Jungpolitiker im Landkreis:Immer in Bewegung

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Dank Gerald Kunzmann wird das Eisstadion wohl bald überdacht. (Foto: Claus Schunk)

Ottobrunns FDP-Gemeinderat Gerald Kunzmann nervt die Trägheit der Etablierten - er setzt auf unkonventionelle Vorschläge.

Von Daniela Bode, Ottobrunn

Wenn Gerald Kunzmann heute durch Ottobrunn läuft, grüßen ihn viel mehr Bürger als noch vor zwei Jahren. Man kennt den 28-Jährigen mit den stoppelkurzen dunkelblonden Haaren, trat er doch 2013 als Bürgermeisterkandidat für die FDP an, sein Konterfei war allerorts auf Plakatwänden zu sehen. Mit dem Bürgermeisteramt hat es nicht geklappt. Was er unter dem frischen Wind versteht, den er bringen wollte, zeigt er nun aber als jüngstes Mitglied des Gemeinderats. Vor kurzem setzte er sich etwa mit einer unkonventionellen Finanzierungsidee zum Bau eines Dachs für das Eisstadion durch.

Noch vor zwei Jahren nannte der gebürtige Sachse sich einen "krassen Außenseiter", mittlerweile kann er einige kommunalpolitische Erfahrung vorweisen. 2008 nach Ottobrunn gekommen, entschied er sich für die Offizierslaufbahn und studierte an der Bundeswehruniversität Neubiberg Staats- und Sozialwissenschaften. Seit mehr als fünf Jahren gehört er dem FDP-Ortsverband an, inzwischen ist er dessen Vorsitzender, zudem Kreisvorsitzender der Jungen Liberalen und stellvertretender Vorsitzender der Kreis-FDP. Seit einem Jahr nun sitzt er neben Axel Keller für die FDP im Gemeinderat. Dort ist er auch Sportreferent, "mir liegen die Jugend und der Sport am Herzen", sagt er, der selbst beim TSV Ottobrunn kickt.

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Fast überall reihen sich in den Gemeinderäten graue Haarschöpfe an weiße. Doch es gibt Ausnahmen. Die SZ stellt sechs junge Menschen vor, die sich in der Kommunalpolitik engagieren. Einer will sogar Bürgermeister werden, aber nur, wenn ihm seine Frau dann nicht wegläuft.

Von Ruth Eisenreich, Mitarbeit: David Knapp

"Das steckt in mir"

Kunzmann ist mit politischem Engagement aufgewachsen. Sein Vater sitzt seit 1990 im Erzgebirge im Gemeinderat, anfangs für die SPD, mittlerweile für die Freien Wähler. Kunzmann gefiel es als Kind, dass er stets aktiv Teil des Gemeindelebens war. "Ich war immer bestens informiert, über die Geschichte der Gemeinde, über Städtepartnerschaften. Das fand ich cool", sagt er. Als Jugendlicher brachte er sich in der Schülervertretung ein, heute tut er das selbe in der Kommunalpolitik. Warum, kann er gar nicht genau sagen. "Das steckt in mir", sagt er. "Man geht immer wieder in den Gemeinderat und fühlt, dass man etwas Richtiges tut."

Während Kunzmann im Bürgermeisterwahlkampf mit spontanen, frechen Sprüchen auffiel - er nannte den amtierenden Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) einmal "politischer Panzerfahrer" -, gibt er sich im Gemeinderat überlegt und stützt seine Argumente auf fundierte Recherchen. Unkonventionelle Vorschläge bringt er noch immer. So war er einer der großen Antreiber einer Überdachung für das Ottobrunner Eisstadion. Immer wieder betonte er in der Debatte um das Ottobrunner Eisstadion die Kosten-Vorteile eines industriell gefertigten Dachs, wie es der Eis-und Rollsportclub vorschlug.

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Gerald Kunzmann in fünf Bildern:

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"Das passiert, wenn zwei Politik-Studenten zum ersten Mal Plakate kleben - voll daneben!"

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"Ich gehe leidenschaftlich gern in die Berge. Hier bin ich mit meinem Vater bei der Überschreitung des Watzmann."

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"An einem Infostand im Landtagswahlkampf 2013 - bei über 50 Infoständen in ganz Bayern kann ich leider nicht mehr sagen, wo."

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"Das Bild entstand bei meinem Schulanfang Anfang August 1993."

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"Die Jungen Liberalen im Landkreis München veranstalten seit 10 Jahren das Entenrennen in Unterbiberg. Hier ziehe ich die Sieger-Enten aus dem Wasser."

