Streit um Autobahnring:Nord gegen Süd

Lesezeit: 2 min

Flughafen und Kläranlagen im Norden, Seen und Wälder im Süden: Der geplante Lückenschluss des Autobahnrings spaltet die Münchner Umlandgemeinden.

Marco Völklein

Schon mal was von den "Südstaatlern" gehört? Die treiben sich angeblich im Münchner Umland herum. Zumindest wenn es nach Peter Paul Gantzer geht, dem SPD-Landtagsabgeordneten aus dem Münchner Norden. Als er am Mittwochabend beim SZ-Verkehrsparlament den Begriff in die Diskussion zum Autobahn-Südring einbrachte, erntete er wenigstens ein paar Lacher. Ansonsten aber musste sich Gantzer, klarer Befürworter der geplanten Autobahn zwischen Gräfelfing und Taufkirchen, viel Kritik aus dem Münchner Süden anhören. Der Streit um die Autobahn spaltet die Region. Die Gemeinden im Norden stehen gegen die im Süden. Und die Stadt München mittendrin.

Abgase statt Frischluft: Der Münchner Norden fordert eine Verkehrsentlastung, während der Süden sich die grüne Oase nicht mit einer Autobahn verbauen lassen will. (Foto: sz.sonstige)

Worum geht's? Vor kurzem hatte die Oberste Baubehörde eine Studie vorgelegt. Die zeigt, dass eine Verbindung zwischen der A995 bei Taufkirchen und der A96 bei Gräfelfing machbar wäre. Nun tobt der Streit um die geplante Autobahn heftiger denn je. Der Münchner Süden will sie unbedingt verhindern, der Norden fordert sie. Vehement sogar.

So zählt SPD-Mann Gantzer auf, mit welchen Belastungen die Menschen im Norden zu kämpfen haben: zwei Mülldeponien, zwei Großkläranlagen, die Müllverbrennungsanlage der Stadtwerke, der Flughafen, der Hubschrauberlandeplatz der Bundespolizei in Oberschleißheim sowie die Allianz-Arena, die regelmäßig die Autokolonnen der Fans anzieht. Und dazu noch die vielbefahrenen Autobahnen A9 und A99. "Wir sind der Abfalleimer der Region", sagt Gantzer. Der Münchner Süden dagegen habe es gut: Kaum Autobahnen, und die Müllverbrennungsanlage in Thalkirchen wurde stillgelegt. "Es ist an der Zeit, dass der Norden entlastet wird", fordert der Parlamentarier.

Durch eine Vollendung des Münchner Autobahnrings würde dies geschehen: Autofahrer auf der A8 aus dem Süden kommend würden die A99-Ost meiden und über den Südring direkt zur Lindauer oder Stuttgarter Autobahn gelangen. Im Schnitt 10000 Autos weniger am Tag würden über die Trassen im Norden rollen, prognostiziert die Machbarkeitsstudie. Gantzer: "Das wäre eine merkliche Entlastung für den Norden."

Der Süden allerdings sträubt sich: "Klar hat auch der Süden eine Verantwortung für die Region", erklärt Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle (CSU). Diese Verantwortung bestehe aber zum Beispiel auch darin, dass die Wälder im Süden als Frischluftschneisen zur Verfügung stehen oder Trinkwasser liefern, "von dem auch die Gemeinden im Norden profitieren", so Schelle: "Der Südring zerschneidet die Wälder und zerstört diesen Naturraum." Unterstützung erhält er von Christian Hierneis vom Bund Naturschutz: Perlacher und Grünwalder Forst sowie der Forstenrieder Park seien seit Jahrzehnten ein Erholungsraum für die Menschen aus München und dem Umland. "Und jetzt machen wir ihn kaputt", so Hierneis.

Die Stadt München, zumindest räumlich zwischen den streitenden Gemeinden, schlägt sich auf die Seite der Südgemeinden: "Für die Menschen ist es wichtig, dass sie sich aufs Rad setzen und ins Grüne fahren können", sagt Klaus-Michael Dengler vom Planungsreferat. Dazu aber müssten die Erholungsräume in der Nähe der Stadt zur Verfügung stehen und nicht von einer Autobahn zerschnitten werden. Hinzu komme, dass der Bau des Südrings "in Konkurrenz steht zu anderen wichtigen Projekten in der Region", sagt Dengler - beispielsweise dem Erdinger Ringschluss und dem neuen S-Bahntunnel, zwei Projekten also, die den Flughafen besser anbinden und dafür sorgen sollen, dass weniger Reisende auf den Autobahnen zum Airport fahren. Dengler: "Das hilft natürlich auch dem Münchner Norden." Gehe das Geld in den Südring, fehle es für diese Projekte.

"Auch Schäftlarn und Grünwald ersticken im Verkehr", hält Nikolaus Dezasse dagegen, ehemals ADAC-Lobbyist und Autor von "A99 - Das Ringbuch". Wenn es genügend Anschlussstellen gäbe, würden Autofahrer, die jetzt noch durch die Orte rollen, auf die A99-Süd ausweichen. Auch der Abschnitt der A99 im Osten habe die Gemeinden dort entlastet. Da aber widerspricht Oberhachings Bürgermeister Schelle: "Wenn dem so wäre, hätte Aschheim kein Verkehrsproblem." Tatsächlich aber baut die Gemeinde gerade eine Umgehungsstraße, um die Autos fern zu halten. An der Situation sei die Gemeinde aber auch selbst schuld, sagt Schelle: "Wenn ich in einem Gewerbegebiet zwei Möbelhäuser ansiedle", wie in Aschheim geschehen, "darf ich mich nicht über mehr Verkehr beschweren".

© SZ vom 11.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: