Serie: Menschen am Fluss:Das Bayerischste überhaupt

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Jason Charles Stich-Seitner kam der Liebe wegen aus der Karibik an die Isar. Die Ehe zerbrach, doch die Leidenschaft für die Flößerei ist geblieben

Von Barbara Brießmann

Wenn einer in Bayern war, aber nie aufm Floß, der war ned in Bayern." Was klingt wie ein Werbespruch kommt aus dem Mund von Jason Charles Stich-Seitner. Der 38-Jährige, der auf "Boarisch" Wert legt, kann seine englischsprachigen Wurzeln dennoch nicht ganz kaschieren. Das Bairische braucht der Mann aus der Karibik für seine Arbeit, seiner Meinung nach die bayerischste überhaupt: Jason Stich-Seitner ist Flößer. Vor 13 Jahren kam er aus seiner karibischen Heimat Tobago nach Wolfratshausen, der Liebe wegen.

Damals machte Floßmeister Josef Seitner Familienurlaub auf Tobago, seine Tochter verliebte sich im Ferienressort in Hotelfachwirt Jason. Und er sich in sie. Der junge Mann folgte seinem Herzen und seiner Angebeteten - an die Isar. Sein erster Eindruck von Deutschland: "kalt". Damit meint er weniger das Wetter als das zwischenmenschliche Klima. "Bei uns in der Karibik wird jeder freundlich empfangen", sagt er. Hier habe es eher geheißen: "Was bist denn du für einer?"

Jason Stich-Seitner konnte die Sprache noch nicht, war Außenseiter. Aber er lernte schnell, zuerst Deutsch, dann Bairisch. Acht Monate arbeitete er in München in seinem Beruf, im Hotel Hilton am Tucherpark. Dann brauchte sein Schwiegervater Sepp Seitner wegen internationaler Floßgesellschaften einen Mitarbeiter, der fließend Englisch spricht. Stich-Seitner fuhr auf den Flößen mit - und war hingerissen.

Zwei Jahre später legt er die Prüfung ab, hat ein eigenes Floß. "Ohne meinen Schwiegervater hätte ich das nicht geschafft", sagt er über seinen Chef, der schon lange nicht mehr sein Schwiegervater ist. Seine Ehe zerbrach nach vier Jahren, seiner Leidenschaft, der Flößerei, ist der 38-Jährige nach wie vor treu. "Spinnst du?" fragen seine Freunde in der Karibik, wenn er ihnen Fotos und Filme von seinem Job zeigt. "Ich würde mir den Rücken ruinieren, meinen sie", erzählt Stich-Seitner lachend. Er weiß, dass die Bilder, auf denen er ein 20 Tonnen schweres Floß, beladen mit 60 Menschen, über Loisach und Isar von Weidach nach München manövriert, beeindruckend sind.

Beeindruckend wirkt auch er, wenn er sein Floß steuert: ein Schwarzer mit Rastalocken in Lederhose und mit Trachtenhut. "Da werde ich vom Ufer aus, aber auch von den Gästen auf dem Floß viel fotografiert." Jason Stich-Seitner liebt die Gaudi, die Stimmung an Bord. "Es is' so schee, wenn die Leut' singen und Spaß haben." Dafür sorgt auch d wie ein Animateur. "In Sachen Party ist das Floß von meinem Kollegen und mir die Nummer eins." Nur bei einer Passage auf der Isar mahnt er das Partyvolk zur Ruhe. "Setzt euch hin, genießt es", sagt er dann. "Sowas Schönes seht ihr so schnell nicht wieder." Seine Lieblingsstelle auf dem Fluss: von der Aumühle runter zum Georgenstein.

Er liebt die Isar. Ihr schenkt er auch immer einen letzten Blick, bevor er sich um Weihnachten herum bis Mitte April in die Karibik verabschiedet. "Gerade im Winter, mit Eiszapfen, da glänzt der Fluss besonders schön." Diese Bilder nimmt er mit dorthin, was er als "dahoam is dahoam" bezeichnet. Allerdings vermisst er Bayern auch schnell. "Das Weißbier vor allem", schwärmt er, "des is' narrisch guat." Narrisch macht ihn in der Karibik inzwischen auch die Mentalität nach dem Motto "wenn nicht heute dann morgen". "Seit acht Jahren baue ich auf Tobago eine Ferienwohnung. Wenn ich sage, um sieben machen wir weiter, und die Mitarbeiter kommen dann um neun, da werde ich stocksauer." Sein Faible für Pünktlichkeit habe sich in seiner Heimat schon herumgesprochen, schmunzelt er.

Noch etwas fehlt dem 38-Jährigen von Jahr zu Jahr mehr, wenn er im Winter in der sommerlichen Karibik weilt: "Das Klima", sagt er. "Ich bin kein Hitzemensch, suche den Schatten unter Palmen." Trotzdem liebt der Flößer sein Leben in zwei Welten, er findet es hier wie dort "einfach guad". Denn seit er dazugehört, bei den Flößern und in Bayern, gefällt es ihm so richtig: "Ich bin reingerutscht", sagt er über seinen Platz in der hiesigen Gesellschaft. Deswegen lässt er keine Gelegenheit aus, seinen Mitmenschen in der Karibik zu zeigen, wie es wirklich ist. "Das Fernsehen zeigt ja nur Klischees", bedauert er. "Bayern ist doch nicht das Oktoberfest." Wenn er über Skype telefoniert, zeigt er Freunden schon mal Landestypisches wie einen Maßkrug, aber auch eine Halbe, wie sie üblicherweise getrunken wird. Jason berichtet vom Essen, das für ihn gewöhnungsbedürftig war. "Es ist ganz anders als in der Karibik, aber ich mag's." Er schickt Bilder aus Bayern, wie er es kennt und schätzt. Keinen Kitsch, sondern Kultur. Dazu passt die Flößerei, "des is' des Boarischste überhaupts".

© SZ vom 25.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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