Adventswerkstatt:Überraschung aus dem Ofen

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Bernadette Gonzalez-Loibl produziert ihre Töpferwaren in der heimischen Werkstatt und verkauft sie auch auf dem Christkindlmarkt in Sauerlach. Aber leben könne man von dem Handwerk nur schwer, sagt sie. Zu groß sei die Konkurrenz von der Industrie

Von Antonia Hofmann, Sauerlach

Das runde Gefäß gleitet immer wieder schnell und geräuschlos durch ihre Hände. Bernadette Gonzalez-Loibl fixiert mit ihrem Blick den weichen Ton zwischen ihren Fingern. "Nicht jeder kann mit der Scheibe umgehen", sagt sie. "Man muss genau spüren, braucht sehr viel Feingefühl." Die rotierende Masse nimmt nach und nach Gestalt an, langsam zieht Gonzalez-Loibl eine schmale Wand nach oben. "Das muss jetzt trocknen. Wenn es lederhart ist, kommt ein Henkel an die Kanne", erklärt sie und stellt die weiche Form behutsam in das Regal neben sich.

Zwei Tage die Woche arbeitet Gonzalez-Loibl in ihrer kleinen Töpferwerkstatt in Sauerlach. Donnerstags und freitags dreht, formt, glasiert, brennt und verkauft die 55-Jährige dort ihre Keramikstücke. Ein richtiges Kreativreich ist auf den rund 50 Quadratmetern entstanden: Farbeimerchen stapeln sich neben Tonpackungen, drahtige Werkzeuge hängen an den Wänden, Tassen und Teller warten in den Regalen auf Käufer. In der Ecke steht ein runder Brennofen, der vom Durchgang letzte Nacht noch immer warm ausstrahlt.

Gonzalez-Loibl sitzt an einem großen Tisch in der Mitte des Raumes und trinkt aus einer blau-weißen Keramiktasse Kräutertee. Sie ist sehr groß, schlank, ihre grauen Haare trägt sie kurz. Die Hände hat sie in den Schoß gelegt, um die Hüften hat sie eine lange, dunkelblaue Schürze gebunden, die mit eingetrocknetem Ton befleckt ist. Hinter ihr an der Wand hängt ihr Meisterbrief. Als junge Frau besuchte sie die Ausstellung einer Töpferin und war sofort begeistert. "Da wurde mir klar: Das will ich auch lernen." Gonzalez-Loibl war 17 Jahre alt, als sie die Ausbildung an der Keramikschule in Landshut begann. Ihren Meister machte sie später extern, sie besuchte Wochenendkurse. Hauptberuflich arbeitet sie heute aber als Ergotherapeutin bei der Lebenshilfe. Denn leben könne man vom Töpfern nur schwer, sagt Gonzalez-Loibl. Viele ihrer ehemaligen Mitschüler aus Landshut arbeiten heute nicht mehr an der Scheibe. "In jeder Stadt gibt es mittlerweile Töpfermärkte. Viele Werkstätten müssen wieder zu machen." Die Konkurrenz der Industrie sei zu groß, "jeder Supermarkt oder Blumenladen verkauft heute Keramik." Handarbeit hingegen hat ihren Preis. Eine wirkliche Vorstellung, wie viel Arbeit dahinter stecke, hätten die Menschen jedoch selten, sagt Gonzalez-Loibl.

Bevor eine Vase oder Tasse gebrannt wird, muss sie zunächst eine Woche an der Luft trocknen. In einem ersten Brand, dem sogenannten Schrühbrand, wird der Ofen 900 Grad Celsius heiß. Danach werden die Stücke farbig glasiert. Der zweite Brand bei 1240 Grad dauert einen ganzen Tag. Trotz etlichen Jahren Berufserfahrung bleibt das Öffnen des Ofens für Gonzalez-Loibl spannend: Ist die Form verzogen, ein Sprung im Gefäß? "Am Ende ist das immer wieder eine große Überraschung", sagt sie und lächelt. Ein Gespür für den aufwendigen Prozess gibt sie Erwachsenen in ihren Töpferkursen. Sie müssten erst mal ein Gefühl für die Drehscheibe bekommen, sagt Gonzalez-Loibl. Auch Kindergeburtstage betreut sie, die Kinder dürfen selbst aussuchen, was getöpfert wird.

Gonzalez-Loibl hat zweimal geheiratet, Kinder großgezogen und eine zweite Ausbildung gemacht. Getöpfert hat sie dabei immer. Es erde sie, sagt sie. Richtig ruhig werde sie dabei. "Das Schönste daran ist, sich immer wieder etwas Neues auszudenken." Inspiration findet die Töpferin in der Natur. Gonzalez-Loibl zeigt ihr jüngstes Stück: ein tönerner Brottopf, der Deckel besteht aus Amaranth.

Gerade vor Weihnachten suchten die Menschen etwas Besonderes, etwas Individuelles, sagt Gonzalez-Loibl. Ein vorübergehender Trend ist das Töpfern ihrer Meinung nach aber nicht, es ist ein klassisches Handwerk. "Weil es immer Menschen geben wird, die Handarbeit schätzen."

Bernadette Gonzalez-Loibl verkauft am 5./6. Dezember auf dem Sauerlacher Christkindlmarkt, am 12./13. März öffnet ihre Werkstatt, Spatzenlohweg 16, zum "11. Tag der offenen Töpferei" in Bayern.

© SZ vom 05.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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