Podiumsdiskussion zum Heizkraftwerk:Der Protest verpufft

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Stadtwerke-Geschäftsführer Stephan Schwarz beharrt in Ismaning darauf, dass es zur Kohle-Verfeuerung im Heizkraftwerk München Nord keine Alternative gibt - aus wirtschaftlichen Gründen

Von Sabine Wejsada, Ismaning

Der Block 2 im Heizkraftwerk Nord der Stadtwerke München (SWM) in Unterföhring bleibt am Netz. Zumindest so lange, bis sich die politischen Rahmenbedingungen für die Verbrennung von Steinkohle und den Emissionshandel auf europäischer Ebene ändern. Dieses Thema wurde auf einer Podiumsdiskussion, die die Ismaninger SPD mit den örtlichen Grünen organisiert hat, problematisiert. SWM-Geschäftsführer Stephan Schwarz machte vor gerade einmal 50 Besuchern in der Hainhalle am μMontagabend wenig Hoffnung, dass der Energieversorger die Anlage früher als 2035 abschalten dürfte - ein Zeitpunkt, an dem die technische Lebenszeit des Werks ohnehin beendet sein wird.

Es sind in erster Linie wirtschaftliche Gründe, die einen früheren Ausstieg aus der umstrittenen Verfeuerung von Kohle unmöglich machten, wie Schwarz auch an diesem Abend wieder nicht müde wurde zu betonen. Nach Beschluss des Münchner Stadtrats vom April dieses Jahres bleibt der mit Kohle laufende Block 2 in Betrieb. Einen schrittweisen Ausstieg aus der Kohle, wie die Münchner Stadtratsfraktion der Grünen/Rosa Liste gefordert hat, wird es nicht geben - auch wenn sich das viele der in Unterföhring, Ismaning, Aschheim und in den Münchner Stadtvierteln Freimann, Johanneskirchen und Oberföhring Bürger als Plan B noch so sehr wünschen würden. In einer Studie, die die Stadtwerke und das Öko-Institut erstellt hatten, waren Ausstiegsszenarien untersucht und davon abgeraten worden, Block 2 vorzeitig abzuschalten, weil dies "erhebliche betriebswirtschaftliche Nachteile" mit sich bringe und "unverhältnismäßig" sei.

Wie schon vor zwei Wochen im Unterföhringer Gemeinderat präsentierte der SWM-Geschäftsführer in Ismaning die Ergebnisse der Untersuchung: Würde das Kraftwerk, das regulär bis 2035 laufen soll, bereits 2020 vom Netz genommen, verlören die Stadtwerke 340 bis 600 Millionen Euro. Bei einer Stilllegung im Jahr 2030 läge der finanzielle Schaden immer noch bei 55 bis 170 Millionen Euro. Zudem trage das Kraftwerk München Nord erheblich zur Versorgungssicherheit der Landeshauptstadt bei. Und sei zu alledem auch noch die Basis dafür, dass die Stadtwerke ihre gesetzte Vision umsetzen könnten, bis 2040 den gesamten Energiebedarf Münchens und seiner Einwohner aus regenerativen Quellen zu decken. Ein früherer Ausstieg könne diesen Plan empfindlich stören, so Schwarz. Dass die Stadtwerke zwar viele Milliarden Euro in überregionale und ausländische Windparks und Solaranlagen investierten, aber von einem klimaschonenden Betrieb im Kraftwerk und dem dazu nötigen Kohleausstieg nichts wissen wollten, rief bei den Gästen im Saal und den Teilnehmern auf dem Podium Unverständnis hervor.

Der Ismaninger SPD-Gemeinderat Bruno Rimmelspacher jedenfalls zweifelte die dem Gutachten zugrunde liegenden Fakten erheblich an. Frei nach Winston Churchill sagte er gleich zu Beginn: "Trau keiner Statistik, deren Grundlagen du nicht selber diktiert hast." Rimmelspacher stellte in Frage, ob die in der Studie angenommenen Kosten von Steinkohle und emissionsärmerem Gas überhaupt zutreffend seien: "Wer kann sagen, wie sich die Preise in den nächsten Jahren entwickeln?"

SWM-Geschäftsführer Stephan Schwarz rechtfertigt das Festhalten an der Steinkohle mit ökonomischen Zwängen, sagt aber eine Überprüfung zu. (Foto: Stephan Rumpf)

Auch Christian Magerl, Landtagsabgeordneter der Grünen, äußerste massive Bedenken. Er appellierte an die Europäische Union, die Schraube bei den Zertifikaten für den Emissionshandel anzuziehen und für eine Verknappung zu sorgen. Zudem sollte die CO₂-Steuer empfindlich angehoben werden. Schwarz teilte diese Meinung, versicherte jedoch, dass sich andernorts die Betreiber von Kraftwerken ins Fäustchen lachen würden, wenn München den Block 2 vorzeitig abschalte. Da täte man nur anderen einen Gefallen, so Schwarz. Er sei erklärter Befürworter der Klimaschutzabgabe aus dem Ministerium von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD), sagte der SWM-Geschäftsführer. Der Minister müsse den Plan durchziehen, auch "wenn sich das Papier derzeit in den Mühlen und Reißwölfen der Lobbyisten" befinde. So lange diese Abgabe nicht komme, gerieten die Stadtwerke im Wettbewerb mit anderen Energieversorgern ins Hintertreffen, wenn sie die Kohleverbrennung beendeten. Zudem sei eine Umstellung von Block 2 auf das teurere Gas nicht so ohne weiteres möglich. Nur so viel wollte Schwarz zusagen: Wenn sich die Bedingungen änderten, werde man natürlich über einen vorzeitigen Ausstieg nachdenken. Und in jedem Fall Anfang oder Mitte der 2020er-Jahre eine neue Untersuchung über die Rentabilität von Block 2 im Heizkraftwerk München anstellen. Dass das Zeitfenster für eine weitere Studie zu groß ist, wie von Rimmelspacher und Magerl kritisiert, wollte Schwarz nicht so recht einsehen.

Für die Zuhörer im Saal waren das allesamt unbefriedigende Aussagen. Manfred Schulz, früherer Unterföhringer Grünen-Gemeinderat und nun beim Ismaninger Ortsverband der Partei aktiv, beklagte die Haltung des Münchner Energieversorgers. Die 800 000 Tonnen Steinkohle, die jährlich im Heizwerk in Unterföhring verfeuert würden und einen enormen CO₂-Ausstoß verursachten, seien eine schwere Belastung für den Münchner Norden. Die SWM gäben sich mit ihrem Milliarden-Investment in umweltverträgliche Windparks in Spanien auf Kosten von vielen Tausend Menschen in der Region "nur einen grünen Anstrich".

© SZ vom 01.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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