Mitten in Unterföhring:Ganz allein am rechten Rand

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Die Unterföhringer lassen die AfD ins Leere laufen

Kolumne von Lars Brunckhorst

Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin. Dieses Bertolt Brecht zugeschriebene Zitat hatte seine Blüte in den Achtzigerjahren, der Hochzeit der Friedensbewegung. Auch wenn es in Wahrheit wohl von dem amerikanischen Dichter Carl Sandberg (1878 bis 1967) stammt, so war die Botschaft doch klar: Wenn wir uns alle gegen euer Wettrüsten stellen, könnt ihr euch eure Atomraketen sonst wohin stecken, Amerikaner und Russen. Dieser Strategie haben sich am vergangenen Wochenende auch die Menschen in Unterföhring erinnert: Stell dir vor, die AfD macht Wahlkampf, und keiner geht hin, sagten sich die Einwohner der Stadtrandgemeinde - und hatten damit bemerkenswerten Erfolg.

Nicht nur, dass sich vor dem Bürgerhaus am Samstagvormittag im Regen kaum Sympathisanten einfanden, es gab - anders als vor zwei Monaten - auch keine Gegendemonstration. Die Unterföhringer zeigten damit, dass sie aus ihrer Erfahrung gelernt haben, und der AfD zugleich die kalte Schulter. Nachdem im Mai noch rund 150 Bürger eine Menschenkette gegen einen Stand der rechtspopulistischen Partei gebildet hatten, gerierte diese sich einmal mehr als Opfer. Per Anwalt setzte die Partei im Gemeindeblatt Veröffentlichungen gegen die Organisatoren der Demonstration durch und für vergangenen Samstag rief sie zu einer Kundgebung unter dem Motto "Meinungsfreiheit für alle" auf. Zu dieser erwiesen die demokratischen Parteien am Ort der AfD nicht noch einmal den Gefallen, sie durch eine Gegendemonstration aufzuwerten. Ihr Fernbleiben demonstrierte am besten, was die AfD ist: eine Randpartei, der viel zu viel Bedeutung beigemessen wird.

Das soll kein Plädoyer für verzagtes Wegducken gegenüber Populisten sein. Wo es nötig ist - im politischen Diskurs wie im Alltag - muss Haltung gezeigt und Widerstand geleistet werden. Denn der Brecht-Sandberg-Vers wurde von den Friedensbewegten stets unvollständig zitiert. Im Original heißt es vollständig: "Stell dir vor, es ist Krieg, und niemand geht hin, dann kommt der Krieg zu euch. Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt, (...) der wird teilen die Niederlage."

© SZ vom 24.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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