Mitten in Taufkirchen:Ein Fall für Automatix

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Den Redefluss mancher Gemeinderäte zu stoppen, ist schwierig - aber nicht unmöglich

Kolumne von Iris Hilberth

Spätestens seit dem Gallier Troubadix wissen wir, was mit Barden passieren kann, deren Gesang keiner ertragen möchte. Heutzutage aber hat man andere Möglichkeiten, Vortragende zum Schweigen zu bringen oder Lieder, Ansagen und Statements ungehört verhallen zu lassen. Vor allem dann, wenn man über eine Mikrofonanlage verfügt, mit der man als Chef entscheiden kann, wer, wann sprechen darf.

Auch im Sitzungssaal des Taufkirchner Rathauses gibt es einen solchen modernen Schallwandler, den Bürgermeister Ullrich Sander von seinem Platz aus steuern kann. Die Mikrofone der Gemeinderatsmitglieder funktionieren nur, wenn er das Go gibt. Oder eben nicht. Bisher allerdings verdrehte Sander höchstens die Augen, wenn er Gesagtes nicht hören wollte, schon tausendmal zuvor gehört hatte oder es für ausgemachten Blödsinn hielt. Man kann sich aber vorstellen, dass er bei seinem Vor-Vorgänger Eckhard Kalinowski, der inzwischen für die Freien Wähler im Gemeinderat sitzt, öfter mal an Troubadix gedacht hat. In der letzten Sitzung vor der Sommerpause nun eskalierte die Situation. Es ging um Datenschutz, um die Blaskapelle und die Frage, inwieweit der Bürgermeister berechtigt ist, den Musikern künftig den Sitzungssaal vorzuenthalten, weil dort vertrauliche Unterlage herumliegen. "Hören Sie auf, den Datenschutzbeauftragten der Gemeinde zu spielen", schimpfte Kalinowski. "Hören Sie auf, mich zu beleidigen", entgegnete Sander und schaltete seinem Kritiker das Mikro ab. Der redete zwar trotzdem weiter, aber das verstand auch rein akustisch niemand mehr.

Mit diesem Erlebnis ist Kalinowski in der Politik nicht alleine. Im Bundestag wurde einst dem damalige Außenminister Joschka Fischer mitten in einer Rede der Ton abgeschaltet. Allerdings soll das damals eine Panne gewesen sein. Die Opposition feixte trotzdem. Ansonsten obliegt es nur dem Bundestagspräsidenten, den Ton abzustellen, wenn jemand seine Redezeit überzieht.

Diese Möglichkeit, den Redefluss zu stoppen, wünschen sich manche in Gemeinderatssitzungen auch. Nicht nur für die Kollegen, die davon überzeugt sind, dass andere sie genauso gerne reden hören wie sie selbst. Auch als effektive Berater-Bremse würde sich das eignen. Denn die Externen erschüttern die Zuhörer meist schon damit, dass sie eine schier unendlich lange Liste an Themen an die Wand werfen, über die reden wollen. Da möchte man mitunter allzu gerne den Schmied Automatix holen, der weiß, wie man für Ruhe sorgt. Spätestens, wenn der Vortragende nach eineinhalb Stunden ankündigen: "Aber dazu später mehr..."

© SZ vom 07.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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