Virtuelles Isar-Museum:Ein Fluss geht ins Netz

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Das Gemeinschaftsprojekt geschichtsbewusster Initiatoren schlägt Wellen: Dank einer kostenlosen App und Beiträgen engagierter Menschen wird die bewegte Vergangenheit der Isar im Internet lebendig

Von Jürgen Wolfram, Landkreis

Genau so hat sich die Dokumentarfilmerin Sylvia Rothe die Projektphase zwei vorgestellt: In Lenggries sind Schülerinnen als "Isarreporterinnen" unterwegs und dokumentieren die Flussnatur; in Wolfratshausen beobachten Jugendliche im Rahmen einer Ferienpass-Aktion mit der Kamera das Leben der Flößer. Rothe ist eine der Initiatorinnen des virtuellen Museums zur Geschichte der Isar, mit dessen Aufbau vor zwei Jahren begonnen worden ist. Finanziell und organisatorisch gefördert vom Isartalverein, der Bayerischen Sparkassenstiftung sowie einzelnen Geldinstituten mit dem roten S, versucht das Projekt "Isargeschichte(n)", zahlreiche Aspekte des Flusses und seiner Landschaft einzufangen und im Internet sowie für eine kostenlose App aufzubereiten. Viel historisches Material aus Textarchiven und Fotosammlungen, ferner Kurzfilme, Erläuterungen und sogar Wandertipps sind bereits eingeflossen. Von sofort an sollen sich "viele Menschen aus vielen Bereichen" aufgerufen fühlen, sich interaktiv in die multimediale Entdeckungsreise einzublenden und das Projekt mit weiteren Beiträgen anzureichen.

"Das Konzept steht, jetzt geht es darum, möglichst viele Leute, vor allem Schüler, zum Mitmachen zu bewegen", sagt Erich Rühmer, der Vorsitzende des Isartalvereins. Trotz punktuell geglückter Werbung für die "Isargeschichte(n)" (www.isargeschichten.de) bestehe noch reichlich Luft nach oben. 65 Schulen habe man angeschrieben, ganze zwei hätten reagiert. Aus Rühmers und Rothes Sicht ein eher trauriger Zwischenstand des Projekts, das immerhin ein besonders attraktives Stück Heimat zum Inhalt hat. "Wie es aussieht, müssen wir Fachlehrer und Schüler noch besser erreichen", vermutet Rühmer. Zugleich beschwört er zur Isar-Dokumentation im Netz "eine Kooperation der Generationen" nach der Formel "Die Älteren kennen Geschichten, die Jungen können Technik". An alle Anrainer des beliebten Gewässers ergeht sein Appell, private Archive nach Sagen und Legenden, historischen Fotos und thematisch passenden Exponaten zu durchforsten.

Die Mitmach-Einladung der Projektinitiatoren, zu denen auch der Fotograf und Filmregisseur Sigi Menzel gehört, bezieht sich auf ein Sujet, das an Vielfalt kaum zu überbieten ist. Was erfüllt die Isar nicht alles für Funktionen, was weckt sie nicht alles für Sehnsüchte. Transportweg und Wasserspeicher, Energiequelle und Sportarena, Erholungsgebiet und artenreiches Biotop mit Anglern an den Ufern - facettenreicher kann eine Flusslandschaft nicht sein. Höchst spannend ist allein schon ihre Entstehungsgeschichte in der Eiszeit.

Besonders bei Hochwasser zeigt die Isar, was in ihr steckt. Dann gebiert sie neue Kiesbänke und schluckt altvertraute, stoppt mit Schwemmgut die Vergnügungsflößerei oder Kraftwerksturbinen. So wie der Fluss mäandert, wenn Schneefälle und Dauerregen ihn anschwellen lassen, so muss man sich die Verästelungen des virtuellen Isarmuseums vorstellen, das Sylvia Rothe federführend entwickelt hat: Informationen aus zahllosen Quellen fließen in die unterschiedlichsten Richtungen. Und als Clou erweckt eine ausgefeilte Animation selbst noch alte Stiche zum Leben. Dank der Zusammenarbeit mit einem IT-Unternehmen aus Baierbrunn (das bekanntlich an der Isar liegt), lässt sich das Endloskapitel Isar inzwischen sogar in einer App bündeln. Wie die funktioniert und was es sonst noch zu berichten gibt vom Projekt "Isargeschichte(n)", will Rothe am 18. Juni bei einer Uferwanderung erzählen. Start ist um 18 Uhr an der Münchner Ludwigsbrücke.

Von der Quelle bis zur Mündung die Geschichte und Geschichten des Flusses für moderne μMedien aufzubereiten, sie "begehbar" zu machen, war der 52-Jährigen keineswegs in die Wiege gelegt. In Berlin aufgewachsen und ursprünglich Mathematikerin von Beruf, kam Rothe vor 25 Jahren nach München. Rasch erlag sie dem Isarflimmern, wie der klampfende Stadtindianer Willy Michl es einst hinreißend besungen hat. "Man kommt an diesen Fluss und fühlt sich wohl; seine Geschichten muss man unbedingt festhalten", hat Rothe in einem früheren Interview gesagt.

Sie hat es selbst in die Hand genommen und nicht nur Kieselsteine umgedreht. Die zweifache Mutter treibt rastlos umher an den Gestaden der Isar, kennt Ranger und Archivare, Flößer und andere Menschen, die mit dem Fluss zu tun haben. Die Ergebnisflut ihrer Recherchen schreckt sie nicht, denn sie hat gar nicht vor, irgendwann einen Schlussstrich zu ziehen, das Projektende zu verkünden. Alles soll im Fluss bleiben, die permanente Fortschreibung ist Programm. Ist es doch ein Hauptanliegen der Initiatoren, die Leute langfristig für die Isar und ihren Schutz zu begeistern. Und weitere berauschende Ideen für ihren Auftritt im Internet zu generieren.

© SZ vom 10.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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