Rösterei:Rösten mit Hingabe

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Bei "Supremo" in Unterhaching ist Kaffee viel mehr als ein Aufputschmittel. Die Familie Braune, die die Rösterei mit Café seit zehn Jahren betreibt, bezieht ihre Produkte direkt von Bauern und reist dazu oft um die Welt

Von David Knapp, Unterhaching

Es ist ein unscheinbares Gebäude nahe am Hachinger Bach, umgeben von Wohnhäusern. Quadratische Bauweise, heller Putz - nichts Besonderes. Nur die sieben Lettern auf der Fassade lassen Kaffeekenner aufhorchen: "SUPREMO". Raphael Braune, Mitbegründer von Supremo, empfängt im Eingangsbereich des Cafés, das an die Rösterei angeschlossen ist. Braune ist 36, hat Grafikdesign studiert, doch seine große Hingabe widmet er - wie eigentlich alle Familienmitglieder - gutem Kaffee. Wer ihm zuhört, wenn er über Espresso spricht, könnte meinen, es gehe um Grand-Cru-Weine aus Bordeaux. "Schmeckt sehr fruchtig, nach Zitrone, aber nicht adstringierend", kommentiert er. Das mag hier und da befremdlich klingen, ist aber einer Leidenschaft geschuldet, die nach dem perfekten Kaffee strebt: "Wir wollen den weltbesten Kaffee machen", sagt Braune, lächelt, und klingt dabei nicht mal ansatzweise überheblich.

Betreiber Raphael Braune (Foto: Claus Schunk)

Vielleicht ist dieses Selbstbewusstsein - der Glaube, dass alles möglich ist - auch dem Umstand geschuldet, dass Familie Braune lange in Kalifornien lebte. Während Braune junior damals noch in der Highschool die Schulbank drückte, war das Silicon Valley, Sinnbild für innovative Unternehmerideen, für Vater Bernd Braune gewohnter Alltag. Das Gebäude, in dem der Vater als Programmierer arbeitete, beherbergte auch eine Rösterei. Die älteste Tochter hatte einen Job als Barista. So ganz aus dem Nichts kam die Idee mit der Rösterei also nicht. Was die Familie schon damals wunderte, war der hohe Anspruch an guten Kaffee in den USA. Ähnlich wie beim Aufkommen von Mikrobrauereien, sogenannten Craft Beer Breweries - also kleinen, aber handwerklich orientierten und auf höchste Qualität bedachten Bierproduzenten -, entstand in den USA relativ früh der Trend, hochwertigen Kaffee zu produzieren, der sich von Großröstereien bewusst absetzt. Als Raphael Braune nach seiner Schulzeit zum Zivildienst nach Deutschland einberufen wurde, folgten die anderen Familienmitglieder sukzessive. Das Kapitel USA war damit abgeschlossen, doch ein bisschen amerikanische Gründermentalität brachten sie mit nach Unterhaching.

Die Betreiber der Rösterei "Supremo" kaufen ihre Produkte direkt von den Erzeugern. (Foto: Claus Schunk)

Vor zehn Jahren legte Familie Braune den Grundstein für die familieneigene Kaffeerösterei. "Die Überlegung war damals, dass es Spezialitätenkaffee schon vor 20 Jahren in den USA gab. Die Frage war: Wie sieht das in Deutschland aus?" Zunächst mieteten sie ein paar Quadratmeter in einer alten Fabrikhalle. Dort begannen sie, mit Kaffeebohnen zu experimentieren, rösteten sie, begutachteten deren Schattierungen. Was wie ein kurioses Hobby anmutete, nahm schnell Fahrt auf, entwickelte sich rasant zu einer der besten Kaffeeröstereien in Deutschland. Vor einigen Jahren zog die Rösterei dann an den jetzigen Standort. Mittlerweile verlassen monatlich zehn Tonnen Spitzenbohnen das kleine Familienunternehmen in Unterhaching, wobei man hier auf solche Zahlen eher wenig Wert legt. Von Anfang an war sich die Familie bewusst: "Über den Preis kann man gegen die Großröstereien nicht ankommen." Daher war klar: "Keine Kompromisse in Sachen Qualität und größtmögliche Transparenz für den Kunden."

