Öffentlicher Nahverkehr:Ein dichtes Netz voller Fragen

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Fahren die Busse dort, wo sie gebraucht werden? Ein automatisiertes Zählsystem soll helfen, das Angebot zu optimieren

Von Bernhard Lohr, Landkreis

Die MVV-Busse im Landkreis München legen Jahr für Jahr Millionen an Kilometern zurück. Und jedes Jahr werden es mehr: 2,3 Millionen kamen im Jahr 2015 dazu, im Jahr 2016 weitere 1,8 Millionen. Im Jahr 2020 sollen die blaugrünen Fahrzeuge Schätzungen zufolge sogar stolze 16 Millionen Kilometer auf den Straßen im Landkreis unterwegs sein. Sie werden dann 41 Mal die Strecke von der Erde bis zum Mond bewältigen. Diese Zahlen sind gesichert. Aber die Frage, wie viele Fahrgäste die Busse kreuz und quer durch den Landkreis chauffieren, lässt sich nur schwer ermessen. Nur ungefähr ist abzuschätzen, wie die neuen Linien und die im dichteren Takt angefahrenen Bushaltestellen von den Bürgern im Landkreis angenommen werden. Bisher ist man weitgehend auf aufwendige Zählverfahren angewiesen. Das soll sich ändern.

Der Landkreis betreibt einigen Aufwand, um das Angebot beim Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu verbessern. Entsprechend groß ist das Interesse zu erfahren, was das bringt. Und ob man überhaupt die Bürger auch da abholt, wo sie abgeholt werden wollen. Der Landkreis möchte sich daher künftig mit automatisierten Zählsystemen in den Bussen ein genaueres Bild davon verschaffen, wie viele Fahrgäste an welcher Haltestelle ein- und aussteigen. Lichtschranken in den Bussen sollen die Daten erfassen, die dann per GPS direkt weitergeleitet werden sollen. Auch Mobilfunkdaten könnten genutzt werden, um dann in Echtzeit die Fahrgastströme beobachten zu können und zu analysieren, wo und wann Busse verkehren sollen - und wo womöglich kurzfristig Verstärkerbusse eingesetzt werden müssen.

Der Mobilitätsausschuss des Landkreises hat nun erst einmal den Auftrag erteilt, ein Konzept zu erstellen, aus dem hervorgeht, was sinnvollerweise ermittelt und erhoben werden soll. Denn möglich ist mittlerweile vieles, und manches nicht unbedingt nötig und aus Datenschutzgründen vielleicht auch gar nicht anzustreben. Tobias Thalhammer (FDP) warnte jedenfalls davor, bei der Erhebung gerade der Mobilfunkdaten zu überziehen. Es dürfe "keine Einfallstüre sein, um weitere Informationen über unsere Fahrgäste zu sammeln".

Das hat offenbar auch niemand vor. Wie es heißt, sollen reine, keiner Person zuordenbare Zahlen erfasst werden. Näher wurde darauf in der Sitzung nicht eingegangen. Jedenfalls zeigte sich, dass die Kreisräte quer durch die Fraktionen außerordentlich daran interessiert sind, sich ein genaueres Bild über die Fahrgastströme machen zu können. Sie müssen schließlich den kostspieligen Ausbau des ÖPNV beschließen und bei den Bürgern rechtfertigen. Wenn dann spärlich besetzte Busse verkehren, ist schnell von "Geisterbussen" die Rede, und der Vorwurf steht im Raum, der Landkreis werfe das Geld zum Fenster hinaus. Kritik hagelt es nicht minder, wenn Busse überfüllt sind oder Orte zu selten angefahren werden. Landrat Christoph Göbel (CSU) warb auch für Geduld. Jeder Bus sei anfangs ein sogenannter Geisterbus. Man schaffe ein Angebot, das angenommen werden müsse. Das könne dauern.

CSU-Fraktionschef Stefan Schelle (CSU) bezeichnete jedenfalls die Absicht, Zählsysteme einzuführen als "absolut sinnvoll". Markus Büchler (Grüne) berichtete von einem Besuch beim Betreiber des Öffentlichen Personennahverkehrs im österreichischen Vorarlberg, der die technischen Möglichkeiten schon nutze, Fahrgastzahlen elektronisch zu ermitteln. Dort könne man am Bildschirm die Busse auf ihrer Fahrt verfolgen und sehen, wie viele Menschen wo gerade ein- und ausstiegen. Es gehe aber auch dort nur um reine Zahlen, nicht um Personendaten. Büchler riet dazu, stichpunktartig auch Fahrgasterhebungen nach bewährtem Muster anzustellen. Also etwa Leute zu befragen, wo sie hinwollten, um komplexere Zusammenhänge im Busnetz zu erkennen.

Die bisher letzte große Erhebung im MVV-Gebiet fand 2015 statt. Bei dieser wurden 200 000 Personen kontaktiert. Die nächste ist 2018 vorgesehen. Ein Jahr nach der Befragung stehen in der Regel erst die ausgewerteten Daten zur Verfügung. Der Landkreis ließ auf ausgewählten Linien 2016 und 2017 Daten erheben, um in etwa abschätzen zu können, wie viele Menschen in den Bussen auf ihren Millionen an Kilometern sitzen.

© SZ vom 13.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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