Volksentscheid zum Nichtraucherschutz:Zählen im Nebel

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Streit vor dem Volksentscheid: Nichtraucher werfen dem Kreisverwaltungsreferat falsche Statistiken vor und rechnen auf ganz eigene Weise.

Dominik Hutter

Kneipenwirte aufgepasst: Gut möglich, dass jener nette und bislang nie gesehene Gast, der sich da am Tresen zum Thema Rauchen erkundigt, ein Spion ist. Geschickt wahlweise von den Befürwortern eines Rauchverbots oder von den Gegnern jeglicher Nikotin-Prohibition.

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Beide Seiten liefern sich derzeit einen erbitterten Kampf um die Frage, in wie vielen Gaststätten derzeit noch geraucht werden darf. In jeder zehnten? Oder doch jeder dritten?

Statistik widerlegt Statistik, und so ist plötzlich auch das Münchner Kreisverwaltungsreferat (KVR) zwischen die Fronten geraten. Die Behörde, so wettert Friedrich Wiebel vom nichtraucherfreundlichen "Ärztlichen Arbeitskreis Rauchen und Gesundheit", betreibe eine "bewusste und gezielte Irreführung" der Bürger - durch die Verbreitung offizieller Zahlen nämlich.

Die fallen eher im Sinne der Tabaklobby aus: Fast 90 Prozent der rund 7800 Münchner Gastronomiebetriebe sind rauchfrei, verkündet das KVR offiziell - und will dies auf Anfrage der SZ auch weiterhin tun. Ein Wert, den die Qualm-Fraktion genüsslich aufsog und sogleich in die Öffentlichkeit blies. Mit der Botschaft: Seht her, ihr Nichtraucher, ihr habt doch Auswahl genug, ein totales Raucherverbot, wie im Volksentscheid gefordert, ist also gar nicht nötig.

Ausgiebige Rundgänge durch einschlägige Kneipenviertel, Befragung von Wirten inklusive, lassen die Anti-Rauch-Front jedoch zu einem anderen Ergebnis kommen: Demnach gibt es tatsächlich nur etwa 3800 Lokale, und lediglich in 72 Prozent davon herrsche ein Rauchverbot. Die angeblich so entspannte Situation, resümiert Wiebel, ist also "grimmig", von freier Auswahl könne keine Rede sein.

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Am schlimmsten sind die Zustände in Richtung Stadtrand. Dort haben die Prüfer eine Raucherkneipenquote von bis zu 53 Prozent ermittelt (Milbertshofen und Hasenbergl), während in der Innenstadt nur vier Prozent erreicht werden. Wiebel führt dies auf ein "sozioökonomisches Gefälle" zurück.

In wie vielen Münchner Kneipen wird aktuell geraucht? Nichtraucherschützer und Kreisverwaltungsreferat befinden sich im Zahlenstreit. (Foto: dpa)

Bei den 241 "getränkegeprägten Gaststätten", also denen ohne Speisekarte, betrage der Quarzer-Anteil gar 94 Prozent. Fraglich ist allerdings, ob dieses angeblich repräsentative Ergebnis der Überprüfung eines Statistik-Experten standhalten würde. Denn die Tester wollen in der Altstadt nur eine einzige "getränkegeprägte Gaststätte" aufgetrieben haben, und in der durfte geraucht werden.

In der Folge prangt in der Spalte "Anteil der Raucherlokale" der Wert 100 Prozent - wie übrigens auch in Haidhausen, wo immerhin zwei Lokale für diese Wertung berücksichtigt wurden. Wiebel findet aber: "Entscheidend ist das Endergebnis."

Das KVR weist den Vorwurf der Irreführung zurück. Die Behörde verwende schlicht eine andere Datenbasis. Einschließlich aller "gastronomischen Varianten", darunter Vereinslokale, Bordelle und Spielotheken, verfüge München über 7800 Gaststätten. Und die seien zu fast 90 Prozent rauchfrei.

Ein weiteres Versäumnis des KVR will der Anti-Rauch-Vorkämpfer Sebastian Frankenberger ausgemacht haben: Angeblich hätten viele Münchner keine Wahlunterlagen erhalten. In der Behörde weiß man davon nichts, bittet aber: Im Ernstfall bitte melden. Zeit genug sei ja noch.

© SZ vom 29.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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