Leidenschaft für Kaffee: Mitarbeiterin Mirjam Saalfeld. (Foto: Claus Schunk)

Raphael Braune führt in den Keller der Rösterei. Hier lagern Kaffeebohnen aus aller Welt in einem Rohkaffeehumidor - wohl dem einzigen in ganz Europa. Der Humidor ist ein Raum, in dem Luftzirkulation, Temperatur und weitere Parameter präzise eingestellt werden können, sodass die Bohnen bei der Lagerung nur ein Minimum an Qualität einbüßen. Überraschenderweise riecht es überhaupt nicht nach Kaffee. In der kühlen Luft liegt ein fruchtiger Geruch. Ein bisschen wie frisch gemähtes Gras, wie Raphael Braune konstatiert. Auf den Jutesäcken, in denen die noch grünen Bohnen lagern, kann man ablesen, welche Reise hinter ihnen liegt: Papua-Neuguinea, El Salvador, Costa Rica, Kenia, Indien, Nepal. Sogar Bohnen von den Galapagosinseln lagern hier. Die 150 Rohkaffeesorten im Sortiment der Familie bieten jedem Gaumen die richtige Bohne: von fruchtig über karamellig bis schokoladig. Nur wenige Faktoren wie der Boden und das Klima bestimmen neben der jeweiligen Arabica-Sorte den Geschmack. Kaffee soll mehr sein als nur ein Wachmacher, sagt Braune. "Wir wollen dem Kunden zeigen, was Kaffee alles kann."

Mitarbeiter Maro Schaschua überprüft die Kaffeebohnen. (Foto: Claus Schunk)

Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Familie schnell festgestellt, dass man eigene Wege gehen muss. Fairtrade und Bio waren Braune nicht genug. Stattdessen initiierte Supremo die "Micro-Lot-Challenge" - einen Wettbewerb, der die besten Bohnen prämiert. Supremo kauft die Bohnen direkt bei den Bauern, auf Zwischenhändler wird soweit es geht verzichtet. "Über 80 Prozent am Volumen sind direkt eingekauft." Der Vorteil liegt auf der Hand: "Ich sehe, wie die Verhältnisse vor Ort wirklich sind. Wächst hier Unkraut? Wird der Kaffee in Monokulturen angebaut? Werden Chemikalien verwendet?" Das so genannte Direct Trade-System ist ein Gewinn für alle Beteiligten. Supremo kommt so an die besten Bohnen, für den Kunden ist es transparenter, und die Bauern verdienen ein Vielfaches von dem, was Zwischenhändler zahlen. Das motiviert zusätzlich. "Die erste Frage, die unsere Bauern stellen, ist nicht: Wie viel verdiene ich dieses Mal? Sondern: Wie hat euren Kunden der Kaffee geschmeckt?"

Jeder Kaffee hat seine eigene Geschichte. Da gibt es Villa Sachí - eine exotisch-süße Arabica-Varietät, die vom kauzigen Santiago Jiménez in Berlín, Costa Rica, angebaut wird. Da ist Maria Brenes, die mit ihrer Familie in 1800 Metern Höhe weichen, nach Waffeln, Pfirsich und Limonen schmeckenden Caturra und Catuai anbaut. Und da sind Antonio und Sebastiano Da Silva, deren Acaiabohnen schon mehrere Wettbewerbe gewonnen haben. Der Kontakt zu den Bauern ist wichtig. Immer wieder fliegen die Braunes um die Welt, besuchen ihre Partner, lassen sich inspirieren - und entdecken Neues.

Raphael Braune steht jetzt vor drei Röstöfen, Bildschirme zeigen den Grad der Röstung an, zusätzlich überprüfen Laser-Messgeräte die Farbe. "Es gibt kein Schema F - jeder Kaffee hat sein eigenes Profil." Bei Supremo unterscheidet man zwischen 200 Farbschattierungen. Maximal zwei Punkte darf die Röstung von der gewünschten Schattierung abweichen, selbst dann können die Bohnen noch aussortiert werden. "Wenn man wirklich gut sein will, braucht man ein Thema, und dann legt man die volle Konzentration darauf", sagt Braune. Nach dem Rösten werden die Bohnen an der Luft gekühlt. Großröstereien kühlen mit Wasser. "Da fehlt der letzte Funke Liebe zum Produkt."

Diese Liebe ist es wohl, die seit zehn Jahren dafür sorgt, dass die Familie immer noch ein bisschen mehr aus den Bohnen herauszukitzeln versucht. Raphael Braune blickt positiv in die Zukunft. Er hat einen Mentalitätswechsel in Deutschland festgestellt: "Die Wahrnehmung vom Kunden hat sich geändert." Man sei häufiger bereit dazu, neue Kreationen zu testen, experimentierfreudiger zu sein. Es ist ein bisschen wie damals, in Kalifornien.

© SZ vom 13.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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