Unterrichtsausfall:Viele Lehrer für einen Schüler

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Für Schulkinder war das lange Wochenende fast wie Ferien. (Foto: Angelika Bardehle)

Nur wenige Kinder brauchen die Notbetreuungen, die Familien überbrücken die schulfreien Tage - einige Erfahrungsberichte.

Am Freitag einen halben Tag Skifahren, am Montag das Liegengebliebene in der Arbeit nachholen: Das war der Plan - bis am Donnerstagnachmittag das Handy klingelt. Am Apparat ist die Erzieherin des jüngsten Sohns, der die Kinderkrippe in der St.-Alto-Straße in Unterhaching besucht, die in etwas zu fröhlichen Tonfall mitteilt, dass die Einrichtung am Freitag und Montag geschlossen bleibe. "Die Gemeinde hat's angeordnet, der Schnee auf dem Dach, Sie wissen schon." Sie klingt wie jemand, der unverhofft zwei freie Tage geschenkt bekommt. Vielleicht geht sie ja zum Skifahren. Der Vater dagegen spielt am Freitag und Montag stundenlang Playmobil, singt Kinderlieder und baut gleich zwei Schneemänner. Der Stapel mit dem Liegengebliebenen auf dem Schreibtisch ist dagegen anders als die Schneemänner am Montag nicht zusammengeschmolzen. stä

Familien, die nach dem Allein-Verdiener-Modell leben, sind ja nicht mehr so gut beleumundet. Manchmal aber ist es von Vorteil, wenn Vater oder Mutter daheim ist. So muss nicht viel organisiert werden, wenn die Kinder plötzlich zwei Tage schul- oder kindergartenfrei haben. Der zweite Vorteil: Man macht sich auch gleich bei Freunden beliebt - als Gastfamilie. Schon am Sonntagabend kommt die Freundin der Großen mit Tasche und Stofftier. Rasch die Luftmatratze im Kinderzimmer aufgepumpt, Pommes für alle in den Backofen und dann wird bis in die Nacht hinein gespielt und geratscht. Es ist fast wie Ferien. Nur der Alleinverdiener muss Montagmorgen raus. Die anderen schlafen noch. lb

Schneeschaufeln kann verdammt anstrengend und schweißtreibend sein. Und wenn es ganz dumm läuft, weil zu viel aufgeladen wurde, kann es passieren, dass der Schmerz gewaltig in den Rücken schießt. Jetzt ist beim Ehemann erst mal aus mit Schneeschippen, aber auch nichts mit arbeiten und Ski fahren. Einziger Vorteil: Das Kind ist nicht allein zu Hause, wenn es schulfrei hat. hilb

In Neubiberg sind die Eltern gut organisiert. In die Realschule kommt am Freitag nur ein Schüler, in der Grundschule sind es am Montag sechs Kinder, die betreut werden wollen. Schulrektorin Susanne Sieben hatte für sie "tolle Stunden über Schulessen in Neubiberg und England" vorbereitet - mit zwei Filmen über gesundes Essen und Fastfood. Mit dabei: eine Lehramtsstudentin und vier Kolleginnen, die den ungewöhnlichen Unterricht als Fortbildung besuchen. "Den Schülern hat es viel Spaß gemacht, selbst die Erstklässler hatten den Film gut verstanden", sagt Sieben. Vanessa Weihbrecht vom Elternbeirat der Neubiberger Grundschule hat ihren Sohn, 7, dagegen zu ihrer Schwester in den Landkreis Miesbach geschickt. "Die ist erreichbar!", so Weihbrecht. abo

An der Johann-Andreas-Schmeller-Realschule Ismaning bleibt es am Montag ruhig. Alle Schüler haben die Möglichkeit wahrgenommen und sind zuhause geblieben. Die Schule hat die Eltern laut Rektor Stephan Ambrosi noch am Freitag über den E-Mailverteiler beziehungsweise telefonisch verständigt, dass der Unterricht wegen des Schnees ausfallen würd. Das Betreuungsangebot wäre aber da gewesen, zwölf Lehrkräfte waren als Notdienst im Schulhaus, außerdem eine Notbesetzung der Ganztagsbetreuung. Allein: Sie wurde nicht benötigt. "Unsere Schüler sind ja auch schon etwas älter", sagt Ambrosi. Den nicht nur unterrichts-, sondern auch schülerfreien Tag nutzen Ambrosi und seine Kollegen, um Verwaltungsarbeit zu erledigen und die Computer neu aufzusetzen. Da ist es sogar ganz praktisch, wenn es nicht den laufenden Betrieb stört. gna

Ähnlich ist die Situation in Höhenkirchen-Siegertsbrunn, wo die anwesenden Lehrer des Gymnasiums die schulfreie Zeit für diverse Besprechungen nutzen. Die angebotene Notbetreuung wurde laut Schulleiterin Claudia Gantke "minimal angenommen": Nur einer der rund 850 Schüler hat am Freitag und am Montag den Weg in das Gymnasium gefunden. Der Fünftklässler wird individuell gefördert, nacheinander betreuen ihn an beiden Tagen verschiedene Lehrer. "Die Kollegen haben das auch mit Begeisterung gemacht", sagt Gantke. Und auch der Schüler selbst habe sich über seine besondere Rolle gefreut. Stolz habe er am Montag zur Schulleiterin gesagt: "Ich kann später einmal erzählen, dass ich an zwei Tagen der einzige Schüler in der Schule war." ams

Auch in Baierbrunn bleiben die Schüler an ihren freien Tagen eher zuhause. "Nur ganz wenige Kinder sind in die Schule gekommen", berichtet die Sekretärin der Grundschule, Edith Doll. Die Lehrer hätten ohnehin Dienstpflicht, "insofern war die Notversorgung sichergestellt." Ein ähnliches Bild zeigt sich in Straßlach: "Die Lehrer sind alle da, die Kinder werden also betreut", sagt Birgit Liebhart vom Sekretariat der örtlichen Grundschule. Doch auch hier würden nur ein paar Schüler die Versorgung nutzen. ams

Im Münchner Stadtteil Thalkirchen empfängt der Sohn den Vater am Abend mit den empörten Worten: "Alle haben schulfrei, bloß ich nicht." Es ist vermutlich das erste Mal, dass der Bub bereut, dass er nicht aufs Pullacher Gymnasium gegangen ist, wie so viele andere aus seinem Viertel. wkr

© SZ vom 15.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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