Unterschleißheim:Mama Zifornu geht wieder auf Reisen

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Seit einem Jahr hilft der Unterschleißheimer Verein "Friends without borders" dabei, das Leben der Menschen in Ghana zu verbessern. Gründerin Petra Halbig hat für den Besuch in Afrika einen Sack voller neuer Ideen

Von Gudrun Passarge, Unterschleißheim

Das dörflich geprägte Leben in Ghana unterscheidet sich erheblich vom Vorstadt-Alltag in Unterschleißheim. Wenn Petra Halbig zu ihren Besuchen nach Mafi Dadoboe und Mafi Wute aufbricht, taucht sie dort in eine völlig andere Welt ein. Das lässt sich schon an ihrem dortigen Ehrennamen Mama Zifornu I., Queen of Development, erkennen. Und daran, was sie danach zu erzählen hat. Sie berichtet von schwangeren Mädchen, die mit 15 ihr drittes Kind erwarten, von Kinderbetreuerinnen, die noch nie Bauklötze gesehen haben, und von hungrigen Kindern. So hungrig, dass sie ihr fast schon zu Wasser aufgelöste Bananen aus der Hand rissen, die sie auf dem Kompost entsorgen wollte. Petra Halbig will mit dem Verein "Friends without borders" helfen, das Leben nicht nur dieser Kinder zu verbessern.

Den Verein in Unterschleißheim gibt es seit Juni 2016. Seitdem hat er schon viel auf den Weg gebracht. 17 Mitglieder engagieren sich dort. "Wir sind klein, aber fein", resümiert Halbig, die Mitglieder brächten jede Menge unterschiedlicher Berufserfahrungen und Interessen mit. Doch die Reisen nach Afrika, die macht sie allein. Mafi Dadoboe und Mafi Wute seien relativ fortschrittlich, es gebe Stromanschluss und öffentliche Brunnen mit Wasser, das fast Trinkwasserqualität besitze, und es sei "blitzblank sauber" in den Dörfern. "Der Chief ist sehr visionär und offen", erzählt sie, er habe vieles schon vor Jahren angestoßen. Während ihrer Besuche wohnt sie in seinem Haus. "Ich habe da mein Zimmerle mit Matratze und habe mir ein Bettgestell gekauft." Versorgen kann sie sich mit einem einflammigen Gaskocher - gewöhnungsbedürftig für europäische Köche. "Ich kann mir da nicht mal Nudeln mit Tomatensoße machen, eins von beiden ist kalt." Trotzdem sei es Luxus, dieses Haus, was sie sehr zu schätzen weiß.

Dreimal war sie jetzt schon dort, immer mit einem Sack voller Ideen im Gepäck. Dabei hat der Verein jetzt vier Dinge auf seine Prioritätenliste gesetzt, woran er in nächster Zeit arbeiten will. Ganz oben steht sicherlich der Bau eines Jugend- und Gesundheitszentrums. "Die medizinische Versorgung hat mich ziemlich geschockt", sagt Halbig. Zwar kommt einmal die Woche ein ärztlicher Dienst vorbei, doch wer außerhalb dieser Zeit Hilfe braucht, muss ins zwölf Kilometer entfernte Krankenhaus fahren. Das kostet allerdings Geld. 15 Cent, "wenn man das Geld nicht hat, fährt man halt nicht, dann stirbt eben jemand, das habe ich selbst miterlebt".

Das Gesundheitszentrum könnte die medizinische Basis-Versorgung erheblich verbessern. Zumal zwei Krankenschwestern in Rente bereit stehen, um sich einzubringen. Gekoppelt werden soll das mit einem Raum für die Jugendlichen, die sich bisher im Freien treffen müssen. Das könnte auch gleich mit einem Aufklärungsprogramm gegen Frühschwangerschaften (Nummer 3 der Liste) kombiniert werden. Dazu sollen Jugendliche als Ansprechpartner ausgebildet werden.

