Verkehrssituation im Landkreis:Verstopft

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Autofahrer brauchen gute Nerven. Wegen vieler Baustellen schieben sich die Fahrzeuge Stoßstange an Stoßstange durch die Straßen. Ein Ort wie Oberhaching ist manchmal kaum noch anzufahren. Abhilfe ist kaum in Sicht. Die Zahl der Fahrzeuge und der Pendler steigt

Von Iris Hilberth, Landkreis

Von Unterhaching nach Oberhaching braucht man normalerweise mit dem Auto etwa eine Viertelstunde. Derzeit ist das kaum zu schaffen. Es ist nicht nur ratsam, weitaus mehr Zeit für den Weg in die Nachbargemeinde einzuplanen, man braucht auch gute Nerven und eine gehörige Portion Gelassenheit. Es stockt, es staut, der Verkehr kriecht selbst außerhalb der Rush-Hour von Taufkirchen über die Doppelkreuzung am Ortseingang von Oberhaching auf die M 11 und weiter Richtung Grünwald. In der Gegenrichtung sieht es nicht besser aus. Stoßstange an Stoßstange schieben sich die Pendler durch den südlichen Landkreis. Gefühlt ist man derzeit zu Fuß schneller.

Stauforscher haben herausgefunden, dass sich jede Stockung im Straßenverkehr auf einen Flaschenhals zurückführen lässt. Derzeit ist der Landkreis München ein einziger Flaschenhals. In Garching wird die B 11 voraussichtlich bis 30. Oktober voll gesperrt, in Dirnismaning halbseitig. In Ottobrunn regelt eine Baustellenampel den nurmehr einspurigen Verkehr auf der Putzbrunner Straße. Bis Mitte November muss man in Aschheim die B 471 umfahren und auch auf der Kreisstraße M 25 zwischen Siegertsbrunn und Harthausen heißt es: keine Durchfahrt. Und weil sie derzeit auch am Eingang des Mc Graw-Grabens in Giesing bauen, staut sich abends wie morgens der Verkehr auf der A 995. Es herrscht der große Stillstand. Schneckentempo statt Überholspur.

Alexander Maierhöfer erreichen im Oberhachinger Rathaus immer wieder Anrufe von genervten Autofahrern, die rund um die Gemeinde im Stau stehen. Seit Juni ist die Ortsdurchfahrt gesperrt, weil neue Wasserleitungen und Fernwärmerohre verlegt werden. Maierhöfer kann nur um Verständnis werben und die Leute auf November vertrösten, dann soll zumindest auf der Münchner Straße in Oberhaching erst einmal wieder freie Fahrt gelten. Bis dann im kommenden Jahr der eigentliche Umbau der Ortsdurchfahrt ansteht.

Wer so ein Schild sieht, kann sich auf ein Abenteuer gefasst machen. Viele Umleitungsstrecken sind überlastet. (Foto: dpa)

Schleichwege? Fehlanzeige. Der Ortsfremde mit dem Mannheimer Kennzeichen musste sich an der Sperre hinter der Badstraße dem großen Bagger beugen,umkehren und sich wieder in die Autoschlangen einreihen. Keine Möglichkeit, das zu umfahren, fragt er. Nein, keine. Zumindest keine naheliegende. Über Lanzenhaar verläuft die eigentliche Umleitung. Dass man aber auch dort nicht unbedingt flott vorankommt, weiß Maierhöfer auch. Ausgerechnet zur gleichen Zeit, in der Oberhaching dicht macht, rollen auch auf der Autobahn A 8 zwischen Kreuz München-Süd und Holzkirchen vor allem die Baumaschinen und machen den Weg Richtung Süden zu einer täglichen Geduldsprobe.

"Mit Stauungen ist zu rechnen", hatte die Autobahndirektion Südbayern die Erneuerung der fast 40 Jahre alten Fahrbahndecke angekündigt. Man habe zwar die Arbeiten auf die Zeit nach den Sommerferien gelegt und arbeite im 24-Stunden-Betrieb, um zügig voranzukommen, betonte Sprecher Josef Seebacher. Doch fast vier Wochen hat die Sanierung gedauert, nebst Behelfsverkehrsführung, verminderter Fahrstreifenbreite und Sperrung der Rastanlage Hofoldinger Forst. Das bedeutete: Alle aus Richtung München mussten von der A 995 und der A 8 auf eine Spur. Die Idee der Autobahndirektion, erst einmal nach Norden auf die A 99 zu fahren, in Ottobrunn zu wenden, um dann - immerhin zweispurig - wieder auf die A 8 zu kommen, überzeugte die wenigsten. Eher das Navigationsgerät, das die Landstraßen empfahl. Was wiederum die Umfahrung von Oberhaching zur Staufalle machte.

