Mitten in Taufkirchen:Altglas zu Staubfängern

Lesezeit: 1 min

Recycling war gestern. Heute ist Upcycling. Damit stellt sich die Frage: Wohin am Montag mit dem Zeug, das man sonst samstags weggeworfen hat?

Von Iris Hilberth

Samstag ist Recycling-Tag. Da werden körbeweise Glasflaschen in die Tonnen geschmissen und die Behälter für Verpackungsmaterial quellen über. Auch das Altpapier und die Kartonage müssen endlich aus dem Keller raus. Vom Sperrmüll in der Garage ganz zu schweigen. Der Stau am Brunnthalkreuz ist zum Beginn des Wochenendes ein Dreck gegen die Schlangen vor dem Wertstoffhof. Schade, wird sich jemand wie Edeltraud Streich denken. Sie gehört zu denjenigen, die aus altem Kram jede Menge Inspiration für neues Zeugs schöpfen. "Schönes aus alten Flaschen" verspricht sie am Sonntag als Kursleiterin bei der Volkshochschule in Taufkirchen. Für 32 Euro kann man hier aus seinem Recycling-Müll "hübsche" Gläser, Vasen und Kerzenhalter basteln. Sonntag ist Upcycling-Tag.

Stellt sich nur die Frage: Was ist Montag? Man wäre all den Kram locker am Samstag losgeworden, und nun steht er doch wieder in der Wohnung. Diesmal zwar nicht unter der Spüle, sondern als Staubfänger im Regal. Neben all den anderen Werken kreativen Schaffens aus Kindergarten und Schule: Die Kastanienmännchen, die Täschchen aus Wollresten, die Makramee-Eulen, die Untersetzer aus Flaschenkorken, die Hühner aus Eierkartons und die angemalten Blechdosen. Die Eltern trauen sich nicht, sie wegzuwerfen, so lange die Kinder noch klein sind. Dann wandern sie zunächst in eine Schublade, von dort auf den Dachboden. Als Jugendliche sind die Schöpfer selbst froh, dass ihr peinliches Mobile aus alten Klorollen endlich verschwunden ist. Doch spätestens wenn die Eltern in Rente sind und meinen, ihren Keller ausmisten zu müssen, stellen sie ihnen plötzlich einen großen Karton mit all den selbst gebastelten Muttertagsgeschenken aus den letzten Jahrzehnten hin: "Wir wollten das nicht wegwerfen, ohne dich zu fragen."

Dabei ersticken die Sprösslinge als junge Eltern gerade selbst in einer riesigen Sammlung von Klorollen. Sie stapeln sich gefühlt bis unter die Decke, weil wieder irgendeine Kunstlehrerin auf die Idee gekommen ist, daraus was Schönes zu basteln. Und wenn sie ganz heimlich schnell ein paar entsorgen wollen, gibt es sofort einen Aufschrei: "Aufheben, die brauchen wir noch!"

© SZ vom 09.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: