Neubibergs Partnergemeinde Ablon-sur-Seine:Geruhsamer Ort am Fluss

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Anfang des 20. Jahrhunderts war Ablon-sur-Seine ein beliebtes Ausflugsziel der Pariser. Heute haben sich dort viele mit ihren Familien niedergelassen

Von Daniela Bode, Ablon-sur-Seine

111 Hektar groß, fünfeinhalbtausend Einwohner, unterhalb des Flughafens Paris-Orly. Das sind wahrlich keine beeindruckenden Attribute. Es verwundert also nicht, dass die ersten Antworten, die man auf die Frage erhält, warum man Ablon-sur-Seine im Val-de-Marne als Urlaubsziel wählen könnte, eher bescheiden sind. Der Ort ist seit 1975 Partnerkommune von Neubiberg. 600 Menschen haben sich beim Jugend- und Praktikantenaustausch, bei Erwachsenen-Begegnungen oder sportlichen Wettbewerben bisher kennengelernt.

Wie bei vielen Orten - und seien sie auch noch so klein - lohnt es sich bei Ablon jedoch, genau hinzusehen. Und siehe da, die beschauliche Gemeinde entpuppt sich als ein Fleckchen Erde, das sich durch den Charme seiner Bewohner und die Lage an der Seine auszeichnet. "In Ablon ist es sehr angenehm durch den Fluss, die Leute hier sind nett und es ist ein schöner Ort, um hier zu leben", sagt Ghislain Borrelly, Präsident des Partnerschaftskomitees und Gemeinderatsmitglied in Ablon. Und wenn es nur ein Tagesausflug von der 20 Kilometer nordwestlich gelegenen Metropole Paris ist - ein Besuch lohnt sich allemal.

Ablon heute: Die Schleuse an der Seine gibt es noch. (Foto: Ghislain Borrelly)

Wer sich etwas näher mit dem französischen Städtchen beschäftigt, macht unweigerlich auch einen Ausflug in die Geschichte. Angesichts alter Postkarten kann man sich gut vorstellen, wie erholsam und angenehm es um 1900 gewesen sein muss, an der Seine entlangzuflanieren. Die Frauen in langen Kleidern und mit extravaganten Hüten, die Männer im feinen Zwirn und mit Melone. Ablon war damals so beliebt, dass die Pariser mit Ausflugsbooten über die Seine in die idyllische, am Hang liegende Stadt kamen. In den schönen Restaurants am Fluss gönnten sich die Ausflügler eine Pause. Zu der Zeit florierte auch der Weinhandel über den Fluss. In Ablon wurde der Wein in Kellern gelagert. Einige Händler bauten sich schließlich Häuser in Ablon, wie Borrelly erzählt. Zahlreiche herrschaftlich aussehende Gebäude, vor allem am Quai de la Baronnie und am Quai Pasteur, an der Straße direkt an der Seine, stammen noch aus der Zeit von 1890 bis 1930. Große Grundstücke, verzierte Eisentore. Durch manche Zäune lässt sich auch ein Blick in die oft kunstvoll angelegten Gärten erhaschen. Auch Borrellys Haus ist um die Jahrhundertwende entstanden.

Seit der Zeit hat sich einiges verändert in Ablon, aber der Ort hat seinen Charme nicht verloren. Manche eindrucksvolle Gebäude verfielen, manche wurden im Krieg zerstört. Auch die zwei Schlösser Cour des Lièvres, das im Westen Ablons stand, und das Schloss im Parc des Soeurs, im Park der Schwestern, stehen heute nicht mehr. Es wurden auch viele neue Häuser, auch einige Wohnblöcke gebaut. Die Zahl der Bewohner stieg von rund 600 im Jahr 1890 auf heute rund fünfeinhalbtausend. Ablon ist zum Wohnort geworden. "Viele, die früher in Paris gelebt haben, sind hierhergezogen, weil es hier ruhiger ist", sagt Borrelly. Auch er selbst hat früher in der Metropole gelebt - "es war sehr busy" - und wohnt seit 15 Jahren mit seiner Frau und den mittlerweile drei Kindern in der kleinen Gemeinde an der Seine. "In Ablon ist es sehr gemütlich, es gibt viel Grün", sagt er. Auch die Gelassenheit der Bewohner dürfte ein Wohlfühlfaktor sein. Denn wie der Franzose augenzwinkernd sagt, sind die "Menschen hier normalerweise netter als in Paris, weil sie nicht so gestresst sind". Auch der Lärm der Flugzeuge vom Flughafen Orly störe die Abloner nicht. "Für uns ist das kein Problem, wir hören das nicht mehr. Aber es ist etwas anderes für Leute, die das nicht kennen", sagt Borrelly.

