Prozess gegen Schleuserbande:Mit Schmiergeld über die Grenze

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Sie sollen 350 Iraker eingepfercht in Lastwagen in die Europäische Union gebracht haben: In München stehen drei Mitglieder einer internationalen Schleuserbande vor Gericht.

Ch. Rost

Was aus den 350 Menschen geworden ist, die aus dem Irak flüchteten und in Lastwagen und Campern eingepfercht von Griechenland nach Italien gebracht wurden, weiß niemand. Für die Münchner Justiz ist das Schicksal der Illegalen schließlich nicht relevant.

Im Prozess vor der zweiten Strafkammer am Landgericht München I geht es am Dienstag nur darum, für die drei Schleuser der Flüchtlinge eine angemessene Strafe zu finden. Auch ein Kripobeamter, der das Verfahren gegen die mutmaßlichen Mitglieder einer kriminellen Bande aus beruflichem Interesse verfolgt, kann nur spekulieren, wo all die Leute aus dem Irak abgeblieben sind. Ein Teil habe es vielleicht nach Skandinavien geschafft, meint der Polizist, wo ihnen das Asylrecht noch die besten Chancen bot, nicht gleich wieder abgeschoben zu werden.

Die drei Angeklagten Abdulla I., Akram F. und Arkan K. stammen selbst aus dem Irak. Der Golfkrieg 2003 hat ihre Familien zum Teil schwer getroffen, der 29-jährige K. zum Beispiel verlor während der Kämpfe seinen Vater. Als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, erhielten die Männer die Duldung und arbeiteten in München beziehungsweise Augsburg als Kranfahrer, Maler und Küchenhilfe. Offiziell zumindest.

Geld verdienten sie laut Anklage aber vor allem als Mitglieder einer bis zu zwölfköpfigen Schleuserbande, die allein in den Jahren 2007 und 2008 Hunderte Flüchtlinge aus dem Irak in die Europäische Union gebracht haben soll. Die Staatsanwaltschaft schätzt, dass jeder Illegale zwischen 1500 und 3000 Euro allein für den Transport zwischen der griechischen Hafenstadt Patras und Ancona oder Venedig in Italien bezahlen musste.

Patras war stets der Ausgangspunkt für die Schleuserfahrten, weil die Angeklagten offenbar beste Kontakte zur örtlichen Hafenpolizei unterhielten. Mit Schmiergeld - in der Anklage ist von bis zu 20000 Euro pro Transport die Rede - konnten die mit Irakern vollbeladenen Sattelauflieger und Campingmobile problemlos auf die Fähren mit Kurs Italien gebracht werden.

Und falls sich doch einmal ein gesetzestreuer Beamter einschaltete und einen Schleuser ins Gefängnis brachte, fand sich auch eine Lösung. So wurde der Lastwagenfahrer Torsten A. aus München, der für zahlreiche Touren von den Angeklagten angeheuert worden sein soll, in Griechenland zwar zu 23 Jahren Haft verurteilt. Als er aber 14000 Euro in bar auf den Tisch blätterte, sprach niemand mehr von einer Haftstrafe - und er konnte seinen lukrativen Schleuserjob sogar weiter unbehelligt ausüben.

Zwei Komplizen der Angeklagten, die ebenfalls als Fahrer tätig waren, sind in Deutschland bereits zu Freiheitsstrafen von einem Jahr und zehn Monaten sowie einem Jahr und vier Monaten verurteilt worden. Für Abdulla I., Akram F. und Arkan K. geht es nun um mehr: Nach einem Rechtsgespräch der Kammer mit den Verteidigern und der Staatsanwältin legte der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann den Angeklagten Geständnisse nahe. Arkan K. nahm das Angebot sofort an und kann nun mit maximal drei Jahren und drei Monaten Haft rechnen. Der 27-jährige Abdulla I. und der 38-jährige Akram F. wollen ihre Bedenkzeit bis zum nächsten Verhandlungstermin am Donnerstag nutzen. Falls sie kooperieren, wird sie das Gericht nicht mehr als fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis schicken.

© SZ vom 18.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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