Montemarciano:Wie in der Toskana, nur nicht so überlaufen

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Wer das Meer, gutes Essen, Wein und vor allem Ruhe liebt, ist im italienischen Montemarciano richtig. Die Höhenkirchen-Siegertsbrunner Partnergemeinde in den Marken bietet all das. Allerdings gibt es nur wenige Unterkünfte

Von Julia Weller, Montemarciano

Es war die Liebe, die zur Partnerschaft mit Montemarciano geführt hat. Vor 54 Jahren heiratete Brigitte Meining-Magrini in München ihren italienischen Mann, einige Jahre später zog sie mit ihm nach Montemarciano in Italien. Ihr Bruder Günter Meining vom CSU-Ortsverband Höhenkirchen-Siegertsbrunn besuchte sie mehrmals in der Gemeinde an der Adria, dabei lernte er auch den damaligen Bürgermeister Gerardo Cingolani kennen. Von da an folgten viele gegenseitige Familien- und Politikerbesuche: "Das war sozusagen Liebe auf den ersten Blick", sagt Höhenkirchen-Siegertsbrunns Bürgermeisterin Ursula Mayer. Nach einigen Jahren Annäherung konnte die Freundschaft schließlich feierlich besiegelt werden: Vor zehn Jahren wurde der offizielle Partnerschaftsvertrag in Höhenkirchen-Siegertsbrunn unterzeichnet.

Wenn Günter Meining von Montemarciano spricht, dann liegt ein seliges Lächeln in seiner Stimme: "Die Landschaft ist einfach herrlich, man kann das mit der Toskana vergleichen." Ohnehin schmiegt sich die Provinz der Marken, in der Montemarciano liegt, direkt an die allseits bekannte Zypressenlandschaft um Florenz herum an. Auch zum Hafen von Ancona und der Universitätsstadt Jesi ist es kein weiter Weg. "Die Region lockt mit wunderbarem Essen und wertvollen Weinen. Der Weißwein Verdicchio wird auf der ganzen Welt getrunken, sogar in einem kleinen Restaurant in Mexiko habe ich ihn schon entdeckt", erzählt Meining, der regelmäßig in den italienischen Küstenort fährt.

Das meiste Lob gebührt laut Meining aber nicht den kulinarischen Vorzügen der Stadt, sondern ihren menschlichen: "Wann immer jemand aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn dort hinkommt, er wird mit großer Herzlichkeit empfangen." Meining betont, dass die Partnerschaft zwischen den Gemeinden nicht nur auf dem Papier bestehe: So seien schon mehrere Delegationen in den jeweils anderen Ort gereist, die Blaskapellen stünden im regen Austausch und viele Menschen würden ihre Partnergemeinden auch einfach privat besuchen. "Da sind schon viele Freundschaften entstanden", freut sich Meining. Nur beim Kontakt unter den Jugendlichen hapert es noch: "Ein Schüleraustausch ist bisher an den unterschiedlichen Ferienzeiten gescheitert, aber vielleicht können wir das an Ostern einmal machen."

Auch Gitta Eckl-Reinisch wünscht sich intensivere Bande zwischen den Jugendlichen beider Orte. Die Übersetzerin begleitete den Partnerschaftsprozess von Beginn an und stellte sicher, dass sich beide Seiten auch sprachlich gut verstehen. Sie dolmetschte für die Politiker und brachte in ihren Kursen vielen interessierten Höhenkirchnern die italienische Sprache näher. Mit einigen ihrer erwachsenen Schüler reiste sie im Jahr 2013 sogar nach Montemarciano, wo sie auch privat viele Freundschaften pflegt. "Die Italiener sind vor allem am kulturellen Dialog interessiert", sagt Eckl-Reinisch, "und sie versuchen, den Austausch unter den Jugendlichen zu verstärken."

Seit mehreren Jahren haben junge Menschen zum Beispiel die Möglichkeit, als Praktikanten für kurze Zeit in ihrer Partnergemeinde zu arbeiten. Anfang August verbrachte Laura Lutzenberger zwei Wochen in Montemarciano. "Meine Gastfamilie gibt sich wirklich Mühe, dass ich mich hier wohl fühle. Sie sprechen ganz langsam und deutlich und zeigen mir die italienische Lebensweise", erzählt die 18-Jährige, die seit einigen Jahren in der Schule Italienisch lernt. "Ich liebe Italien einfach, und dieser Ort hier ist besonders schön."