Hört sich alles gut an, ist jedoch in der Praxis nicht ganz leicht umzusetzen. "Die Kostenschätzung ist so, dass es im Moment nicht zu leisten ist vom Verein", sagt Halbig. Dabei wären die Dorfbewohner ganz nach Ghanaischer Tradition schon mit wenig zufrieden. Dort heißt es, ein Haus zu haben, bedeutet ein Dach zu haben. Das allerdings entspricht nicht den Plänen von Petra Halbig. "Es ist aber schwer, ihnen die deutsche Definition von einem Haus zu vermitteln", also von einem Gebäude, das auch Fenster und Türen hat. Aber Halbig lässt sich durch solche Kleinigkeiten nicht aus der Ruhe bringen. Sie hat ein Ziel vor Augen, darauf arbeitet sie mit vollem Elan hin.

Auch damit es nicht so kommt wie beim Kindergarten, der seit 15 Jahren auf seine Fertigstellung wartet. Das ist ebenfalls ein Punkt auf der Prioritätenlisten, genauso wie Alternativen zum Feuerholz zu schaffen. Zu diesem Zweck hat der Verein diesmal zehn Gaskocher pro Dorf an ausgewählte Familien vergeben, oder besser, sie wurden zu 40 Prozent bezuschusst. Damit will der Verein erreichen, dass sich die Familien selbst verantwortlich für den Ofen fühlen. "Generell ist das meine Maxime", sagt Halbig, "keine Maßnahme ohne Gegenleistung". Die Menschen dort müssten selbst etwas dazutun, "dann entsteht eine ganz andere Verbundenheit". Viele seien bislang noch skeptisch gegenüber Gas, "aber wenn es angenommen wird, können wir mehr verteilen". Außerdem haben sie im Dorf einen Prototypen eines Lehmofens gebaut, der sehr viel weniger Holz braucht als die bisher eingesetzten Öfen. Halbig beschreibt die bisherige Kochmethode als sehr ineffizient und zeitraubend. Da es immer weniger Holz gebe, müssten die Leute immer weitere Wege gehen, um das Material zu sammeln.

Zusätzlich zu den neuen Öfen hat der Verein auch 80 Mahagonisetzlinge gekauft. 40 wurden beim Kindergarten gepflanzt, damit die Kinder dort auch Schatten haben, und 40 entlang der Straße. Halbig hat nach einer Sammelaktion in Unterschleißheim auch viele Spielsachen im Kindergarten verteilen können. Erst waren die Frauen skeptisch, ob die Kinder mit Bauklötzen etwas anzufangen wüssten, "aber ratzfatz haben sie das rausbekommen, was man damit macht". Einige Spielsachen lagern noch in Unterschleißheim, sie werden bald per Schiff nach Ghana transportiert. Die Brillen, die ein Optiker in der Stadt für sie gesammelt hat, haben dagegen schon neue Besitzer gefunden. Die Dorfbewohner haben dazu selbst einen Optiker aus der nächsten Stadt organisiert, der die Augen vermessen hat. "Das war für sie aufwendig, das zu organisieren, aber keine Unterstützung ohne Mitarbeit."

Ganz besondere Ideen hatte Mama Zifornu I. für die Frauen, von denen sie sagt, "sie halten das Land am Laufen". Bei einem Treffen erzählte sie ihnen von den schön bestickten Flip-Flops, die Frauen aus Kenia machten und von eingelegten getrockneten Tomaten. Davon gibt es in den Dörfern genug, sie haltbar zu machen und zu verkaufen, daraus könnte sich ein florierendes Geschäft entwickeln, sagt Halbig. "Ich hoffe innigst, dass irgendeine es probiert." Mama Zifornu, die blonde Frau mit dem modischen Kurzhaarschnitt, die auch in traditionellen afrikanischen Gewändern eine gute Figur macht, hat jedenfalls versucht, ihnen Mut zu machen, mal etwas Neues auszuprobieren. Beim nächsten Besuch Ende des Jahres wird sie sehen, was daraus geworden ist.

© SZ vom 17.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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