Unterschleißheim:Ein Weiler von Rang

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Mallertshofen hat eine lange Geschichte. In der Kapelle wird ein Gedenktag gefeiert

Von Klaus Bachhuber, Unterschleißheim

Einst war Mallertshofen von solch lokalem Rang, dass dort Gerichtstage des Klosters Weihenstephan abgehalten wurden. Die Kirchen von Unterschleißheim, Garching, Fröttmaning und Freimann waren Filialen der Pfarrei Mallertshofen. Und noch im 17. Jahrhundert wurden dort in einem Jahr 26 neugeborene Kinder getauft, was auf die Größe des Dorfes schließen lässt. Heute ist Mallertshofen verschwunden. Es wurde nicht im Krieg oder bei einer Katastrophe zerstört, es wurde nicht von einer Großstadt in der Moderne aufgesogen - es wurde einfach nach und nach verlassen. Die Häuser wurden abgetragen oder verfielen.

Bis auf ein steinernes Relikt: die einstige Kirche des Dorfes. Sie überstand den Verfall des Orts, Kriege und Plünderungen, Unfälle und mutwillige Verwüstungen der jüngeren Zeit. Anfang der Sechzigerjahre, als das Kirchlein St. Martin der neu installierten Pfarrei St. Korbinian in Lohhof zugewiesen worden war, entstanden Pläne einer Erneuerung. Unter der Ägide des Sozialverbands VdK wurde die Mallertshofer Kapelle renoviert, mit einer Gefallenengedenkstätte ausgestattet und 1967 neu geweiht. Am Sonntag, 12. November, wird das 50. Jubiläum der Neuweihe um 15 Uhr mit einem Festgottesdienst in der Kapelle gefeiert.

Um 1140 ist die erste schriftliche Erwähnung eines Adelhershoven bekannt, aus dessen Name sich Mallertshofen entwickelt haben soll. In einem Rechtsgeschäft von 1190 wird ein Adelhershovener als "parochianus" bezeichnet, als Pfarrangehöriger, was darauf schließen lässt, dass es mindestens in jener Zeit eine dort angesiedelte Pfarrei gegeben haben muss und folglich die Kirche St. Martin. 1260 wird in einem päpstlichen Bestandsverzeichnis die Kirche in "Mallershoven" als Filialkirche von St. Maria Magdalene in Garching geführt, 1315 in einer Auflistung des Klosters Weihenstephan wiederum St. Martin als Pfarreisitz mit den Kirchen der Umgebung als Filialen. Nachgewiesen ist auch ein Pfarrherr aus dem Jahr 1370, der in Weihenstephan als Abt abgesetzt und in die Pfarrei "Malhershoven" versetzt worden war, weil er im Kloster miserabel gewirtschaftet hatte. Erst ab 1524 ist die Rangfolge von Garching als Pfarrsitz und Mallertshofen als Filiale unumkehrbar.

Kurfürst Maximilian erwarb den Ort Mallertshofen 1628 für seine Hofmark Schleißheim. In der historischen Kontinuität dieser Zuständigkeit gehört die Enklave am Rande des Naturschutzgebietes Mallertshofer Holz heute noch zum Gemeindegebiet Oberschleißheim. Der Wechsel der Herrschaft von Weihenstephan zum bayerischen Fürsten, der für seine üppige Viehhaltung in Schleißheim wohl an den Weidegründen Mallertshofens interessiert war, und vor allem der anschließende Dreißigjährige Krieg bedeuteten eine Zäsur. Von 26 Kindstaufen 1616 ging die Zahl auf elf im Jahr 1648 und gerade noch eine im Jahr darauf zurück. Von dieser nicht letzgültig erklärbaren Krise erholte sich das Dorf nicht mehr. Nach dem Erwerb durch Maximilian wurde St. Martin offenbar 1630 renoviert und neu geweiht.

1818 wäre eine erneute Restaurierung nötig geworden, doch die Schleißheimer Verwaltung stellte den Antrag, die einsam gewordene Kirche abzureißen, da sie "von keinem Nutzen" mehr sei. Der Garchinger Pfarrer Weber verwendete sich für die Kirche und erhielt bei den zuständigen Behörden Zustimmung, die am 25. Oktober 1818 die Renovierung der Kirche anordneten.

Neben der Kirche war wohl noch ein Hof bewirtschaftet, der nach 1880 allerdings auch aufgegeben wurde. Der Hof wurde abgetragen, die Steine im Moor bei Badersfeld wurden zum Aufbau einer Torfstecherei verwendet. Die Kirche verfiel vollends. 1945 soll der Altar zerhackt worden sein, 1955 bei einer Militärübung der in Oberschleißheim stationierten US-Army ein Teil der Innenausstattung verbrannt sein. Die Pfarrkirche St. Korbinian in Lohhof beherbergt heute eine Madonna aus dem späten 15. Jahrhundert, Figuren der Heiligen Martin und Brictius sowie einen Altarflügel mit Darstellungen der Heiligen Wolfgang und Nikolaus, die nach Informationen der Kirchenverwaltung auf die älteste Ausstattung von St. Martin zurückgehen. Bei der Kirchenrenovierung durch Kurfürst Maximilian wurde der Anbau der Sakristei, das Kirchenschiff erhöht und die Fenster wurden vergrößert.

Nach dem Übergang zur 1958 neu geschaffenen Pfarrei St. Korbinian ergriff der VdK Lohhof die Initiative, die Kirche vor dem Verfall zu retten, und machte daraus einen Stützpunkt der Erinnerung an Gefallene. An der Außenwand des Gebäudes wurde eine Gedenktafel angebracht und ein kunstvolles Totenregister im Innern. Hauptinitiator war damals Walter Rosenkranz, der langjährige Kirchenpfleger von St. Korbinian und Unterschleißheimer Gemeinderat. 50 Jahre nach der erneuten Weihe plant die Pfarrei eine erneute Renovierung. Zum Jubiläum konnte dies nicht mehr verwirklicht werden. Vielmehr soll nun für die mittlerweile denkmalgeschützte Kapelle eine fundierte Geschichts- und Bauforschung betrieben werden. Voruntersuchungen für eine Gesamtrenovierung sind bereits eingeleitet, die Holzteile des Dachreiters wurden weitgehend erneuert.

© SZ vom 11.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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