Im Parc des Soeurs kann man ein Päuschen machen. (Foto: oh)

Das Gemütliche, das langsame Tempo dürfte auch für Touristen einen Besuch lohnenswert machen. Parallel zur Seine verläuft heute eine große Straße. Auf einem schmalen Weg, der von Bäumen gesäumt ist, kann man aber noch immer gut spazieren gehen. Man kann das Leben am und mit dem fließenden Gewässer in vielen Facetten kennenlernen. Borrelly erwähnt den für die Abloner "wichtigen" Club Nautique an der Seine. Hier kann man segeln und rudern. "Wer selbst mit dem Boot auf der Seine unterwegs ist, für den ist der Club sicher eine Anlaufstelle", sagt Maria Schindler, Leiterin des Aufgabenbereichs Ablon-sur-Seine des Partnerschaftsvereins in Neubiberg. Er hat ein neues Haus und einen neuen Ponton. Wenn man früh genug anfragt, meint Borrelly, kann man sich vielleicht auch ein Boot ausleihen.

Wer zu Fuß unterwegs ist, könnte über die schmale Fußgängerbrücke, die "passerelle", über dem Wehr und der Schleuse im Westen des Orts auf die andere Flußseite gelangen. "Von hier hat man einen schönen Ausblick auf die Stadt", sagt Borrelly. Nach einer einstündigen Wanderung an der Seine Richtung Süden erreicht man im Ort Draveil den Park "Port aux cerises", ein großes Freizeitgelände mit Angeboten wie Trimm-dich-Pfaden, Hochseilgarten und Ponyclub. Bleibt man auf der passerelle, kann man beobachten, wie Frachtschiffe von der einen Ebene des Flusses auf die andere geschleust werden. Auch wie unberechenbar so ein Fluss ist, sieht man an der ein oder anderen Stelle noch. An manchen Häusern sind Spuren des Hochwassers von 1910 zu sehen. Der Fluss war da zwei Meter über die Ufer getreten.

Die Ausflugsschiffe und die Lokale an der Promenade nur noch auf alten Postkarten. (Foto: oh)

In etwa zu der Zeit, 1909, wurde eine bekannter Sohn Ablons geboren. Alain Poher - als Präsident des Senats war er später zweimal kommissarisches Staatsoberhaupt Frankreichs. Von 1947 bis 1983 leitete er zunächst als Bürgermeister die Geschicke Ablons. Von 1968 bis 1992 war er Präsident des Senats. In der Funktion vertrat er 1969 Charles de Gaulle, der wegen eines gescheiterten Referendums zurückgetreten war. Ein paar Jahre später, 1974, führte der Abloner für ein paar Wochen den französischen Staat, da Georges Pompidou am 2. April 1974 gerstorben war. "Er hat in seiner politischen Funktion sehr für die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich geworben", sagt Maria Schindler über Poher. Sein Geburtshaus steht noch heute, durch das dunkelgrüne Eisentor an der Avenue de Charles de Gaulle 5 kann man ein wenig von dem hellen, prunkvollen Gebäude sehen. Zudem erinnert das Kulturzentrum Espace culturel Alain-Poher an den Politiker. Dort sind heute unter anderem immer wieder Ausstellungen örtlicher Künstler zu sehen, wie Borrelly erzählt.

Nicht weit von dem Kulturzentrum liegt die Rue du Bac, die Haupteinkaufsstraße von Ablon. Hier finden sich aber nicht wie in großen Städten Bekleidungsgeschäfte wie H & M und Co., sondern kleinere Supermärkte und Lebensmittelläden. Man kann sich gut für ein Picknick ausrüsten. Baguettes oder Croissants gibt es bei Aux Traditions d'Ablon oder Launay. Im Metzger- und Delikatessenladen Jolivet gibt es Speisen wie Salat, Pastete, kalten Schweinebraten oder Couscous. "Ich finde, das ist das schönste Geschäft", sagt Borrelly. Dass der Ort an der Seine wie einst von hübschen Restaurants und Cafés gesäumt wird, ist heute nicht mehr so. Um gut essen zu gehen, würde Borrelly empfehlen, ins benachbarte, größere Villeneuve-le-Roi oder nach Paris zu fahren. Mit dem Regionalzug RER ist man in 15 Minuten dort.

Ablon war damals so beliebt, dass die Pariser mit Ausflugsbooten über die Seine in die idyllische, am Hang liegende Stadt kamen. (Foto: oh)

Ausgerüstet mit französischen Leckereien kann man sich aber in eine Ruheoase aufmachen, die auch die Abloner gerne aufsuchen. Der Parc des Soeurs im Südwesten der Stadt. "Mit seinen drei Hektar ist er ziemlich groß für die kleine Stadt", sagt Schindler. Hier kann man Spazieren gehen, einen für die Zeit um 1900 typische Fischteiche bewundern. Genauso kann man sich an einem der Picknickplätze niederlassen und das viele Grün genießen. Man wird hier und da Kinder spielen oder Jogger vorbeilaufen sehen.

Bahnbrechende Erkenntnisse wird man nach einem Besuch in Ablon vielleicht nicht mitnehmen, aber den Charme einer kleinen Stadt an der Seine erlebt haben. Außerdem kann man sich ja ein Hotelzimmer im geschäftigen Paris nehmen und am Abend wieder dorthin zurückkehren.

© SZ vom 26.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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