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Dank Gerald Kunzmann wird das Eisstadion wohl bald überdacht.

Als wegen des knappen Haushalts eine Entscheidung für das Dach zu scheitern drohte, kämpfte Kunzmann weiter und schlug vor, das Dach zu leasen. Bei der Recherche ließ er sich von seiner Freundin helfen. "Sie ist Anwältin und hat einen Sonntag lang Bundesverwaltungsgerichtsentscheidungen für mich gewälzt", sagt er. Kunzmann hatte Erfolg: Letztlich beschloss der Gemeinderat einstimmig, Geld für die Planung und die Leasingraten zur Verfügung zu stellen. "Es kann sein, dass das dieses Jahr nichts mehr mit der Umsetzung wird", sagt Kunzmann. "Aber ich bin frohen Mutes, weil es ein einstimmiges Votum gibt."

Freundlich und ohne Profilierungssucht

Wie schon im Wahlkampf will er sich für Transparenz und Bürgerbeteiligung einsetzen - und die Einführung eines Jugendparlaments. Er recherchiert bereits für einen entsprechenden Antrag. Im Gemeinderat kämpft Kunzmann freundlich und ohne Profilierungssucht für seine Sache. Das kommt gut an, der SPD-Gemeinderat Dieter Wax sagt: "Nach dem Bürgermeisterwahlkampf habe ich befürchtet, dass er immer im Vordergrund stehen will. Das ist aber nicht so. Er ist ein konstruktiver Mensch und das schätze ich sehr."

Junge Leute hätten das gleiche Recht, mitzureden, wie Ältere, sagt Kunzmann. Von den anderen Gemeinderäten fühlt sich Kunzmann trotz seines jungen Alters ernst genommen. Dort gehe man allgemein sehr respektvoll miteinander um: "Es ist ein sehr harmonischer Gemeinderat, in dem man jeden fragen kann." Überhaupt plädiert er dafür, unvoreingenommen an Themen heranzugehen. Gerade in der Kommunalpolitik solle man die Dinge auch nicht allzu ernst nehmen: "Hier entscheidet sich nicht die Außenpolitik Deutschlands." Auch über sich selbst kann Kunzmann lachen, etwa darüber, dass er als Politik-Student mit einem Kommilitonen einmal ein FDP-Plakat falsch herum aufgeklebt hat.

In der Politik höhere Ämter übernehmen

Aber wie lassen sich die gut zehn Gremien-Sitzungen im Monat in seinen Alltag integrieren? Kunzmann arbeitet als Hörsaalleiter für die Unteroffiziersausbildung an der Sanitätsakademie der Bundeswehr in Neuherberg. Er bringt den Soldaten Dinge wie Taktik, Menschenführung und Methodik bei. Der Job sei sehr flexibel, sagt er, und er könne auch seine Kurse so legen, dass sie nicht mit den Sitzungen und Terminen des Gemeinderats kollidieren. Und auch die Geselligkeit kommt im Gemeinderat nicht zu kurz. "Wir setzen uns nach den Sitzungen oft noch zusammen." Die Wochenenden will sich der Schlagerfan Kunzmann nicht nehmen lassen: Da trifft er seine Freundin, die in Berlin wohnt, er geht wandern, wann immer es geht, klettern, und im Winter Ski- und Snowboardfahren.

Kommunalpolitik, sagt er, mache ihm Spaß. Er kann sich vorstellen, in der Politik höhere Ämter zu übernehmen, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. "Ich finde, die Partei sollte Leute aufstellen, die sich eine eigene Meinung leisten können", sagt er. Viele Parteien seien träge, das sei auch der Grund, warum so viele junge Menschen "parteienverdrossen" - nicht politikverdrossen - seien: "Sie interessieren sich für Entscheidungen und Themen, aber nicht für Parteien." In der FDP findet Kunzmann Offenheit für die eigenen Ansichten: "Die FDP und die Grünen sind wahrscheinlich die Einzigen, wo ein 25-jähriger Ossi den Ortsverein übernehmen kann."

Auch wenn sein Vertrag als Zeitsoldat in zwei Jahren endet, möchte Kunzmann in Ottobrunn bleiben, er will als freier Trainer arbeiten und sich weiter einbringen. Letzteres aber nur, solange es sich mit dem Beruf und dem Privatleben vereinbaren lässt. "Was nutzt es mir, wenn ich Bürgermeister werde, aber mir die Frau wegläuft. Das verstehe ich nicht als erfülltes Leben."

© SZ vom 06.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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