Mitten in Unterföhring:Jubeln wie die Feuerwehr

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Live ist nicht gleich live bei der EM-Übertragung. Von draußen hört man schon die Freudenschreie, während auf dem eigenen Fernseher das Drama noch voll im Gange ist

Von Sabine Wejsada

Mensch, nur noch knapp eine Woche - und dann wird es wieder ruhig in deutschen Wohnzimmern, Gaststätten und öffentlichen Gebäuden oder auf Plätzen: Nach dem 10. Juli ist Schluss mit den schönen Fußballabenden, die man je nach Gemütslage entweder im kleinen Kreis verlebt oder zusammen mit einem Haufen Gleichgesinnter beim Public Viewing.

In Unterföhring räumt die örtliche Feuerwehr ihr Gerätehaus jedes Mal leer, wenn die Mannschaft von Jogi Löw in Frankreich aufläuft. Und auch am Samstagabend, als das Italien-Trauma erst in einem Elfmeter-Krimi zugunsten unserer Buben entschieden wurde, stöhnten und frohlockten zahlreiche Besucher über ausgelassene Chancen, verschossene, verwandelte und gehaltene Strafstöße. Lauthals übrigens, wie es sich für echte Fans gehört. Die Schmerzensschreie und Jubelarien waren noch Straßen weiter zu vernehmen.

Wer den Weg zum Gemeinsam-Schauen an diesem Wahnsinnsabend nicht schaffte, zum Beispiel weil er ein Nervenbündel ist und lieber für sich alleine leidet oder ausflippt, aber ab und zu auf den Balkon gehen muss, um sich abzukühlen, der wunderte sich: Während auf dem heimischen Fernseher Thomas Müller in seiner unnachahmlichen Art zum Elfmeterpunkt schlenderte, um Deutschland in Führung zu bringen, schimpfte es bereits von der Feuerwehr herüber, weil der frühere Torgarant genauso glücklos agierte wie bisher in allen Partien dieser EM. Verschossen. Dasselbe Spiel bei Özil und Schweinsteiger. Die Feuerwehr jammerte und klagte, ehe sie endlich von Jonas Hectors Siegtreffer erlöst wurde und eine breite Applaus-Welle herüberschwappte, obwohl daheim erst ein paar Sekunden später Buffon von Hec-Tor überwunden war. Da stieg der Puls aus ganz anderen Gründen als die 120 Minuten zuvor, denn die Spannung war dahin.

Was bleibt von diesem Abend? Balkontür und Fenster geschlossen halten während der hoffentlich noch zwei Begegnungen der deutschen Nationalmannschaft bei dieser EM. Keine Telefonate am Donnerstag und Sonntag mit Menschen, die einen schnelleren TV-Empfänger haben. Oder eben zur Feuerwehr gehen. Die sind von der schnellen Truppe.

© SZ vom 05.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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