Disput um Notunterkunft:Gefällt nicht

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Bald wieder Betten statt Ballspiele? Die Taufkirchner Dreifachsporthalle war schon einmal als Notunterkunft für Flüchtlinge eingerichtet. (Foto: Claus Schunk)

Mit seiner Ankündigung per Facebook, gegen eine Unterbringung von Flüchtlingen in der Turnhalle zu klagen, erntet Taufkirchens Bürgermeister massiven Widerspruch von SPD und Grünen. Freie Wähler schlagen Alternativstandort vor

Von Iris Hilberth, Taufkirchen

Die Ankündigung von Taufkirchens Bürgermeister Ullrich Sander (parteifrei), eine erneute Unterbringung von Asylbewerbern in der Dreifachturnhalle der Gemeinde notfalls auch mit Rechtsmitteln zu verhindern, stößt im Gemeinderat auf Empörung. "Diesen Weg gehen wir nicht mit", betont SPD-Fraktionsvize Matteo Dolce. In einer gemeinsamen Sitzung mit den Grünen hätten sich beide Fraktionen klar auf die Ablehnung dieses Vorgehens verständigt. Dies sei definitiv das falsche Signal. "Dadurch wird der Eindruck erweckt, Taufkirchen wehre sich gegen die Aufnahme von Asylbewerbern. Das ist nicht der Fall", teilt die SPD mit. Der Bürgermeister schlage mit seinem Vorgehen einen Kurs ein, der zu keinem Zeitpunkt mit dem Gemeinderat abgestimmt worden sei, "und von uns in keiner Weise mitgetragen wird". Sander hatte via Facebook eine Klage gegen das Landratsamt angedroht, nachdem die Behörde ihn telefonisch darüber informiert hatte, dass die Halle erneut als Notunterkunft für Flüchtlinge vorgesehen ist.

Noch hat die Gemeinde keinen schriftlichen Bescheid des Landratsamts erhalten. "Dieser erfolgt im Moment auch noch nicht, doch ich muss Vorsorge treffen", sagt dazu Landrat Christoph Göbel (CSU). Er verweist auf die jüngsten Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Um eine schnelle Unterbringung der Asylbewerber sicher zu stellen, müsse der Landkreis verübergehend wohl auch Turnhallen nutzen, "sonst müsste ich Zelte aufstellen", so der Landrat. Derzeit würden daher "alle Sporthallen" im Landkreis auf ihre Tauglichkeit hin untersucht. In Taufkirchen und Pullach sei diese Prüfung bereits für den Winternotfallplan erfolgt; in Taufkirchen waren bereits von Februar bis Ostern 140 Flüchtlinge untergekommen.

Außer in Taufkirchen sollen nun auch in der Turnhalle der Josef-Breher-Mittelschule in Pullach Flüchtlinge unterkommen. Pullachs Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) wirbt in einem Brief an die Anwohner der Halle um Verständnis für diese Notmaßnahme. Die Halle werde für die Ankunft der Flüchtlinge vorbereitet. Diese würden voraussichtlich in den "nächsten Wochen" kommen. Konkrete Angaben zum genauen Zeitpunkt, zu Belegungszahlen und zur Dauer der Unterbringung habe das Landratsamt bislang nicht machen können, sagt Tausendfreund.

In Taufkirchen wird derweil über die zweite Belegung der dortigen Halle intensiv debattiert: Dass eine Notunterkunft in der Sporthalle "keine geeignete Lösung" ist - weder für die Flüchtlinge noch für den Sportverein - findet auch die SPD. Es habe sich bereits gezeigt, dass die Raumverhältnisse dort viel zu beengt seien, und die Privatsphäre der einzelnen Menschen nicht gewährleistet sei. Auch werde das Verständnis des Vereins erheblich aufs Spiel gesetzt. Vize-Bürgermeister Alfred Widmann (SPD) betont allerdings: "Der Bedarf an Plätzen für eine Unterbringung besteht, und wir werden diesen als Gemeinde vorübergehend bedienen müssen." Matteo Dolce ist in seiner Kritik weniger zurückhaltend: "Ich frage mich langsam, ob das vermeintliche Verständnis für die Situation der Flüchtlinge teilweise von manchen Entscheidungsträgern nur gespielt ist." Auch der Taufkirchner Grünen-Kreisrat Christoph Nadler findet klare Worte zu dem Vorhaben des Bürgermeisters: "Taufkirchen kann sich nicht als eine von wenigen Gemeinden im Landkreis der Verantwortung entziehen. Dagegen jetzt auch noch zu klagen, schlägt dem Fass den Boden aus." Die menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen, die oft Schlimmes durchgemacht hätten, sei sicherlich höher zu bewerten als die Interessen der Sportvereine. "Bürgermeister Sander fehlt dafür offensichtlich jedes politisches Gespür", findet er. Seiner Ansicht nach trägt die Gemeinde jetzt die Folgen ihrer Untätigkeit der vergangenen Jahre.

Tatsächlich ist noch immer nicht klar, ob und wann in Taufkirchen eine Flüchtlingsunterkunft errichtet werden kann. Zwar hatte sich der Gemeinderat nach einer Bürgerbefragung auf den Standort Kegelfelder verständigt. Doch befindet sich das Areal in privater Hand, und noch gibt es keine erfolgreichen Ergebnisse der Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern zu melden. Die Freien Wähler (FW) haben daher einen Dringlichkeitsantrag gestellt, auf ein anderes, und zwar gemeindeeigenes Areal auszuweichen. Sie schlagen als Standort einen Teil der Zirkuswiese im Freizeitpark vor, die auch das Landratsamt bei einem Ortstermin bereits als geeignet befunden habe. Der FW-Gemeinderat und ehemalige Bürgermeister Eckhard Kalinowski fordert: "Da eine längerfristige Nutzung der Sporthalle eine prekäre und existenzbedrohende Situation für unsere Sportvereine bedeutet, sollte die Gemeinde Taufkirchen diese Option ohne Zögern wahrnehmen."

© SZ vom 13.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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