Unterschleißheim:"Es ist kein Kampfthema mehr"

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Das Recht auf einen rauchfreien Balkon ist zu einem der Hauptthemen von Ernst-Günther Krauses Nichtraucher-Initiativen geworden. (Foto: Florian Peljak)

Ernst-Günther Krause aus Unterschleißheim engagiert sich seit Jahrzehnten für den Nichtraucher-Schutz. Jetzt will er persönlich kürzer treten - auch weil er und seine Mitstreiter schon viel erreicht haben

Interview von Gudrun Passarge, Unterschleißheim

Der ehemalige Berufsschullehrer Ernst-Günther Krause, 69, engagiert sich seit 40 Jahren für den Nichtraucherschutz. Krause ist Leiter der Nichtraucher-Initiative München und geschäftsführender Vize-Präsident der Nichtraucher-Initiative Deutschland, deren Büro in seiner Unterschleißheimer Wohnung untergebracht ist. Er kam über den Ärztlichen Arbeitskreis Rauchen und Gesundheit zu der Initiative. Seine erste Aufgabe war es, einen Nichtraucherball im Münchner Künstlerhaus zu organisieren, dem noch viele folgten. Die Gruppe war beteiligt, 2010 das Rauchverbot in den Gaststätten durchzusetzen, und profiliert sich beim Mieterschutz, wenn es ums Rauchen auf dem Balkon geht. Doch die Münchner Initiative steht kurz vor der Auflösung, eben weil schon viel erreicht wurde.

SZ: Nachdem Rauchen in Gaststätten, auf Bahnhöfen und in öffentlichen Gebäuden nicht mehr erlaubt ist, ist es heute noch ein Kampfthema?

Ernst-Günther Krause: Es ist kein Kampfthema mehr, aber es ist für eine Reihe von Menschen noch ein wichtiges Thema. So gibt es zunehmend mehr Anfragen von Nichtrauchern, die unter gesundheitsschädlichem Tabakrauch aus Nachbarwohnungen leiden.

Was bedeutet das konkret?

Manche Raucher gehen zum Rauchen auf den Balkon. Oder sie öffnen zum Lüften das Fenster, und zwar wann immer sie wollen. Dem hat der Bundesgerichtshof im Januar 2015 einen Riegel vorgeschoben und entschieden, dass auch beim Wohnen das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme anzuwenden ist. Wenn der eine rauchen will und der andere keinen Rauch einatmen will, dann müssen sie sich in der Regel auf ein Zeitmodell einigen.

Wie könnte das aussehen?

Im konkreten Fall, den wir unterstützt haben, hatte das nichtrauchende Ehepaar Zeiten vorgeschlagen, in denen auf dem Balkon geraucht werden darf, was die Raucher jedoch nicht akzeptiert hatten.

Wie haben Sie sich dann geeinigt?

Das musste vom Landgericht Potsdam nicht mehr entschieden werden, denn die stark rauchende Ehefrau war gut ein Jahr nach dem BGH-Urteil gestorben. Der Ehemann rauchte seit dem Tod der Ehefrau nicht mehr auf dem Balkon. Er wurde allerdings schon mit Zigarette auf der Straße gesehen.

Was noch erlaubt ist.

Natürlich. Es geht überhaupt nicht darum, das Rauchen generell zu verbieten, sondern es geht darum, einen angemessenen Ausgleich zwischen Grundrechten zu finden. Das Amtsgericht Ebersberg hat zum Beispiel im Dezember 2016 unter Hinweis auf das BGH-Urteil entschieden, dass der Raucher auf Antrag des Nichtrauchers nur fünf Stunden am Tag auf dem Balkon rauchen darf.

Zu einem anderen Thema: Sie ärgern sich über Volker Kauder.

Das ist richtig, Volker Kauder ist der entscheidende Mann dafür, dass die Außenwerbung für Tabak von 2020 an nicht verboten wird.

Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hat verhindert, dass der bereits im April 2016 vom Kabinett gebilligte Gesetzentwurf zum Verbot der Plakatwerbung zur Lesung in den Bundestag gelangt. Deutschland ist damit das einzige EU-Land, in dem Plakatwerbung für Zigaretten und Tabak noch erlaubt ist. Was würden Sie sich von einem Verbot versprechen?

Neun von zehn Rauchern fangen vor ihrem 20. Lebensjahr mit dem Rauchen an. Das heißt, dass die Zielgruppe der Tabakindustrie vor allem die jungen Leute sind. Wenn Tabakwerbung zu sehen ist, wird Rauchen für etwas Normales gehalten, für etwas, das nicht so schlimm ist. Tabakwerbung ist Werbung für ein Produkt, das absolut gesundheitsschädlich ist. Für kein anderes Produkt darf Werbung gemacht werden, wenn es dermaßen gesundheitsschädlich ist.

Wie steht es mit Alkohol?

Für die meisten Menschen ist Alkohol ungefährlich, vorausgesetzt, sie trinken Alkohol in Maßen. Es gibt schon gewaltige Unterschiede zum Rauchen. Das heißt aber nicht, dass ich für unbeschränkte Alkoholwerbung plädiere.

Aber was will die Nichtraucher-Initiative der offensichtlich sehr einflussreichen Tabaklobby entgegenstellen?

Wir haben aus meiner Sicht zurzeit keine Chance auf ein Verbot der Tabakaußenwerbung. Die Wahlen stehen vor der Tür, das Ende der Legislaturperiode ist abzusehen - so meine Prognose. Es bleibt also nichts anderes übrig, als in der nächsten Legislaturperiode noch mal tätig zu werden.

Wie werden Sie dann tätig?

Indem wir uns erneut gemeinsam mit anderen Organisationen des Gesundheitswesens an die Abgeordneten wenden. Wenn sich schon zwei Bundesminister und die Drogenbeauftragte für den Gesetzentwurf ausgesprochen haben, darunter ein CDU- und ein CSU-Minister, dann denke ich, dass es nach der Bundestagswahl eine gute Chance für ein Verbot der Tabakaußenwerbung gibt.

Was spräche dagegen?

Von Abgeordneten haben wir gehört, dass der Widerstand auch von den Kommunen kommt. Diese befürchten, dass die Einnahmen für ihre Plakatwände zurückgehen. Dem gegenüber steht aber die Gesundheitskomponente. Wenn ich verhindern kann, dass 1000 Menschen weniger anfangen zu rauchen, dann trägt das Verschwinden der Tabakwerbeplakate dazu bei, Leben zu erhalten. Handlungsweisen wie die von Kauder treiben die Menschen in die Gefährdung hinein. Ich finde, hier wird etwas mit einer Brutalität durchgezogen, die ich von einem christlichen Politiker nicht erwartet hätte.

Wie sähe in Ihren Augen der Idealzustand aus?

Das wäre, wenn niemand mehr rauchen würde. Aber diesen Zustand wird es wahrscheinlich auf absehbare Zeit nicht geben. Der darunterliegende Idealzustand wäre, wenn niemand mehr passiv rauchen müsste. Mein vorrangiges Ziel ist deshalb die passivrauchfreie Gesellschaft. Je mehr rauchfreie Gelegenheiten es gibt, desto mehr lassen auch die Raucher das Rauchen sein.

Dann wird Ihre Initiative bald überflüssig.

Die Nichtraucher-Initiative München wird aller Voraussicht nach am 4. November 2017 aufgelöst, und zwar im Lenbachzimmer im Künstlerhaus - in dem Raum, wo sie am 2. November 1977 von 32 passivrauchgeplagten Nichtrauchern gegründet wurde.

Warum?

Weil wir Erfolg hatten. Für mich persönlich kann ich sagen: 40 Jahre ehrenamtliche Arbeit sind genug.

© SZ vom 20.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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