Serie: Oh, mein Gott:In direkter Beziehung

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Die drei Glocken von St. Konrad sind computergesteuert, das bedeutet, Mesner Rolf Neumann könnte seine Uhr nach der Glocke stellen. (Foto: Angelika Bardehle)

Rolf Neumann ist Mesner in St. Konrad und als solcher immer präsent in der Pfarrei. Der 62-Jährige gehört seit seiner Jugend der Fokolar-Bewegung an, lebt mit Gleichgesinnten in einer Wohngemeinschaft und hat sich ein zölibatäres Leben auferlegt

Von Bernhard Lohr, Haar

Es ist nichts Genaues ausgemacht. Rolf Neumann bleibt beim Telefonat relativ unkonkret. Man solle nur vorbeikommen, in den Bau neben der St.-Konrad-Kirche. Dort werde man ihn schon antreffen. So etwa hat er das formuliert. Und genau so ist es dann auch. Stimmen weisen dem Besucher beim Betreten des Pfarrheims schnell den Weg in den Pfarrsaal, wo der Mesner gerade mit Chorleiterin Christa Maria Hell neben einer Verstärkeranlage steht und mit Kabeln hantiert.

Er lacht sofort, kommt mit offenem Blick und ausgestrecktem Arm auf einen zu. Schnell ist klar: Rolf Neumann ist ein Mensch, der sich finden lässt, Menschen anzieht wie ein Magnet und für die Menschen da ist; einer, der die Räume Pfarrei St. Konrad mit seiner Anwesenheit beseelt.

So empfindet man das, wenn man ihm begegnet. Und der Eindruck bestätigt sich, wenn man mit dem 62-Jährigen durch die Sakristei läuft und mit dem gut gelaunten Mann die Treppe hoch zu den Glocken von St. Konrad erklimmt. Irgendwann begegnet einem wieder die Chorleiterin, die sich in freundlichem Plauderton verabschiedet. Derselbe Ton schwingt mit, als die junge Frau, die im Pfarrheim die Räume sauber hält, auf Wiedersehen sagt. Bis nächste Woche, sagt sie. "Wie soll ich das nur so lange aushalten", sagt Neumann.

Die drei Glocken von St. Konrad sind computergesteuert, das bedeutet, Mesner Rolf Neumann könnte seine Uhr nach der Glocke stellen. (Foto: Angelika Bardehle)

Der Messwein darf nicht ausgehen

Rolf Neumann scheint wie geschaffen für die Aufgabe bei St. Konrad. Er ist Mesner und ist damit unverzichtbarer Bestandteil des kirchlichen Lebens in der Pfarrei. Er kümmert sich darum, dass der Messwein nicht ausgeht und genügend Hostien vorrätig sind. Er zündet vor dem Gottesdienst die Kerzen in der Kirche an und bestellt und drapiert vor hohen Feiertagen wie jetzt an Ostern den Blumenschmuck.

Ohne ihn würde vieles nicht funktionieren im Haus, ausgehend von der Tonanlage für das Chorkonzert bis hin zum Läuten der Glocken. Er besorgt die Semmeln, wenn sich 20 Leute nach den Morgenlaudes zum Frühstück zusammensetzen. Aber er singt bei den Laudes auch mit. "Ich bemühe mich, die Töne zu treffen", sagt er, was bei den gregorianischen Chorälen gar keine so leichte Übung sei.

"Es gibt so viele nette Leute."

Der Mesner ist eine Art Hausmeister, und kann in einer Pfarrei auch sehr viel mehr sein. Bei Neumann steckt schon mehr dahinter. Er schätzt das Leben in einer Gemeinschaft, das Miteinander. "Es gibt so viele nette Leute", sagt er in seiner Art, "wenn man nett auf sie zugeht."

Neumann ist in Essen aufgewachsen, seine tiefgläubige Mutter prägte ihn, er war früh Ministrant und erwog nach dem Abitur auch mal, die Priesterlaufbahn einzuschlagen. Doch dann lernte er mit Anfang 20 die Fokolare-Bewegung kennen. Diese im Jahr 1943 von der vom christlichen Glauben erfüllten Chiara Lubich in Trient gegründete Institution verfolgt das Ziel, wie es heißt, den Geist der Geschwisterlichkeit in alle Bereiche des menschlichen Lebens hineinzutragen.

