Nach Paris:Ende der Einigkeit

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Seit März 2015 führt die 24-jährige Bela Bach als Nachfolgerin von Natascha Kohnen die Kreis-SPD. (Foto: Claus Schunk)

Die SPD-Kreisvorsitzende Bela Bach kritisiert ihren CSU-Kollegen Florian Hahn für dessen Aussagen zu militärischen Einsätzen im Inneren. Die Attacke passt in eine Zeit, in der auf kommunaler Ebene der Ton rauer wird

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Parteiübergreifender Konsens bestimmt die Flüchtlingspolitik des Landkreises München. Eigentlich sind, wenn es um die zentralen Fragen der Integration, der Unterbringung, des Wohnungsbaus, des Miteinanders und des sozialen Friedens geht, keine Grenzen zwischen den Fraktionen mehr zu erkennen. Das verkehrt sich aber ins Gegenteil, wenn die politisch Handelnden ihren Blick von der kommunalen Ebene lösen - dann kommt es zur Konfrontation.

Die SPD-Kreisvorsitzende Bela Bach hat nun den CSU-Kreisrat und Bundestagsabgeordneten Florian Hahn ins Visier genommen und wirft dem Putzbrunner angesichts dessen öffentlicher Äußerungen nach den Anschlägen in Paris "Leichtfertigkeit" und "Verantwortungslosigkeit" vor. Hahn hatte nach den verheerenden Terroranschlägen erklärt, der Islamische Staat habe "uns spätestens jetzt den Krieg erklärt" und ergänzt: "Damit werden wir umgehen müssen. Im Zweifel ist das ein Bündnisfall." Hahn, Mitglied es Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag, spielte damit auf den sogenannten Verteidigungsfall an, der in Artikel fünf des Nordatlantikvertrags geregelt ist und den militärischen Beistand innerhalb des Bündnisses bei einem Angriff auf ein Mitglied regelt. Mehr noch echauffiert sich Bach aber über weitere Ausführungen Hahns in diesem Zusammenhang, in denen er - via Nachrichtendienst Twitter - erklärt, der "Einsatz der Bundeswehr im Inneren muss auch legal möglich sein".

Bach kritisiert, es sei fahrlässig, die Ausrufung des Nato-Bündnisfalles herbeizureden, schließlich sei dieser ein "Instrument des Kalten Krieges". Zudem stellt Bach die Frage, was ihr Kreistagskollege Hahn mit der Forderung nach "legalen Einsätzen" der Bundeswehr im Inneren bezwecke, schließlich könne es einen "illegalen Einsatz" ohnehin nicht geben. Hahn, sagt Bach, strebe eine veränderte Ausrichtung der Truppe an: "Die Heranziehung der Bundeswehr zu Hilfstätigkeiten und ihre damit einhergehende Degradierung zum Hilfssheriff." Dies, sagt die SPD-Kreisvorsitzende, sei kaum Sinn und Zweck einer Verteidigungsarmee.

Auf Kreisebene wird nun jener Riss deutlich, der auch auf großer politischer Bühne immer mehr zutage tritt. Während die Sozialdemokraten im Landkreis - allen voran ihre Kreisvorsitzende - vehement gegen weitere Verschärfungen des Asylrechts sowie Beschränkungen bei der Einreise oder gar Kontingentierungen eintreten, befinden sich die Mandatsträger der CSU - der Bundestagsabgeordnete Hahn sowie die Landtagsabgeordnete Kerstin Schreyer-Stäblein aus Unterhaching - stramm auf Parteikurs und plädieren weiter für einen intensiveren Schutz der Außengrenzen und Einschränkungen des Asylrechts. Ein weiterer Riss offenbart sich aber auch zwischen jenen, die konkret auf kommunaler Ebene Entscheidungen treffen müssen, und jenen, die ihre Konzentration eher auf die Beantwortung großer Fragen auf Landes- oder Bundesebene richten wollen oder müssen. In den Sitzungen der Kreisgremien aber auch in den Gemeinde- und Stadträten des Landkreises widmen sich die Mandatsträger der Beantwortung drängender kommunaler Probleme - und nicht dem Diskurs über bundespolitische Weichenstellungen. Landrat Christoph Göbel (CSU) hatte bezüglich mancher Debatten innerhalb der CSU auf Landesebene gesagt, er könne darauf keine Rücksicht nehmen, sondern habe eine Aufgabe zu erfüllen. Einzig mit seiner Forderung nach einem Einwanderungsgesetz hat der CSU-Landrat diese Linie bisher verlassen.

Die Reaktion Bachs auf die Ausführungen des Wehrexperten Hahn fällt aber auch in eine Zeit, in der sich im Landkreis München der Ton - insbesondere unter den jüngeren CSU-Mitgliedern - verschärft. Unverhohlen haben Mitglieder der Jungen Union, darunter die Kreisvorsitzende Nicola Gehringer und ihr Stellvertreter Thomas Pardeller, in den vergangenen Tagen die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin attackiert. Pardeller legte Angela Merkel gar den Rücktritt nahe, sollte diese ihre Fehler nicht einsehen und korrigieren. Das, ließ der Neubiberger Gemeinderat verlautbaren, würde dem "Scheitern ihrer Kanzlerschaft" gleichkommen. Bisher hat es der CSU-Kreischef Hahn - auch auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung - vermieden, zu diesen Bemerkungen Stellung zu beziehen.

© SZ vom 24.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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