Serie: "Menschen am Fluss":Immer auf dem Sprung

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Allzeit bereit: Nina Rammler ist mit ihrer Notfallausrüstung an der Isar unterwegs. (Foto: Stephan Rumpf)

Nina Rammler sorgt für Sicherheit in und an der Isar - bei der Kreiswasserwacht am Flaucher und an der Marienklause

Von Charlotte Schulze, München

Es war Mord, das wird die Obduktion später ergeben. Doch noch treibt der Körper regungslos in der Isar. Dann: Cut. Die nächste Szene der ZDF-Serie "Die Chefin" übernimmt wieder Schauspielerin Maria Schrader. Nina Rammler, das Double, kann ihren nassen Kopf aus dem Wasser heben und Luft holen.

Eigentlich beobachtet Nina Rammler, 29 Jahre alt, Gewässer am liebsten aus normaler Perspektive - wenn sie nicht gerade eine Wasserleiche mimt. Besonders die Menschen an der Isar hat sie im Blick. Denn Rammler ist ehrenamtlich bei der Kreiswasserwacht München aktiv, als eine von insgesamt 60 Freiwilligen. Pro Jahr registrieren sie und ihre Kollegen ungefähr 250 Einsätze. Aber nur bei einem Bruchteil handelt es sich um klassische Wasserrettungen. "Am häufigsten müssen wir Schnittwunden durch Scherben und Brandwunden von Feuerstellen behandeln", berichtet Rammler. Mit Funkgerät und Rettungsrucksack stapft sie durch den Kies am Isarufer.

Für die ausgebildete Rettungssanitäterin und Fachkrankenschwester für Intensivmedizin sind solche Einsätze Routine. Trotzdem: "Wir können nie wissen, was uns erwartet und müssen immer mit dem Schlimmsten rechnen." Denn auch um Notfälle muss sich Nina Rammler kümmern, wenn auch selten: Wenn zum Beispiel Jugendliche die Hinweisschilder an der Marienklause falsch deuten und in einem Schlauchboot sitzen, das auf Seen gut aufgehoben ist, nicht aber auf der schäumenden, steinigen Isar. Dann in die Wasserwalze geraten. Kentern. Von alleine kommen die Jugendlichen dort nicht mehr raus. Wenn ein Notruf bei der Wasserwacht am Flaucher eingeht, bleibt nicht viel Zeit. Die Ausrüstung greifen und auf dem Elektrorad losstrampeln. Zu zweit treffen sie am Unfallort ein. Einer sichert am Ufer, der anderen springt in den Fluss - mit Neoprenanzug, rutschfesten Schuhen, Helm und Wildwasserweste. "Die Gefahr ist auch für uns wahnsinnig groß, wenn wir ins Wasser gehen. Ein Ertrinkender handelt nicht rational, man ist ihm in diesem Moment in jedem Fall körperlich unterlegen." Deswegen versuchen die Retter möglichst von Land aus einzugreifen. Ein Hilfsmittel dafür ist der Wurfsack, ein Beutel mit Seil, das der Hilfesuchende im Wasser greifen kann.

Die Reaktionen der Geretteten seien unterschiedlich. "Viele stehen noch unter Schock und müssen erst einmal realisieren, was passiert ist", berichtet Rammler. Andere stellen sich stur und wollen sich nicht untersuchen lassen. "Aber wenn jemand auf den Kopf gefallen ist, braucht er mir nicht zu sagen, dass er in kein Krankenhaus muss." Neulich aber sei eine türkische Großfamilie im Wachraum gestanden und habe sich bedankt, weil die Mannschaft zuvor ein Kind der Familie aus dem Wasser gezogen hatte. Solche Gesten seien allerdings die Ausnahme.

Bis zu 20 Stunden pro Woche ist Rammler in der Wache, hinzu kommt das Schwimmtraining. Dass sie neben ihrem Job im Klinikum Großhadern soviel Zeit in ihr Ehrenamt steckt, findet sie in Ordnung: "Wir sind wie eine große Familie. Im Sommer grillen wir und im Winter gehen wir Ski fahren."

© SZ vom 20.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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