Nun soll zumindest die Baustelle auf der Autobahn an diesem Wochenende wieder abgebaut werden. Doch ist bekanntermaßen das Kreuz München Süd auch ohne Sperrung von Fahrstreifen stets ein Nadelöhr. Für Hans Hermann Reiters aus Hohenbrunn kein Wunder. "Wenn man von drei Autobahnen auf drei Spuren führt, wird es eng", sagt er. Seit 20 Jahren kämpft er für den Ausbau des Kreuzes, das mit 150 000 Fahrzeugen pro Tag als einer der meistbefahrenen Straßenknotenpunkte in Bayern gilt. Insbesondere zu Ferienzeiten und an Wochenenden herrscht dort regelmäßig Stillstand. Die Autobahndirektion sieht jedoch die Belastung im Norden der A 99 deutlich höher. 120 00 Fahrzeuge wurden bei Aschheim/Ismaning gemessen, 93 000 bei Haar und 85 000 bei Ottobrunn. Reiters ärgert diese Rechnung, sie sei ohne die am Kreuz dazustoßenden beiden Autobahnen gemacht worden. Er befürchtet: "Wenn die A 99 vierspurig wird, kommt es noch schlimmer."

Blechlawine: In Oberhaching staut es sich regelmäßig an der Kreuzung von Kreisstraße M 11 und Autobahn A 99. (Foto: Claus Schunk)

Dabei braucht es gar nicht mal echte Engpässe wie Baustellen oder Unfälle, damit ein Stau entsteht. An der Universität Nagoya haben 2008 japanische Wissenschaftler 22 Probanden gleichzeitig im Kreis fahren lassen. Der Kurs war 230 Meter lang und ohne Hindernisse, die Teilnehmer sollten mit einer Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometern fahren. Es dauerte nicht einmal eine Minute, bis die Kolonne ins Stocken geriet. Nur weil ein Fahrzeug kurzzeitig einen Tick langsamer fuhr. Das Fazit: Bei zehn Metern Platz pro Auto ist der Stau programmiert.

Mit dem Wachstum des Landkreises Münchens haben sich zwangsläufig auch die Pendlerzahlen erhöht. 1975 lebten in den 29 Gemeinden insgesamt etwa 220 000 Menschen, die 80 000 Autos besaßen. 2011 zählte man 323 000 Menschen und 257 000 Fahrzeuge. Der Kraftfahrzeugbestand hat sich mehr als verdreifacht. Laut Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum pendelten an einem Werktag im Landkreis 2003 etwa 105 500 Arbeitnehmer, zehn Jahre später waren es bereits 123 500. Wobei mittlerweile mehr Ein- als Auspendler in den Landkreis gezählt werden. Es gibt also mehr Menschen, die in der Stadt leben und im Landkreis arbeiten als umgekehrt. Eine Tendenz, die schon seit etwa 15 Jahren zu beobachten sei, wie Fabian Wenner, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Raumentwicklung der Technischen Universität München, bestätigt. Die Firmen siedelten außerhalb der Stadt an, während immer mehr Menschen die "Zentralität" und das urbane Wohnen bevorzugten, sagt er.

Fast 25 000 Menschen pendeln allerdings auch innerhalb des Landkreises. Auch die Tangentialverbindungen seien stark belastet, weiß der Oberhachinger Maierhöfer, etwa die M 11 zwischen Oberhaching und dem Isartal. Forderungen nach einem Autobahn-Südring erteilt die Gemeinde aber weiterhin eine Absage. "Der bringt keinem etwas, der zu seiner Arbeitsstätte nach Pullach will", sagt Maierhöfer. Die Gemeinde propagiert daher den Umstieg: auf S-Bahn und aufs Fahrrad. Radschnellwege sind bereits in Planung.

© SZ vom 10.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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