Öffentliche Teilhabe:Bei Anruf Spezialtaxi

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Aleksandar Dordevic ist Behindertenbeauftragter des Landkreises und war maßgeblich an der Ausarbeitung des Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenkonvention beteiligt (Foto: Claus Schunk)

Schwerbehinderte mit Elektrorollstühlen können die öffentlichen Verkehrsmittel zum Teil auch dann nicht nutzen, wenn sie weitgehend barrierefrei gestaltet sind. Der Landkreis prüft deshalb einen eigenen Mobilitätsservice

Von Stefan Galler, Landkreis

Der öffentliche Personennahverkehr soll möglichst schnell flächendeckend barrierefrei ausgebaut werden, darin sind sich die politischen Vertreter nicht nur im Landkreis München einig. Dennoch gibt es verschiedene Gruppen schwerbehinderter und blinder Menschen, die die Angebote des ÖPNV auch dann nicht nutzen können. Oftmals können die Betroffenen auch nicht in herkömmlichen Taxen transportiert werden, sondern benötigen Fahrzeuge, die in der Lage sind, die nicht selten mehrere hundert Kilogramm schweren Elektro-Rollstühle mit zu befördern. Gewerbliche Unternehmen, die spezielle Taxen mit einer entsprechenden Ladefläche im Fuhrpark haben, verlangen jedoch beispielsweise für eine Fahrt aus dem Landkreis zum Landratsamt am Mariahilfplatz 80 bis 90 Euro. Ein stattlicher Preis, der es schwerbehinderten Menschen deutlich erschwert, am öffentlichen Leben teilzunehmen.

Deshalb hat die Fraktion der Grünen im Münchner Kreistag nun eine Initiative gestartet, um diesen Nachteil auszugleichen: Es soll ein Konzept für einen "Mobilitätsservice auf Anruf" für stark mobilitätseingeschränkte Landkreisbürger erstellt werden, die keine öffentlichen Verkehrsmittel und kein eigenes Fahrzeug nutzen können. Der Kreis-Sozialausschuss stimmte diesem Ansinnen zuletzt einstimmig zu. Nun wird die Verwaltung klären, welche Anbieter bereit wären, einen solchen Dienst zu stemmen, wie sich der Finanzbedarf darstellt und welche Richtlinien den möglichen Nutzerkreis festlegen sollen.

Aleksandar Dordevic, der Beauftragte für Menschen mit Behinderung, sprach sich in jener Sitzung vehement dafür aus, das Vorhaben umzusetzen: "Seit es das Bundesgleichstellungsgesetz gibt, werden viele Anstrengungen unternommen, Barrierefreiheit herzustellen." Aber für jene, die wegen ihrer Behinderung vom öffentlichen Verkehr ausgeschlossen sind, gebe es eben kaum eine Möglichkeit, sich fortzubewegen. "Und je nach Förderung bekommt auch nicht jeder Geld, um gewerbliche Angebote nutzen zu können", so Dordevic. In der Tat stellt der Bezirk Oberbayern zwar Sockelbeträge als Eingliederungshilfe für exakt solche Zwecke zur Verfügung, jedoch bestehen Vermögensfreigrenzen, was bedeutet, dass die Betroffenen zunächst ihr eigenes Geld einsetzen müssen, ehe sie auf die staatliche Hilfe zurückgreifen können.

Deshalb fordern die Grünen ein zentral gesteuertes Angebot, das der Landkreis zur Verfügung stellen soll. "Das hätte ein hohes Maß an Verbindlichkeit und genau so etwas brauchen diese Menschen", sagt Dordevic und verweist auf den Landkreis Ludwigsburg, der seit 1985 einen solchen Fahrdienst anbietet, der von Johannitern und Maltesern bereitgestellt wird.

Die Zahl der zu betreuenden Menschen dort sei mit jener im Landkreis München in etwa zu vergleichen, im Landkreis Ludwigsburg sind es etwa 4000, im Landkreis München maximal 3000. Laut Auskunft des Fachbereichs Verkehr im Landratsamt Ludwigsburg kostet der individuelle Fahrdienst den Landkreis dort etwa 75 000 Euro jährlich, finanziert werden müssen die Personalkosten der Leitstelle sowie das Fahrpersonal.

Eine Nachfrage nach solchen Angeboten besteht, bei der Erstellung des Aktionsplanes für die Belange von Menschen mit Behinderung im Landkreis München gaben rund 25 Prozent der Befragten an, einen Fahrdienst in Anspruch nehmen zu müssen.

© SZ vom 11.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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