Oberschleißheims Historie:Mit türkischen Piloten in der Schlossgaststätte

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Schleißheims Schlossgaststätte - eine Aufnahme aus Otto Bürgers neuestem Buch. (Foto: N/A)

Für sein neues Buch "Schleißheimer Wirtshausgeschichten" hat der Heimatforscher Otto Bürger so manche erstaunliche Anekdote ausgegraben. Geholfen haben ihm Mitglieder seines Vereins "Freunde von Schleißheim" und das Archiv, das er in den vergangenen Jahrzehnten angelegt hat.

Von Christina Hertel, Oberschleißheim

Das Haus von Otto Bürger ist so etwas wie ein privates Museum über Oberschleißheim. Vom Keller bis in den Dachboden steht es voll mit Büchern, Bildern, Karten, Grafiken, Fotografien und historischen Dokumenten des Ortes. Bürger ist Vorsitzender des Vereins "Freunde von Schleißheim", der heuer sein 25-jähriges Jubiläum feiert. Außerdem hat er etwa 30 Bücher über Oberschleißheim verfasst, im November ist ein neues erschienen - die "Schleißheimer Wirtshausgeschichten", 156 Seiten dick.

Ein fast 100 Jahre altes Relikt steht auf Otto Bürgers Regal. Es ist ein bisschen verrostet, die Schrift ist abgeblättert. "Königliche Brauerei Schleißheim" steht darauf. Es ist der Schnappverschluss einer Bierflasche. Und für Otto Bürger ist dieser Verschluss einer von vielen Hinweisen darauf, dass es in Oberschleißheim eine Brauerei gegeben haben muss. Schon vor etwa 30 Jahren hat Bürger den alten Verschluss geschenkt bekommen. Während seiner Recherchen zu anderen Büchern stieß er auf weitere Geschichten rund um die Wirtshauskultur in Schleißheim. "Irgendwann wurde der Wunsch immer größer, die Lücken zu schließen und alles zu einem Buch zusammenzufassen", sagt Bürger. Wenn er über seinen Heimatort spricht, springt der 76-Jährige immer wieder auf, zieht Bücher oder alte Speisekarten aus dem Regal.

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(Foto: oh)

1912 wurde in der Schleißheimer Brauerei das letzte Fass Bier gebraut. Sie befand sich im Südflügel der Schwaige beim Alten Schloss Schleißheim.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Otto Bürger hat sich mit ihrer Geschichte beschäftigt.

Das, was Bürger für all seine Bücher sucht, ist das "Zuckerl in der Ortsgeschichte", das "Salz in der Suppe" und die kleinen "G'schichterl", die die Leute so noch nicht kennen. Zum Beispiel, dass früher in den Pachtverträgen die Pflichten der Wirte ganz genau festgehalten wurden - vom Kehren der Öfen bis zum Sandstreuen bei Glatteis. Oder dass während des Ersten Weltkriegs türkische Piloten in der Schlosswirtschaft einkehrten. Damals zählte die Türkei zu den Verbündeten des Kaiserreichs. Und deshalb wurden auf dem Schleißheimer Flugplatz auch türkische Piloten ausgebildet. Bürger hat Gästebucheinträge von ihnen gefunden. Die Schriftzeichen ließen sich aber nicht entziffern. "Dabei habe ich sogar bei der türkischen Botschaft in Berlin angefragt", sagt er. Zwei Jahre hat er an den Schleißheimer Wirtshausgeschichten gearbeitet. Er recherchierte im Hauptstaatsarchiv, im Kriegsarchiv, im Gemeindearchiv und er durchsuchte sein eigenes Haus. Warum Bürger so viel Zeit und so viel Herzblut aufwendet, um die Geschichte seiner Heimat zu dokumentieren, kann er nicht so leicht beantworten. "Ich lebe seit meiner ersten Lebenswoche in Schleißheim. Seit Mai 1939 ", sagt er und beißt sich auf die Unterlippe. Dann zieht Bürger ein dickes Notizbuch aus seiner Schreibtischschublade. Lose Blätter sind hineingelegt. "Das ist mein erstes Tagebuch aus dem Jahr 1956." Seitdem schreibt er alle Ereignisse auf, auch Jahresrückblicke verfasst er. "Ich habe einfach eine große Affinität zum Schreiben."

Hinzu kommt wohl auch eine Liebe zum Detail, für die kleinen Dinge, mit denen man viel erzählen kann. Für seine Hauswand entwarf er ein Wappen. Es zeigt eine Burg, weil er ja Bürger heißt, und einen Ausschnitt der fränkischen Flagge. "Weil mein Vater aus Franken kommt." In einem Regal in seinem Arbeitszimmer stehen kleine Teedosen und ein Schild "Wer Tee trinkt, vergisst den Lärm der Welt".

Für sein Buch hatte Bürger Hilfe, zum Beispiel von Erich Fischer und seiner Frau Monica Funk. Sie beide gestalteten das Buch, sie rückten die 167 Fotos an die richtige Stelle. "Wir haben alles mit Word gemacht, jeder Profi würde uns auslachen", sagt Fischer. Er ist auch Rentner und Mitglied des Vereins Freunde von Schleißheim. Genauso wie Bürger liebt er seinen Ort. Er hat ein virtuelles Heimatmuseum aufgebaut, in dem man zu jedem Thema von Brauchtum, über Eisenbahngeschichte, bis hin zu Straßennamen alles finden kann. "Und wenn ich mich dann frage, wo ich ein Bild auftreibe, weiß ich, bei ihm natürlich", sagt er und deutet auf Bürger. Es klingt nach tiefer Bewunderung.

Schlicht: das Logo der Königlichen Brauerei Schleißheim. (Foto: N/A)

Am Donnerstag, 26. November, von 19.30 Uhr an hält Otto Bürger einen Lichtbildervortrag zur Geschichte Oberschleißheims im Bürgerhaus. Auch sein neues Buch "Schleißheimer Wirtshausgeschichten" wird er vorstellen. Der Eintritt ist frei.

© SZ vom 25.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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