Es ist eine ungewöhnliche Organisation, nicht nur weil aus Prinzip eine Frau an ihrer Spitze steht. Die Fokolaren, von denen es in Deutschland 35 000 gibt und weltweit zwei Millionen, propagieren auf der Grundlage des christlichen Liebesgebots Toleranz und Respekt gegenüber dem Nächsten.

Er ist Mitglied der Fokolar-Bewegung

70 000 Menschen ohne religiöses Bekenntnis gehören der Organisation an, und auch 30 000 Angehörige der großen Religionen wie Judentum, Islam, Buddhismus und Hinduismus. Rolf Neumann begeisterte sich in seiner Jugend für den internationalen Charakter der in 182 Ländern aktiven Fokolar-Bewegung.

Er schloss sich dieser an und ging nach Florenz, wo er in einer Art Wohngemeinschaft mit Gleichgesinnten lebte und wirkte. Eine wunderbare Stadt, schwärmt er, das Grün, die Blumen, die Oliven - und dazu die Begegnung mit Menschen aus aller Welt. "Ganz wesentlich", sagt er, sei für ihn "das gemeinschaftliche Leben".

An ein Mesner-Dasein dachte er damals nicht. Die Menschen in der Fokolare-Bewegung gehen ganz unterschiedlichen Berufen nach. Neumann machte als Fokolare viel Jugendarbeit und wurde Programmierer. Er lebte in Fribourg in der Schweiz und schließlich in Augsburg, bis er arbeitslos wurde und sich angesichts seines in seiner schnelllebigen Branche fortgeschrittenen Alters umorientierte und sich ganz einfach auf die ausgeschriebene Stelle eines Mesners in St. Konrad bewarb.

Dort hat er seine Bestimmung gefunden. Bei St. Konrad in Haar, sagt der 62-Jährige, könne er sich vorstellen, bis zur Rente zu bleiben, weil er dort auch Teil einer Gemeinschaft ist, die er befruchtet und die ihm viel gibt.

Er lebt in einer Wohngemeinschaft

Neumann lebt in einer Wohngemeinschaft mit sechs anderen Männern der Fokolare-Bewegung in Harlaching. Er hat ein Gelübde abgelegt und sich für ein zölibatäres Leben entschieden. Vom Leben und von der Rolle des Pfarrers freilich sieht er sich in der Pfarrei weit entfernt. Er unterstütze diesen, sagt er. Er bringt sich mit seinem Hintergrund auch in geistlich-seelsorgerischer Hinsicht in das Leben der Pfarrei in seiner ganzen Bandbreite ein. "Wir haben in der Woche zwei, drei Beerdigungen", sagt Neumann. Da stehe dann immer einer "gerade vor Gott".

Das beschäftige einen, da trauere man mit den Angehörigen. "Das lässt dich jede Woche nachdenken." Genauso ist Neumann dann freilich dabei, wenn Taufen oder Hochzeiten gefeiert werden oder wenn, wie jetzt im April, eine Gruppe junger Menschen sich auf die Firmung vorbereitet. Neumann arbeitet in der Firmgruppe mit, wenn sich die Teenager mit Fragen der Persönlichkeitsfindung befassen, mit Gott und dem Heiligen Geist. Er teilt sich die Aufgabe mit einer Kollegin. "Es macht mir einfach Spaß, zu zweit zu arbeiten."

Das Eingeständnis der Schwäche als Gekreuzigter

Wer Rolf Neumann so reden hört, wundert sich nicht, dass er seinen Glauben zu Gott als Beziehungskiste beschreibt. Es ist eine Beziehung zu einem Gott, der durch das Eingeständnis seiner Schwäche als Gekreuzigter die Botschaft der Liebe zu den Menschen hinterlassen hat. Für die Fokolar-Bewegung steht der leidende Sohn Gottes mit Mutter Maria darunter für die Hinwendung Gottes zu den Menschen. Es ist eine Wechselwirkung, ein Geben und Nehmen für jemanden wie Neumann. Gott für ihn? "Ich glaube an ihn, weil ich eine Beziehung zu ihm habe."

© SZ vom 02.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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