Es herrscht dicke Luft hier im Unterhachinger Edeka auf Höhe der Bananen und Papayas. Nicht weil es unter dem Mund-Nasenschutz zu dampfen beginnt, so sehr gar, dass die Brillengläser anlaufen und man nur noch schemenhaft die Umgebung wahrnimmt. Sondern weil man in diesem benebelten Zustand leicht sogar einen ausgewachsenen Menschen komplett übersehen kann. "Herrgott, passen S' halt auf!", schimpft der bedauernswerte Mitkunde, nachdem der schwer beladene Einkaufswagen gegen seine Achillessehne gerumpelt ist. Unter normalen Umständen ließe sich an der Mimik des Geschädigten der Grad seiner Erregung ablesen und könnte man abschätzen, ob es ein einfaches "Tschuldigung" tut oder man besser zu Kreuze kriecht. Aber der Mann hat kein ganzes Gesicht mehr, die für die nonverbale Kommunikation eminent wichtige untere Gesichtshälfte ist hinter der Maske verborgen.
Mundbewegungen sind nach Überzeugung der Neurowissenschaftler das wichtigste Signal in der menschlichen Kommunikation, während die obere Gesichtshälfte zur Vermittlung von Emotionen nicht viel taugt. Augen aufreißen oder zusammenkneifen, die Augenbrauen hochziehen und die Stirn in Falten legen, mehr ist nicht drin. Wahrscheinlich hat der Mitkunde im Moment des Auffahrunfalls seine Augen weit aufgerissen. Man konnte das selbst nicht sehen, er stand ja mit dem Rücken vor einem.
"Tschuldigung", sagt der reuige Unfallverursacher und legt gleich sein ganzes Gesicht in Falten. Doch der Bedauern und Mitleid signalisierende Mund kann außer "Tschuldigung" sagen gar nichts, die mimisch dargestellten Emotionen schaffen es nicht über den Rand der Maske. Dafür hat man jetzt wieder klare Sicht und schiebt angesichts der Statur seines Opfers ein "Tut mir echt leid!" nach. Glücklicherweise ist der Mann nicht allzu nachtragend. Denn auch wenn seine obere Gesichtshälfte schmerzfrei aussieht, versichert er glaubhaft, dass ihn immer noch die Achillessehne zwicke. Es ist an der Zeit, dass durchsichtige Schutzmasken auf den Markt kommen, oder Einkaufswagen mit Stoßdämpfer.