Unterschleißheim:Die Ästhetik des Verfalls

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Die nur DIN-A4 großen Bilder zeigen die Vergänglichkeit der Objekte und laden zum Näherkommen ein. (Foto: Robert Haas)

Thomas Vasniszky fängt den Reiz von Ruinen und Autowracks ein

Von Sara della Malva, Unterschleißheim

Dass das Schloss Nymphenburg oder die Frauenkirche ein gutes Motiv für ein Foto sind, darüber ist man sich schnell einig. Ein herrschaftliches Schloss und eine imposante Kirche: Die Schönheit dieser Orte ist offensichtlich. Doch wie sieht es mit einer Ruine oder einem alten Paar Schuhe aus? Thomas Vasniszky will mit seiner Ausstellung im Bürgerhaus Unterschleißheim zeigen, dass auch im Verfall Schönheit stecken kann. Derzeit werden seine Fotografien unter dem Titel "Nichts ist konstant, alles im flüchtigen Wandel" ausgestellt. Der studierte Medienwissenschaftler entdeckte 2013 seine Liebe zur Fotografie. Der Verfall mit all seinen Facetten hat es ihm als Motiv besonders angetan. Auf seinen Bildern sind unterschiedliche Objekte in diversen Stadien der Zersetzung zu sehen. Die Fotos, die nur DIN-A 4 groß sind, laden den Betrachter zum Näherkommen ein.

Ein altes Karussell vor einer maroden Wand, eine von Efeu bedeckte Ruine, ein Paar Cowboystiefel, die - von Spinnenweben überzogen - wie vergessen an einem Zaun hängen. Diese Motive vermitteln in ihrer Unterschiedlichkeit ein gemeinsames Gefühl: Vergänglichkeit. Der Lehrsatz des antiken Philosophen Heraklit beschreibt eben dieses Gefühl: "Alles bewegt sich fort, nichts bleibt". Die Motive sind die Darstellung vom Prozess des Wandels. Der Verfall ist das Bindeglied zwischen Sein und Nicht-Sein, die unaufhaltsame Macht der Zeit. Durch die dargestellte Vergänglichkeit wird dem Betrachter die eigene Endlichkeit bewusst gemacht.

Auf einem Feld steht eine von Rost zerfressene Karosserie. Dass dies mal ein Auto war, lässt sich in diesem Stadium nur noch erahnen. Genau hierin liege der Kernpunkt, der ihn besonders fasziniere, sagt Vasniszky. "Manchmal sehen wir nicht mehr das verfallende Objekt, sondern den Verfall selbst. Der Verfall raubt dem Gegenstand seine Nützlichkeit und somit die Möglichkeit der Identifikation", sagt der Fotograf. Kaum mehr zu erkennen ist auch eine Ruine die, von Efeu verschlungen, fast unkenntlich geworden ist. Unvorstellbar für den Betrachter, dass dieses Gebäude einmal Menschen beherbergt hat, Rückzugsort oder Zuhause gewesen sein soll.

In der Betrachtung treffen Gegenwart und Vergangenheit aufeinander. "Man spürt die Zeit im Verfall. Solche Motive sind für mich die Verbindung zu Vergangenheit", erklärt Vasniszky. Seine Bilder haben keine Titel, denn er wolle dem Betrachter die Freiheit lassen, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Die Motive sind dem Unterschleißheimer im Laufe der vergangenen Jahre bei Reisen durch Deutschland, Österreich und Tschechien begegnet. Es sind keine Fotografien von klassischen Wahrzeichen, die er mit nach Hause bringt. Es sind Bilder, die die Ästhetik einer vermeintlichen Hässlichkeit zeigen - einer Schönheit, die sich erst auf den zweiten Blick erschließt.

Die Ausstellung im Bürgerhaus Unterschleißheim dauert noch bis Sonntag, 23. April.

© SZ vom 13.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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