Mitten in Unterföhring:Wasser! Wasser!

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Dass der Herbst mittlerweile zum Frühling mutiert, ist den Unterföhringern wurscht. Hier werden die Brunnen abgedeckt - und aus den Hähnen am Friedhof kommt kein Tropfen mehr

Von Sabine Wejsada

Dieser Spätherbst fühlt sich wie Frühling an: Der Wintermantel bleibt im Schrank, Handschuhe, Schal und Pelzmütze braucht kein Mensch. Männer in kurzen Hosen joggen an der Isar, Frauen führen ihre Sommerkleider spazieren und die Eisdielen machen ein gutes Geschäft. Wären da nicht Lebkuchen in den Läden und Auslagen-Dekorationen samt Nikolaus und Engelchen, die vom nahen Weihnachtsfest künden, man könnte meinen, Ostern ist nicht mehr weit. An Glühwein mag niemand denken. Dann schon lieber einen Spritz im Straßencafé oder ein schönes Kaltgetränk im Biergarten, wo sich die Kastanien einbilden, noch einmal so richtig schön blühen zu müssen.

Nur in Unterföhring, genauer gesagt im dortigen Parkfriedhof, hat längst die Winterzeit Einzug gehalten. Mitarbeiter des Bauhofs haben die Brunnen sorgfältig abgedeckt, aus den Hähnen kommt kein Tropfen mehr. Es könnte ja der Frost zuschlagen, an den sich Ältere noch erinnern können. Von diesem strengen Gesellen allerdings soll es in nächster Zeit nicht die geringste Spur geben, wie Meteorologen aus ihren komplizierten Wettermodellen gelesen haben wollen. Den Unterföhringern ist das egal: Wasser läuft bestenfalls noch in den WC-Anlagen gleich am Eingang. Wer jetzt, wo es doch laut Kalender vorbei sein muss mit aller Herrlichkeit der Natur, die in schönster Pracht gedeihenden Blümchen auf dem Grab der Verstorbenen wässern möchte, muss seine Gießkannen schon selbst von zu Hause mitbringen - und zwar randvoll. Denn die Erde und alles, was aus ihr sprießt, haben mächtig Durst in Zeiten wie diesen, wo Klimaforscher einen bislang um fünf Grad zu warmen Monat beklagen und der Mensch eher nach Mücken schlägt als einen Adventskranz zu kaufen.

Die Unterföhringer ficht all das nicht an: Im November mit all seinen Toten- und Trauertagen, der ob des fortgeschrittenen Jahres voller Nebel und Trübsal sein muss, wird am Friedhof das Wasser abgestellt. Asche zu Asche, Staub zu Staub. Mögen auch all die Wetter-Apps von strahlendem Sonnenschein und wohliger Wärme künden.

© SZ vom 13.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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