichen Grundlage die Anwerbeaktion eigentlich basiere. Klar ist: Theoretisch kann jeder Bürger herangezogen werden. Die Stadt aber setzt wie bei Wahlen auf ihren bewährten Personalstamm. In dem allerdings, so Stier, befänden sich diverse Kollegen, die schon gegen die Volkszählung 1987 opponiert hätten. Die seien nun besonders empört, für den Zensus 2011 als Sendboten herhalten zu müssen.

© SZ vom 13.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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