Vermutlich war es ihre eigene Mutter, die Laura mit der Begeisterung angesteckt hat. Karin Sieber hat den Verlauf der Partnerschaft seit 2006 miterlebt. Damals nahm sie an der ersten offiziellen Fahrt nach Montemarciano teil, es sollten noch mehrere Besuche folgen. "Ich habe sogar ein wenig Italienisch gelernt", erzählt Sieber, "die Gemeinde hat dafür extra Sprachkurse veranstaltet. Die Leute haben sich sehr für Montemarciano interessiert und die Kurse waren gut besucht, das war so ein wahnsinniges Wir-Gefühl." Auch Sieber schwärmt von den Weinen, dem Strand und der Landschaft: "Es liegt ja auf gleicher Höhe wie die Toskana, aber es ist nicht so überlaufen." Obwohl der kleine Ort nur etwa 10 000 Einwohner zähle, gebe es ein umfangreiches Kulturleben: "Ganz oft finden Vorführungen im Theater statt, und einmal waren wir auch in der Oper."

Die Frau, die durch ihre Heirat die Freundschaft der Orte erst begründet hat, schätzt vor allem die Beschaulichkeit des Dorfes. In Brigitte Meining-Magrinis Worten klingt noch leicht das Bairische durch, doch ansonsten ist sie voll im Dolce Vita angekommen: "Wir haben uns ein Reihenhaus in Montemarciano gekauft, weil es dort ruhiger und gemütlicher ist als in den großen Städten. Jetzt wohnen wir an der Marina und genießen den Ruhestand." In den Ortskern, der drei Kilometer entfernt im hügeligen Hinterland liegt, kommt die 77-Jährige heutzutage nur noch selten.

Die Altstadt schlängelt sich dort in engen, steilen Gassen um die alte Kirche des Apostels Sankt Petrus herum. "Da gibt es reizende Arkadengänge mit wunderschönen Fresken", schwärmt Bürgermeisterin Ursula Mayer. "Im Dorf ist eigentlich nicht viel los, es gibt leider auch kein Hotel", erzählt hingegen die Auswanderin Meining-Magrini. "Aber an der Küste stehen einige Strandlokale, und die Gemeinde vermittelt interessierten Besuchern private Gastgeber." Kommerzielle Unterkünfte finden sich in Senigallia und Falconara, beide Küstenstädte sind nur wenige Kilometer entfernt. Und auch Jesi, Geburtsort von Friedrich II., lohnt einen Besuch. Die Stadt mit rund 40 000 Einwohnern hat eine lange römische Geschichte, monumentale Stadtmauern und prunkvolle Paläste zu bieten. Nach jedem noch so anstrengenden Ausflug lässt es sich in Montemarciano am Meer entspannen, im Sommer sogar bis zum Sonnenaufgang. "Am 15. August wird in ganz Italien Ferragosto gefeiert, da übernachtet man am Strand", erzählt Laura.

Vor einigen Wochen erst wurde in Höhenkirchen das zehnte Jubiläum der Verbindung gefeiert, eine Delegation aus Italien war zu Gast. "Unsere Freunde aus Montemarciano haben das gesamte bayerische Programm genossen", erzählt Günter Meining, "wir waren mit ihnen in der BMW-Welt und im Hofbräuhaus. Da war ich wirklich überrascht, wie sogar die jungen Italienerinnen ganze Schweinshaxen verputzt haben." Die Besucher schauten sich auch in der Residenz und einer Brauerei um. Für 2016 plant das Rathaus wieder einen Gegenbesuch in der Partnerkommune.

Die beiden Gemeinden trennen ungefähr 500 Kilometer Luftlinie. Von München ist man mit dem Auto etwa sieben Stunden unterwegs, mit dem Flugzeug nur eine einzige. Die Anreise per Zug dauert deutlich länger: "Ich saß mehr als zehn Stunden in der Bahn", sagt Praktikantin Laura, "aber selbst das hat sich gelohnt."

In Höhenkirchen-Siegertsbrunn lassen sich an verschiedenen Orten Spuren der Partnerschaft entdecken. So stellte der Künstler Claudio Candelaresi aus Montemarciano hier im Kulturjahr 2007 seine Skulpturen aus. Vor zehn Jahren pflanzte die Gemeinde vor der Leonhardikirche einen Baum als Symbol der Freundschaft, zum Jubiläum wurde nun zusätzlich eine Rundbank eingeweiht. Irgendwann kann man dort vielleicht im Schatten sitzen: "Der Baum ist noch nicht sehr groß, aber schon ein bisschen gewachsen", sagt Meining. Eben ganz genau wie die Partnerschaft.

© SZ vom 02.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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