Schulpolitik:Wer soll das bezahlen?

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Die Ferien gehen zu Ende und die Kommunalpolitiker befassen sich wieder einmal mit dem Ausbau der weiterführenden Schulen - und dessen Kosten. Im Kreistag geht es am Dienstag vor allem um die Folgen des G9

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Für weit mehr als 13 000 Gymnasiasten beginnt im Landkreis München an diesem Dienstag wieder der Alltag: Morgens aufstehen, dann ab in S-, U-Bahn oder Bus, stundenlang still sitzen und pauken, nachmittags heim zu Hausaufgaben, Fußballtraining, Musikstunde oder Freundin. Routine wird einkehren an den Schulen, die den Kreispolitikern in diesen schon herbstlichen, aber bildungspolitisch gesehen heißen Tagen nicht vergönnt ist.

Die weiterführenden Schulen werden am Dienstag erstmals nach der Sommerpause wieder im Fokus der Kreispolitik stehen. Der Ausschuss des Kreistags für Bauen und Schulen schickt sich an, wegweisende Entscheidungen zu fällen. Wieder einmal. Denn kein Thema unterliegt im bevölkerungsreichsten Landkreis einer derartigen Dynamik wie der Bau neuer Berufsoberschulen, Realschulen und Gymnasien. Und vor allem deren Finanzierung.

Wenn die Mitglieder des wichtigen Ausschusses am Dienstag zusammenkommen, werden sie sich genau mit dieser Frage befassen müssen. Ein wenig wider Willen. Denn der Freistaat hat mit seiner im Frühsommer beschlossenen Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium vollkommen veränderte Verhältnisse geschaffen. Umstände, die insbesondere für den Landkreis München sehr, sehr teuer werden könnten.

Kurz zu den harten Fakten: Bald werden im Landkreis 16 staatliche Gymnasien in Betrieb sein. Oasen, sagen die Verantwortlichen gerne. Das klingt modern und soll suggerieren, Stress spiele hier keine Rolle. Tatsächlich hat der Landkreis als Schulstandort in den vergangenen Jahren derart an Attraktivität gewonnen, dass bald mehr Schüler aus der Landeshauptstadt die Schulen im Kreis besuchen werden als umgekehrt.

Während böse Zungen behaupten, dass in München in den altehrwürdigen Bildungseinrichtungen der Putz von den Wänden bröckelt, hat der Kreis seit Jahren viele Millionen in den Neu- und Ausbau seiner Schulen investiert. Das Gymnasium in Unterföhring, das noch gar nicht steht,werden dereinst hauptsächlich Münchner Schüler besuchen, mehr als zwei Drittel werden aus der Landeshauptstadt kommen. Das besagt der runderneuerte Schulbedarfsplan, der am Dienstag im Landratsamt eine wichtige Rolle spielen wird.

Die Rückkehr zum G 9 verändert so einiges. Vor allem wird vieles teurer. An dieser Stelle macht das Kultusministerium eine eigene Rechnung auf - anhand des Raumbedarfs: Ein vierzügiges Gymnasium im G 8 hat 24 Klassen in den Jahrgangsstufen fünf bis zehn; beim G 9 wird die Schule bei einem Jahrgang mehr auf 28 Klassen anwachsen. Der Raumbedarf steigt also um elf Prozent. Bayernweit geht das Kultusministerium von Mehrkosten in Höhe von etwas mehr als einer halben Milliarde Euro aus. Auf den Landkreis München würden bei der Umstellung 71,4 Millionen Euro entfallen, aufgeteilt in zusätzliche Baukosten aufgrund der Demografie (26,8 Millionen Euro) und der Rückkehr zum G 9 (44,6 Millionen Euro). Da die tatsächlichen Baukosten im Landkreis München aber von den durchschnittlich angenommen Summen massiv abweichen, geht die Verwaltung im Landratsamt von 85,7 Millionen Euro für die notwendigen Erweiterungen aus.

SPD und Grüne im Landkreis haben daher Anträge gestellt, den Freistaat zur Übernahme aller Kosten zu bewegen, die durch das neunjährige Gymnasium entstehen. "Für uns ist vollkommen klar, dass hier das Konnexitätsprinzip greift", sagt SPD-Fraktionssprecherin Ingrid Lenz-Aktas. "Der Freistaat muss seiner Verantwortung gerecht werden." Wer bestellt, der muss auch bezahlen, sagt Grünen-Fraktionschef Christoph Nadler. "Und der Freistaat will das G 9." Auch Landrat Christoph Göbel (CSU) hat angedeutet, aus seiner Sicht müsse sich der Freistaat finanziell "beteiligen". Bisher hat das Ministerium mitgeteilt, das Konnexitätsprinzip in den Gesetzentwurf zum G 9 zwar mitaufnehmen zu wollen, allerdings müsse jeder Neubau und jede Schulhauserweiterung einzeln geprüft werden. Damit werden sich die Kreispolitiker wohl nicht abspeisen lassen. Die Debatte am Dienstag könnte hitzig werden.

Es gibt zudem Stimmen unter den Kreisräten, die den Machern der Studie vorwerfen, zu zurückhaltend zu agieren. Ihre Prognosen seien zu niedrig angesetzt. Die Kritik hat ihre Berechtigung. Denn mit der rasanten Entwicklung beim Bau von Schulen hat der Schulbedarfsplan selten mithalten können, obwohl er die Grundlage für den Bedarf neuer Gymnasien darstellen sollte.

Nichtsdestotrotz sind die neuen Zahlen faszinierend wie alarmierend. Die neue Prognose für das "Neue Bayerische Gymnasium", wie das G 9 im Kultusministeriums-Deutsch genannt wird, prophezeit dem Landkreis bis ins Jahr 2035 nahezu 20 400 Gymnasiasten. Zu Beginn des vergangenen Schuljahres waren es 13 891, mit Beginn der Wiedereinführung des G 9 zum Schuljahr 2018/19 sollen es 14 590 Schüler sein, 2024 mehr als 16 000 und so weiter und so fort. Eingerechnet sind hierbei das im Bau befindliche Gymnasium Ismaning, das beschlossene in Unterföhring -der Standort Aschheim ist noch nicht berücksichtigt - und der Neubau in Kirchheim.

Letzterer könnte übrigens bis zu 80 Millionen Euro kosten. Eine Zahl, die nicht nur aber auch dem G 9 geschuldet ist. Bliebe es bei den 16 Gymnasien, was alle politischen Kräfte ausschließen, würden im Jahr 2035 nahezu 2000 Schüler das Kirchheimer Gymnasium besuchen. Es werden also weitere Neubauten folgen müssen.

Landrat Christoph Göbel (CSU) hat unlängst im Gespräch mit der SZ ein zweites Gymnasium in Unterschleißheim vorsichtig ins Gespräch gebracht, als Entlastung für das bestehende Carl-Orff-Gymnasium. Seine Stellvertreterin Annette Ganssmüller-Maluche (SPD) sprach sogar von einer Zukunft mit 25 Gymnasien im Landkreis. Wer aber soll das bezahlen?

© SZ vom 11.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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