Nach langen Diskussionen:Pullach verschiebt Entscheidung über Flüchtlingsunterkunft

Lesezeit: 2 min

Grünen-Fraktionssprecher Fabian Müller-Klug nahm Gemeinde und Bürger in die Verantwortung. (Foto: Bardehle)

Welches Grundstück dem Landratsamt angeboten wird, bleibt auch nach langer Gemeinderatsdebatte offen. Stattdessen sollen nun die Bürger mitreden

Von Konstantin Kaip, Pullach

Die Unterbringung von Flüchtlingen ist in Pullach geprägt von Provisorien: Gerade wurde dort die Notunterkunft für zirka 100 Flüchtlinge in der Turnhalle der Mittelschule geräumt, dafür wurde in der Burg Schwaneck eine Notunterkunft für 116 jugendliche Flüchtlinge eingerichtet. Dauerhaft konnte die flächenmäßig stark begrenzte Gemeinde bislang aber nur zirka 50 Asylbewerber dezentral unterbringen. Angesichts der Zahl von 250 Schutzsuchenden, die Pullach laut Quote bis Ende 2016 aufnehmen muss, klafft eine Lücke. Trotzdem gehört die Isartalgemeinde zu den wenigen Kommunen im Landkreis, die noch kein eigenes Grundstück für eine Flüchtlingsunterkunft zur Verfügung gestellt haben.

Darüber, welche Fläche man dem Landratsamt anbieten soll, wird seit Monaten im Gemeinderat debattiert. Am Dienstagabend sollte im Gremium endlich eine Entscheidung fallen. Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) hatte mit der Verwaltung drei gemeindeeigene Grundstücke mit Baurecht zur Auswahl gestellt, die nicht Bestandteil des Ortsentwicklungsplanes sind, den die Gemeinde gerade mit den Bürgern initiiert hat: das Grundstück nördlich des Kindergartens "Isarspatzen" an der Hans-Keis-Straße, ein Areal im Süden derselben Straße nördlich des Altenheims "Haus am Wiesenweg" und einen Grundstückskomplex an der Anton-Köck-Straße. Dort wollte die SPD-Fraktion bereits im März laut einem Antrag Wohnhäuser für Flüchtlinge und Pullacher errichten lassen, was allerdings das Gremium mehrheitlich abgelehnt hatte.

Wie Bürgermeisterin Tausendfreund darlegte, ist das Grundstück am Altenheim an dessen Träger, den Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, verpachtet. Der habe aber Kooperationsbereitschaft signalisiert. Vorstellbar sei dort auch ein "Kombi-Modell", bei dem der Paritätische Wohlfahrtsverband ein Haus mit Wohnungen für Personal und Flüchtlinge errichte. Das Grundstück am Kindergarten komme grundsätzlich in Frage, belaste die Hans-Kais-Straße baulich jedoch sehr, da die Gemeinde gegenüber von der Wohnungsbaugesellschaft ein Mehrfamilienhaus errichtet.

Im Gemeinderat kam es zu einer langen Diskussion, bei der alle Fraktionen ihren Standpunkt klarmachten. Die SPD machte sich erneut für den Standort an der Anton-Köck-Straße stark. Es gehe darum, kostengünstigen Wohnraum zu schaffen, sagte Arnulf Mallach (SPD). "Einweggebäude", die vom Landratsamt beauftragte Investoren für zehn Jahre errichten würden, seien nicht sinnvoll. Schließlich würden die meisten Flüchtlinge dauerhaft bleiben. Außerdem könne man nur mit selbst errichteten Häusern die gewünschte "Durchmischung" verwirklichen und Ungerechtigkeiten gegenüber Pullachern, die lange auf eine Wohnung warten, vermeiden. Auch die Grünen drängten auf eine Entscheidung: "Wir sollten uns bis Weihnachten um eine Lösung bemühen", sagte Fraktionssprecher Fabian Müller Klug und appellierte an die Verantwortung, der sich auch die Bürger nicht entziehen könnten.

Von der sprach auch Alexander Betz (FDP). Dennoch sehe er sich nicht in der Lage, sich für ein Grundstück zu entschieden. Vielmehr müsse man vorher "alle Optionen genau prüfen". Dazu gehörten auch nicht gemeindliche Liegenschaften wie das Warnberger Feld, das Gelände des Bundesnachrichtendienstes und die "Spekulationsruinen" ehemaliger Staatsbahnhof Großhesselohe und Bad Pullach. Ähnlich sah es Andreas Most (CSU), der die Liste noch um ein Grundstück am Grundlberg ergänzte. Die Gruppierung "Wir in Pullach" (WIP) hingegen berief sich auf das "eindeutige Fazit" der von ihnen befragten Bürger: Pullach, die immerhin fünftkleinste Gemeinde im Landkreis, wie WIP-Sprecher Reinhard Vennekold feststellte, solle kein Grundstück zur Verfügung stellen.

Tausendfreund erklärte, dass das Landratsamt bereits über alle Alternativen auf nicht gemeindlichem Grund informiert sei und erinnerte an die "Verpflichtung der Gemeinde, ein Grundstück anzubieten". Zu einem Beschluss führte die etwa zweistündige Debatte, die zirka 80 Bürger im Sitzungssaal verfolgten, jedoch nicht. Das Gremium stimmte schließlich mit elf zu acht Stimmen für den Antrag von Caroline Voit (CSU), die Entscheidung zu vertragen und die Bürger vorher bei einer Informationsveranstaltung an der Debatte zu beteiligen.

© SZ vom 22.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: