Schienenersatzverkehr:Das große Chaos bleibt aus

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Da geht's lang: Helfer sind am Montagmorgen an den S-Bahnhöfen schnell zur Stelle. (Foto: Marco Einfeldt)

Bahn und Pendler sind am ersten Werktag der S-1-Sperre gut vorbereitet. Wer ratlos schaut, hat sofort einen Helfer an der Seite. Trotzdem verfährt sich mancher

Von C. Lipkowski, T. Schröder und N. Tausche, Unterschleißheim/Freising

Das von Pendlern befürchtete Chaos am ersten Werktag der großen Bahnsperrung zwischen Freising und München ist weitgehend ausgeblieben. Am Montagmorgen zeigen sich nicht nur Vertreter der Deutschen Bahn bei einem Pressegespräch zufrieden mit dem bisherigen Schienenersatzverkehr. Auch die Pendler an den Haltestellen, in den Bussen, am Flughafen-Besucherpark und in Freising erdulden unaufgeregt die Änderungen im Fahrplan.

Am Freisinger Bahnhof eilen Helfer in orangefarbenen Westen herbei, sobald sich jemand ratlos umschaut. Die Mitarbeiter der "DB Sicherheit" stünden seit fünf Uhr früh an allen Ersatzbahnhöfen bereit, sagt Michael Feuser, Sprecher der S-Bahn München. Sie seien extra dafür geschult worden. Ganz reibungslos läuft es allerdings nicht, eine aufgelöste junge Frau läuft über den Bahnsteig und sucht nach der schnellsten Verbindung nach Karlsfeld. Zuvor hatte ihr ein Bahnhelfer am Flughafen geraten, zunächst nach Freising zu fahren. "Ich habe mich total verfahren", sagt sie, ruft noch "Katastrophe" und eilt zum Bus 635, um wieder zum Flughafen und dann mit der S-Bahn weiter zu fahren.

Am Besucherpark am Flughafen nutzen Pendler die S-Bahn oder den Ersatzbus. Viel ist am Montagmorgen nicht los - weder auf der Glasbrücke Richtung Bushaltestelle noch in den Bussen selbst. Ein Bahnmitarbeiter erklärt das damit, dass viele Fahrgäste lieber direkt die S-Bahn nach Freising nehmen. Diese fährt ein bis zwei Mal pro Stunde und ist gerade abgefahren. Außerdem pendelten morgens mehr Fahrgäste von Freising nach München als umgekehrt, so der Mitarbeiter: Er rechnet deshalb für den Nachmittag mit vollen Bussen nach Freising. Als ein Bus aus Freising ankommt und ein Schwung Fahrgäste aussteigt, ist von genervter Stimmung nichts zu spüren. Der Bahnmitarbeiter ruft, wo es zur S-Bahn nach München langgeht, ein Fahrgast witzelt: "Das müssen Sie heute wohl noch tausend Mal sagen." Eine Reisende sagt, sie habe mehrmals die Helfer der Bahn gesehen: "Wenn das mit dem Schienenersatzverkehr so bleibt, ist es okay."

Über Details gibt es aber Unklarheiten. Nina Sterner, 25, hatte an sich ein Bayernticket gekauft, um vom Hauptbahnhof nach Passau zu fahren. Jetzt habe sie zehn Euro mehr gezahlt, denn wegen der Ersatzbusse musste sie eine Stunde früher los, das Bayernticket gilt erst ab 9 Uhr. Dass es während der Sperrung schon von 8 Uhr an gilt, wusste sie nicht, das sei ihr in der App nicht angezeigt worden, sagt sie. Und auch von der S-Bahn vom Besucherpark nach Freising sei in der App nichts gestanden, sind sie und zwei Mitfahrerinnen einig.

Die Pendler, die man in der S-Bahn vom Besucherpark nach Freising antrifft, sind gut informiert. "Ich habe in der DB-App geschaut und bin entsprechend früher aufgestanden", sagt Ching Horng Tan, 45, der zur Arbeit nach Freising fährt. Aurelien Tellier, 38, Professor an der TU in Weihenstephan, will während der Bauarbeiten mehr im Homeoffice arbeiten, weil ihm die Fahrtzeit wegen der Bauarbeiten zu lang ist. "Das geht, weil das Semester vorbei ist."

Am Feldmochinger Bahnhof machen die Busdisponenten in ihren orangefarbenen Leibchen ebenfalls einen geschäftigen Eindruck. Und sie scheinen einen Plan zu haben, samt Klemmbrett in der Hand. Die Fahrgäste sind an diesem Montagmorgen weit weniger aufgescheucht. Gelassen steigen sie in einen Bus in Richtung Freising. Die meisten sind gut informiert oder ortskundig, denn obwohl die Monitore im Bus blank sind, löst das keine große Überraschung aus. Überfordert sind nur ein paar Fahrgäste damit, in welchen Bus sie steigen müssen. Auf der vorübergehenden Busstrecke fahren permanent 50 bis 60 Fahrzeuge, und wie es bei der S 1 zwei Zugabschnitte gibt, so gibt es auch beim Schienenersatzverkehr zwei Busse, die sich in Neufahrn trennen und von dort nach Freising und zum Flughafen fahren.

Bei der Abfahrt um kurz nach 8 Uhr ist der Bus nahezu voll besetzt. Auf teils kleinen, etwas holprigen Landstraßen geht es vorbei an blühenden Kornfeldern, Blumenwiesen und frisch gepflügten Äckern. Doch die wenigsten lassen hier den Blick schweifen. Man lehnt sich zurück, schließt die Augen, rückt die Kopfhörer zurecht und hält ein kleines Nickerchen während einer Fahrt, die zwar reibungslos verläuft - inklusive funktionierender Klimaanlage -, aber nun mal mehr als doppelt so lang dauert wie sonst mit der S-Bahn. Beim Aussteigen, etwa in Unterschleißheim, schaut zuweilen doch der ein oder andere etwas verwirrt: Statt der gewohnten Bahnsteigkante heißt einen hier ein Maisfeld willkommen.

© SZ vom 31.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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