München: Mysteriöser Kriminalfall:Die Geschichte einer Entführung

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Tagelang fehlte von Tankstellenpächter Peter M. jede Spur. Jetzt ist er wieder aufgetaucht - und wurde von der Polizei verhaftet. Der klamme Pächter soll die Entführung inszeniert haben.

Susi Wimmer

Er ist wieder da: So urplötzlich, wie der 48-jährige Tankstellenpächter Peter M. am Montagmorgen aus Bogenhausen verschwunden war, so unvermittelt tauchte er Samstagnachmittag wieder auf.

Tankstelle in der Richard-Strauss-Straße: Nach Tagen ist der verschollene Pächter Peter M. wieder aufgetaucht - in seiner Tankstelle. (Foto: Stephan Rumpf)

Mit einem Taxi fuhr er an seiner Aral-Tankstelle in der Richard-Strauss-Straße vor, Angestellte verständigten die Polizei. Der Mordkommission erzählte der Mann, er sei entführt worden, habe aber flüchten können. Die Ermittler kauften dem 48-Jährige die Story allerdings nicht ab. Sie glauben, dass der Mann Banken und die Pächtergesellschaft seiner Tankstelle betrogen hat und sich absetzen wollte, weil er kurz davor war aufzufliegen. Am Sonntag erließ ein Richter Haftbefehl gegen M.

Etwas verwahrlost, unrasiert und so, als habe er sich ,,in Waldgegenden'' aufgehalten, sei Peter M. am Samstag um 15.30 Uhr an der Tankstelle erschienen, berichtet Markus Kraus, Leiter der Mordkommission. Der diensthabende Geschäftsführer habe die Bavaria Petrol GmbH verständigt, die alarmierte die Polizei. Aus gutem Grund: Denn mittlerweile war klar, dass Peter M. in dringendem Verdacht steht, bei der umsatzabhängigen Pacht die Bavaria Petrol betrogen und Einnahmen abgezweigt zu haben.

Außerdem stießen die Ermittler auf Ungereimtheiten bei Geschäftskrediten. Offenbar saßen ihm die Betrogenen schon im Nacken: Bavaria Petrol hatte bei mehreren Überprüfungen Ungereimtheiten in den Abrechnungen entdeckt und Peter M. damit konfrontiert - wenige Tage vor seinem Verschwinden. Die Mordkommission war sich deshalb nach kurzer Zeit sicher, dass Peter M. abgetaucht ist. Bereits am Freitag wurde ein Haftbefehl wegen Vortäuschens einer Straftat sowie wegen Betrugs und Untreue erlassen.

Samstagabend bekamen die Ermittler der Mordkommission von Peter M. eine "abenteuerliche Geschichte" zu hören: Montagfrüh, so M., sei er am Herkomerplatz vor der Bank von zwei Männern mit einem Messer bedroht und in einen Lieferwagen gezerrt worden. Dabei habe er sich an der Hand verletzt, deshalb das Blut am Auto. Ein Entführer war klein, der andere groß, beide sprachen gebrochen deutsch, an ein Autokennzeichen könne er sich nicht erinnern. "Teilweise alleine, teilweise mit den Entführern" habe er die Tage zugebracht.

Einmal sogar hätten ihn die Täter ausgesetzt, er sei zu einer Tankstelle gelaufen, habe sich aber nicht getraut, die Polizei zu alarmieren, "aus Angst, die Entführer könnten zurückkommen". Da der ganze Fall in den Medien so präsent gewesen sei, hätten die Entführer auf ihre Lösegeldforderung verzichtet, erzählte M. Die 2000 Euro Einnahmen, die der 48-Jährige am Montag zur Bank bringen wollte, hätten sie ihm abgenommen, ebenso seine Kreditkarten. Allerdings war M. am Samstag mit dem Taxi an der Tankstelle vorgefahren, im Portemonnaie noch 150 Euro.

M. behauptet zudem, er habe schon am Freitag flüchten können und sei von der Polizei und einer Staatsanwältin bereits aufgegriffen und vernommen worden. Markus Kraus und Staatsanwältin Nicole Selzam entlockt das nur ein Lächeln, vor Samstag hatte die Polizei keinen Kontakt zu Peter M. Laut Kraus wirkte M. müde, "aber nicht deutlich schockiert". Er vermittle nicht den Eindruck, dass er psychisch krank sei. Warum Peter M. am Samstag zurückgekehrt ist, ist unklar: Vielleicht weil ihm das Geld ausging und er seine Kreditkarten nicht benutzen konnte, oder weil nach den Presseberichten ganz München nach ihm suchte. Die Indizien sprechen dafür, dass die Inszenierung wenig durchdacht war. Die Polizei geht davon aus, dass M.s Ehefrau und seine Eltern nichts von dem Plan wussten.

Peter M. räumte die Vermögensdelikte ein, beziffert den Schaden jedoch im unteren sechsstelligen Bereich, die Polizei ist da anderer Meinung. Durch die Untertunnelung des Mittleren Rings seien die Umsätze an M.s Tankstelle zurückgegangen, sagt Markus Kraus. Trotzdem hätten die Einnahmen auch weiterhin zum Leben reichen können. "Man hätte halt den Lebensstil ändern müssen."

© SZ vom 7.2.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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