Umweltbewusstsein:Die Natur als Lehrmeister

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Christina Hollerith (links) und Therese Gierlich von der Kindertagesstätte an der Vockestraße legen Wert auf Umweltbildung. (Foto: Claus Schunk)

Kinder spielen im Wald und ernähren sich gesund: Zwei Tagesstätten in Haar haben den Öko-Kids-Preis erhalten

Die Herbstsonne scheint auf den grün-blau gestrichenen Gartenzaun, das Gras dahinter bekommt langsam die ersten braunen Flecken. Auf einem Holztisch im Schatten eines Apfelbaums stapeln sich bunte Becher neben einer Karaffe mit Johannisbeer-Schorle. An einem der Äste hängt ein kleiner Müllbeutel.

Ein zweijähriger Bub läuft um den Tisch herum und stellt sich auf die Zehenspitzen, um ein zusammengeknülltes Stück Papier in die Tüte zu werfen. Er ist eines von 24 Kindern aus der Tagesstätte an der Vockestraße, die mit ihren Betreuerinnen diesen Sommer den Öko-Kids-Preis für Kindertageseinrichtungen zum Thema Nachhaltigkeit verliehen bekommen haben.

"Eigentlich hat alles damit angefangen, dass Eltern uns ein Vogelhäuschen geschenkt haben. Wir haben es jeden Tag mit Futter befüllt und irgendwann kam uns der Gedanke, dass man ja auch gemeinsam mit den Kindern die Vögel schützen könnte", erzählt Christina Hollerith und verteilt die Becher für das Mittagessen auf dem Tisch. "Also haben wir angefangen, unser Vogelfutter selbst herzustellen. Die Kinder hatten durch das Füttern im Winter jeden Tag Kontakt zu den Vögeln und ihr Verantwortungsbewusstsein wurde sofort geweckt", erzählt die Pädagogin.

Sie und ihre Kollegin Therese Gierlich versuchen seit Jahren, Umweltbewusstsein spielerisch zu vermitteln: Ende Mai finden Waldwochen statt. Dabei bringen Eltern ihre Kinder morgens zur Lichtung am Haarer Wasserturm. "Wir verbringenden ganzen Tag in der Natur, und zwar bei Wind und Wetter, da gibt es keine Ausreden", sagt Gierlich. Jeden Tag ist eine Aktion: "Manchmal gehen wir einfach mit der Lupe durch die Wiese. Außerdem versuchen wir, den Wald sauber zu halten. Die Kinder suchen dann Müll zwischen den Bäumen und wir Erzieherinnen sammeln alles mit Handschuhen ein."

Dass manch einer die betreuten Kinder mit null bis drei Jahren zu klein für so ein großes Thema halten könnte, hält sie für falsch: "Eine Beziehung zur Umwelt bauen sie sehr schnell und vor allem behutsam auf, und darum geht es", erzählt sie und deutet auf einen Baum, an dem ein kleiner Holzkasten befestigt wurde. "Immer wieder erinnern sie uns daran, dass ein Brutkasten sauber gemacht oder das Wasser nachgefüllt werden muss. Kinder werden generell von vielen unterschätzt, dabei sind sie sehr aufmerksam", sagt Gierlich und holt Kartoffeln aus der Küche des großen alten Hauses. Dazu gibt es heute Fisch.

Ihre Lebensmittel bezieht die Tagesstätte aus dem Bioladen, es wird gekocht. Das Fleisch kommt von einem Metzger aus der Gemeinde, der selbst schlachtet. Früchte kochen sie gerne selbst ein. Das wird in Zukunft noch mehr werden, denn bald bekommt die Einrichtung einen weiteren Apfelbaum für ihren Garten. Denn das ist, ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit, der Preis des Öko-Kids-Wettbewerbs.

Damit sind sie nicht die einzigen in Haar. Ebenfalls einen Baum bekommt die Kindertagesstätte MSD Kids Farm, die nur zehn Gehminuten von der Vockestraße entfernt liegt. Die zwölf Kinder und vier Pädagogen dort haben ein Kräuter-Projekt auf die Beine gestellt. "Der Vater von einem unserer Kinder ist Florist. Also haben wir ein Kräuter- und Blumenbeet aufgestellt und drinnen und draußen alles Mögliche angepflanzt", erzählt Sarah Engelhardt. Die Pädagogin arbeitet seit sechs Jahren in der Einrichtung, nachhaltiges Denken ist Teil des Alltags: Die spielzeugfreie Zeit von drei Monaten im Jahr ist natürlich geworden über die Jahre und auch der Umgang mit den Kräutern. In den Osternestern der Kinder wächst Schnittlauch. Einmal pro Woche werden die hauseigenen Kräuter in Aufstrichen und Gerichten verarbeitet. Engelhardt ist sich sicher: "Sobald die Kinder bewusst mit etwas umgehen wird ihr Forscherdrang geweckt. Es macht ihnen zum Beispiel auch Spaß, Verantwortung für ihre Kräuter zu haben, weil sie die selbst eingepflanzt haben", erzählt sie und lacht.

Beide Kindertagesstätten wollen kommendes Jahr wieder bei dem Öko-Kids Projekt mitmachen. Ideen haben sie mehr als genug: "Wir sind sehr motiviert. Aber natürlich wollen wir die Kinder nicht zu Ökofreaks erziehen, es wäre nur schön wenn es sich ein bisschen auf ihr weiteres Leben auswirkt", sagt Gierlich lachend und ruft ihre Öko-Kids zum gedeckten Mittagstisch.

© SZ vom 18.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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